Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

abselts der heutigen Fahrrinne liegt, nach deren Be- 
seitigung man jedoch eine stärkere Strömung und 
dadurch eine, plötzlichen Unterbrechungen weniger 
ausgesetzte Fahrrinne herzustellen hofft. Ich habe 
mir die im Gange befindlichen Arbelten des „#s#udd- 
cutting“ an Ort und Stelle angesehen. Eingeengt 
durch große Schilfmossen, liegen dort zwei Kanonen- 
boote und mehrere Barken, auf denen unter Befehl 
eines englischen Hauptmanns 300 bis 400 Sudanesen 
mit einer großen Anzahl ihrer Weiber untergebracht 
sind. Bis an die Hüften im Wasser stehend, relßen 
dieselben vermittels Messern, Ketten und Stricken 
größere und klelnere Stücke des dichten Sumpf- 
gewächses los und lassen diese den Fluß hinunter- 
treiben. Oft vernichtet ein starker Wind in einer 
Nacht die Arbeit von Wochen. Vilele Leute sterben 
in diesem ungesunden Klima am Sumpffieber oder 
müssen krank nach Hause geschickt werden. Dazu 
kommt die beständige Gefahr, der die Arbeiter 
durch die gefrößigen Krokodile ausgesetzt sind. Die 
Sachverständigen hoffen, falls die Freilegung des 
Block Nr. 15 gelingt, die Strömung im Bahr el 
Jebel so zu verstärken, daß eine große Menge des 
stagnierenden Wassers aus den ausgedehnten Lagunen 
abfließen und sich dann auch dort Papyrusschilf 
bilden wird. Dadurch würde die Verdunstung des 
Wassers durch die Sonne, die heute etwa 50 péCt. 
betragen soll, sehr vermindert und infolge davon die 
Menge Wassers, die den Nildamm bei Assuan er- 
reicht, zum Segen der Bewässerung in Agypten be- 
deutend vergrößert werden. Mag dies auch gelingen, 
sicher ist jedoch, daß eine Entwässerung und Trocken- 
legung des Sudd für Kulturzwecke in absehbarer 
Zeit undurchführbar ist. An dem Sudd wird auch 
meines Erachtens der Rhodessche Plan einer Bahn 
vom Kap nach Kairo scheitern, ebenso wie derselbe 
bisher die Weiterlegung des Telegraphen von Taufikia 
nach Gondokoro verhindert hat. Für einen Bahnbau 
könnte dort wohl niemals ein genügend fester Unter- 
grund gewonnen werden. Wollte man aber die 
Linie mit Umgehung des Sudd östlich an die Aus- 
läufer der abessinischen Berge verlegen, so würde sie, 
wie Slatin Pasha mir sagte, sechs Monate des Jahres 
hindurch während der Regenzeit unbenutzbar sein und 
wahrscheinlich in jedem Sommer durch die reißenden 
Gebirgsbäche zerstört werden. Deshalb kann nach 
meiner Ansicht die Aufgabe der Sudanregierung 
allein darin bestehen, eine zu jeder Jahreszeit benutz- 
bare Wasserstraße durch den Sudd offen zu halten, 
welche auch eine ausreichende Verbindung, einmal 
mit den englischen Besitzungen in Ostafrika und so- 
dann für den erst noch zu schaffenden Aus= und 
Einfuhrhandel mit dem Süden darbieten dürfte. 
Nach der kartographischen Aufnahme des Bahr 
el Jebel beträgt die Entfernung von Lake No bis 
Gondokoro 812 km. An wenigen Stellen, so bei 
Shambe, Kanisa und Bor, erscheint bisweilen am 
Ufer ein kurzes und schmales Stück trockenen Landes, 
wo Stationen angelegt sind oder die Nuer= und 
450 
  
Barineger kleine Niederlassungen haben. Südlich 
von Bor werden diese trockenen Stellen häufiger, so 
bei „Large Tree“ und den belgischen Statlonen 
Kiro und Lado. Die armseligen und ausgehungerten 
Eingeborenen des Barlstammes, von denen einige sich 
an diese Stelle ihre Tukls erbaut haben, leben fast 
ausschließlich vom Fischhang. Nur ganz vereinzelt 
sieht man kleine Ziegenherden. Dann und wann 
gelingt es ihnen, ein Nilpferd zu harpunieren oder 
eine Antilope zu erlegen. Die Männer sind voll- 
kommen unbekleidet, die Frauen tragen zum Teil 
elnen kurzen Lendenschurz. Wie man mir sagte, ist 
bei diesen Stämmen keine Spur von Religion oder 
religiösem Kultus zu entdecken. Ihre Toten wickeln 
sie in Grasmatten ein und werfen sie in den Fluß. 
Geld ist ihnen unbekannt. Die üblichen Tausch- 
waren bestehen in Perlen und Messingdraht. In 
einiger Entfernung vom Ufer ist das Land mit 
niedrigen Bäumen („Forest“ genannt), meist der 
Akazia= und Mimosenart angehörig, bestanden. 
Elefanten und Giraffen kommen häufig vor. 
„Large Tree“ ist etwas über 100 km von 
Gondokoro entfernt. 35 km nilaufwärts beginnt 
am linken Ufer die Kongo-Enklave, in der die 
Belgier vier Stationen, Kiro, Lado, Rejaf und 
Seri unterhalten. Dieselben sind befestigt und 
zeichnen sich vor den englischen Stationen durch gute 
massive Gebäude und bessere Ordnung aus. In 
Kiro besteht die Garnison aus 1 Osfizier, 1 Unter- 
offizier und 200 Mann, in Lado aus 5 Offizieren, 
10 Unteroffizteren und 450 Mann. In der ganzen 
Enklave hat der Kongostaat ungefähr 2300 Mann 
verteilt. Im Hauptaquartier Lado befinden sich 
6 Kanonen und 4 Maximgeschütze. Die Offiziere 
sind Italiener, Schweden, Schweizer, nur keine 
Belgier. Ein geringer Export von Elfenbein und 
Kautschuk findet statt. 
Lado gegenüber, am rechten Ufer, hat die Sudan- 
regierung in Mongalla seit kurzem eine militärische 
Station errichtet. 17 km südlich von Lado, eben- 
falls am rechten Nilufer, erreicht man das Endziel 
der Reise und die erste Station des Protektorats 
Uganda, Gondokoro.“) Hier hört der Bahr el Jebel 
auf, für größere Dampfer schiffbar zu seln. Es be- 
finden sich dort 1 Zivilbeamter (Collector), 1 Offi- 
zier, 1 Arzt und 300 Uganda-Soldaten. Hier, im 
Herzen des schwarzen Welttells, in nächster Nähe 
des Aquators, befinden sich demnach im Umrkkreise 
weniger Quadratkilometer drei militärische Garnisonen 
verschiedener Nationalität. 
Am 26. Januar landete ich zu dreitägigem 
Aufenthalt wieder in Khartoum. Als Oberst Kücchener 
am 2. September 1898, 18 Jahre nach dem helden- 
mütigen Tode des Generals Gordon, siegreich in 
Omdurman einzog, fand er das alte Khartoum dem 
Erdboden gleichgemacht. Der Khallfa hatte nach dem 
Tode des Mahdi jede Erinnerung an die Herrschaft
	        
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