12 Tagen zurückgelegt werden. Hinter Khartoum
beträgt die Breite des Weißen Nil 3 bis 4½ km.
Schmale Kulturstreifen sind an beiden Ufern, die
vollkommen flach sind, sichtbar. Bei abnehmendem
Nil treten zahlreiche fruchtbare Inseln hervor, die
sofort von den Eingeborenen mit Mais und Bohnen,
auch Gerste bebaut werden, oder ungezählten Ziegen-
herden als Weideland dienen. Tausende von wilden
Enten, Schwänen, Gänsen, Störchen, Pelikanen,
Reihern, Kranichen und weißköpfigen Gelern beleben
das sonst eintönige Bild. Der Dampfer hält an
verschiedenen Holzstationen an, um Brennmaterial
für die Maschine einzunehmen. Da dasselbe nur
spärlich am Ufer wächst, muß es von den von der
Regierung dort angesiedelten Sudanesen bisweilen
weit im Innern geschlagen und an den Fluß be-
fördert werden. Die Holzfrage ist für die Nil-
schiffahrt eine ungemein wichtige. In absehbarer
Zeit werden die für diesen Zweck erreichbaren Holz-
bestände erschöpft sein, und wenn bis dahin keine
Kohle im Sudan gefunden ist, wird der Dampfer-
betrieb selbst nach Fertigstellung der Bahn Suakin—
Berber immer noch ein koftspiellger werden. Ein
hoher Forstbeamter der indischen Reglerung beauf-
sichtigt zur Zeit im Sudan die sachgemäße Ab-
holzung. Die Hoffnung. in der Provinz Dongola
Kohlen zu finden, hat man aufgegeben. Augerblick-
lich befindet sich eine Expedition an der abessinischen
Grenze, wo sich Spuren von Kohlenlagern gefunden
haben sollen.
180 km von Khartoum erreicht man den Ort
El Dueim, den Ausgangspunkt einer großen Kara-
wanenstraße nach der Hauptstadt Kordofans, El Obeid,
100 km weiter das Dorf Goz Abu Guma, von wo
ein Kamelpfad und ein Telegraph nach Sennar am
Blauen Nil geht. Hinter Goz Abu Guma ändert
sich die Gegend. Das Flußbett verengt sich auf
500 m. Die Ufer sind mit hohem Sumpfgras be-
wachsen. Dahinter werden Akazien= und Tamarisken-
wälder, bisweilen auch langgestreckte offene Lagunen
sichtbar. Vereinzelte Granitkuppen bis zu 400 Fuß
Höhe bilden die einzigen Bodenerhebungen. In
einiger Entfernung vom Ufer sieht man Nieder-
lassungen von Schilluk= und Dinkanegern, von denen
jene hauptsächlich das linke, diese das rechte Nilufer
bewohnen. Ihre Hütten, „takls“ genannt, sind in
konischer Form aus Lehm mit Strohdach gebaut; der
Durchmesser derselben beträgt selten mehr als 4 bis
5bm. Die Eingeborenen besitzen Ziegenherden, auch
einige Kühe, und bauen etwas Durrha (Mais). Am
5. Januar wurde Kaka (640 km von Khartoum)
und in der Nacht zum 6. Januar Kodok (früher
Faschoda) angelaufen. Sodann kamen wir nach
Lol, einem Schillukendorf, wo sich seit zwei Jahren
eine aus drel Patres, drei Schwestern und drei
Brüdern bestehende österreichische Missionsanstalt be-
findet. Einer der Missionare gab selbst zu, daß ihr
Einfluß sich bis jetzt darauf beschränke, die Ein-
geborenen in ihrer nächsten Nähe zur Anlegung
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eines losen Gewandes zu veranlassen. An die Ein-
richtung einer Schule könne noch nicht gedacht
werden. Nachmittags legte der Dampfer in Taufikia
(810 km von Khartoum) an, dem militärischen Haupt-
quartier der Upper Nile-Provinz. Hier endigt der
Telegraph. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle,
daß jeder englische Beamte in den Stationen am
Nil täglich die in Khartoum einlaufenden Reuter-
telegramme von der Regierung kostenlos zugestellt
erhält.
but km von Taufikia nimmt der Weiße Nil
rechts den schiffbaren Sobatfluß, 45 km weiter den
Bahr el Zeraf auf und erreicht nach weiteren 75 km
den Lake No. An diesem Punkt macht der Nil eine
scharfe Wendung noch Süden und nimmt den Namen
Bahr el Jebel an. Hier beginnt die eigentliche
„Sudd"-Region, das große Hindernis, welches einer
gedeihlichen Entwicklung des südlichen Sudan und
einer engeren Verbindung desselben mit Uganda für
alle Zeiten im Wege stehen dürfte. Unter „Sudd“
versteht man das ausgedehnte Sumpfgebiet südlich
Taufikias, welches, mit Schilfgras und Papyrus-
stauden bewachsen, ein Areal von annähernd
40 000 englischen Quadratmeilen umfaßt. Der
„Sudd“ bedeckt nach den mir gemachten Angaben
ungefähr ein gleichseitiges Dreieck, dessen Grundlinie
südlich des 10.? n. Br. vom 28.7 bis 34.“ 5. Lg.
(Greenwich) reicht und dessen Spitze nördlich Lados
auf dem 5° 30 n. Br. liegt: von Taufikio im
Norden bis Kiro im Süden, von Meshra el Rek im
Westen bis Nassr an der abessinischen Grenze im
Osten. Unser Dampfer gebrauchte vier Tage und
Nächte, um diese eintönige Gegend zu durchqueren.
Die fahrbare Wasserstraße verengt sich bis auf 150
bis 200 m. Rechts und links, so weit das Auge
reicht, nichts als 4 bis 5 m hohes Papyrusschilf;
dann und wann, wo etwas festere Bestandteile sich
abgelagert haben, niedriges Buschgestrüpp; in der
Ferne sieht man größere offene Wasserflächen. Kein
Wild vermag hier Fuß zu fassen, nur Herden von
Nilpferden und Krokodilen treiben ihr Unwesen.
Ich zählte an einer Stelle 22 Hippopotamus um
unser Schiff herum. Um so größer ist die Anzahl
der mannigfaltigsten Wasservögel, unter denen be-
sonders der prächtige Fischadler viel vertreten ist.
An etwas trockeneren Stellen baut die Termiten-
ameise ihre bis 3 m hohen Hügel, die, geebnet, den
Negern des Nuerstammes bei niedrigem Nil zur
Errichtung von Tukls dienen.
Noch im Jahre 1900 war der Bahr el Jebel
durch das Schilf, welches von den starken Stürmen
losgerissen und in die offene Wasserrinne getrieben
wird, für Dampfer unpassierbar, während der heute
wieder versumpfte Bahr el Zeraf früher schiffbar
war. Es hat mehrjähriger schwerer Arbeit bedurft,
um die 14 verschiedenen „Blocks“ durch Händearbeit
zu entfernen und so die Verbindung mit Gondokoro
herzustellen. Noch heute arbeltet man an der Be-
seitigung der 37 km langen Barre Nr. 15, die zwar