Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

kranktes Pferd nach RBillside Camp schickte. 
Von diesem Pferde, welches schon auf dem 
Wege starb und bei der Obduktion alle charak- 
teristischen Merkmale der Horse-sickness zeigte, 
worde Blut entnommen und auf einige Pferde 
verimpft, nämlich auf mehrere gesalzene und 
auf ein ungesalzenes. 
Das letztere bekam die Krankheit und starb, 
die gesalzenen Pferde blieben dagegen voll- 
kommen gesund. Sie erhielten nun, nachdem 
durch die erfolglose Impfung bewiesen war, 
dals sie in Wirklichkeit gesalzen waren, grolse 
Dosen von virulentem Blut teils subkutan, teils 
intravenös in Intervallen von drei bis vier 
Wochen eingespritzt. Die Dosen betrugen in 
der Regel zwei Liter. Diese aulserordentlich 
grolsen Mengen von virulentem Blut wurden 
von den gesalzenen Pferden ohne jede auf- 
fallende Störung gut ertragen. Nach einigen 
Einspritzungen wurde dann Serum von einem 
der so behandelten Pferde genommen und 
daraufhbin geprüft, ob bereits Schutzstoffe darin 
enthalten waren. Es zei sich aber nur, dals 
durch dasselbe die Inkubationszeir und auch 
der Krankheitsverlauf etwas verlängert wurden. 
Es waren also höchstens Andentungen dafür 
vorhanden, dals Schutzstoffe in der Bildung 
begriffen waren. Die Pferde wurden dann weiter 
mit grofsen Dosen von virulentem Blut behan- 
delt und ihr Serum einige Monate später wieder 
geprüft. Diesmal fanden wir, dals das Serum 
schon recht starke Schutzwirkung besals. Um 
dies festzustellen, wurde in folgender Weise 
verfahren: Es wurden mehreren Pferden ab- 
gestufte Mengen von Serum subkutan injiziert 
und am folgenden Tage ebenfalls subkutan eine 
Dosis von virulentem Blut gegeben, von welcher 
wir wulsten, dals sie absolut tödlich wirken 
molste, da wir dieselbe Dosis mehrfach ange- 
wandt und damit ausnahmslos einen tödlich 
verlaufenden Anfall von Horse-sickness erzielt 
hatten. 
Zu diesem Versuche waren fünf Pferde ver- 
wendet. Davon erkrankte eins, ein junges 
Tier (fünf Jahre alt), überstand aber die Krank- 
heit und war danach, wie wiederbolte erfolglose 
ujektionen von virulentem Blat bewiesen, voll- 
kommen immun, d. h. gesalzen. Die übrigen 
vier Pferde, zwei alte und zwei junge, wurden. 
überhaupt nicht krank. 
Es entstand nun aber die Frage, ob nicht 
etwa diese Tiere, entgegen unserer Annahme, 
schon vorher gesalzen waren. Um dies zu er- 
fahren, wurde 15 Tage nach Injektion des 
Serume den beiden alten Tieren und einem der 
beiden jungen dieselbe Dosis von virulentem 
„Blut gegeben wie das erste Mal. Alle drei 
Pferde erkrankten diesmal und starben an 
Horse-sickness. 
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Damit war bewiesen: erstens, dals die Pferde, 
welche zu unserem Versuche benutzt wurden, 
eempfänglich waren für Horse-sickness; zweitens, 
dals sie durch das Serum gegen eine absolut 
tödliche Dosis von virulentem Blute geschützt 
wurden; drittens, dals dieser Schutz höchstens 
15 Tage vorgehalten hatte. 
Es wurde nun weiter untersucht, ob das 
Serum imstande sei, auch nach Ausbruch der 
Krankheit einen heilenden Einfluls auszuüben. 
Dies ist leider nicht der Fall. In mehreren 
Fällen erhielten Pferde, bei denen das erste 
Symptom der beginnenden Krankheit, nämlich 
der Anstieg der Körpertemperatur, sich zeigte, 
sofort grolse Dosen von Serum, subkutan oder 
intravenös injiziert, die Injektionen wurden 
auch wiederholt und bei einzelnen Tieren bis 
über ein Liter gegeben, chne dals der tödliche 
Ausgang der Krankheit abgewendet werden 
konnte. Nur an dem vorübergehenden Abfall 
der Temperatur und an der verlängerten Dauer 
der Krankheit liels sich auch hier ein gewisser 
Einflufls des Serums erkennen. In dieser Be- 
ziehung verhält sich unser Serum ähnlich wie 
das Tetanus- und das Pestserum, welche beide 
auch eine bedeutende präventive, aber keine 
oder nur sehr geringe kurative Wirkung besitzen. 
Bei diesen Versuchen stellte sich nun aber 
die aufserordentlich wichtige Tatsache heraus, 
dals unser Serum vollkommen frei war von der 
höchst unangenehmen Eigenschaft, dals es 
hämolytisch wirkt und infolgedessen Hämo-- 
globinurie erzeugt, eine Eigenschaft, welche, 
wie bereits erwähnt wurde, anderen Experimen- 
tatoren die grölsten Hindernisse bereitet hatte. 
Wir konnten das Serum gesunden und kranken 
Tieren in den grölsten Dosen sowohl subkutan 
als auch intravenös injizieren, ohne dals jemals 
auch nur eine Spur von Hämoglobinurie eintrat. 
Diese Eigenschaft wurde übrigens nicht etwa 
nur am Serum eines einzigen Tieres kon- 
statiert, welches vielleicht zufällig nicht hämo- 
Itisch wirkte, sondern am Serum von allen 
drei Pferden, welche von uns bis jetzt zur 
Serumgewinnung präpariert waren. 
Wir waren also im Besitze eines Serums, 
welches kräftige präventive und keine hämo-- 
TItische Eigenschaft hatte, und wir konnten 
nun daran denken, dasselbe für eine Schutz- 
impfung, ähnlich wie bei der Rinderpest, zu 
verwenden. Es kam nur darauf an, eine solche 
Kombination von Serum und Virus zu finden, 
welche einen milden Anfall der Horse-sicknees 
entstehen lälst, stark genug, um Immunität zu 
erzeugen, und nicht so stark, als dals er ge- 
fährlich werden könnte. Es mulste also er- 
mittelt werden, welche Dosis des Virus die 
zweckmälsigste ist, ob es vorteilhaft ist, eine 
sehr starke Dosis anzuwenden oder nur eine
	        
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