abselts der heutigen Fahrrinne liegt, nach deren Be-
seitigung man jedoch eine stärkere Strömung und
dadurch eine, plötzlichen Unterbrechungen weniger
ausgesetzte Fahrrinne herzustellen hofft. Ich habe
mir die im Gange befindlichen Arbelten des „#s#udd-
cutting“ an Ort und Stelle angesehen. Eingeengt
durch große Schilfmossen, liegen dort zwei Kanonen-
boote und mehrere Barken, auf denen unter Befehl
eines englischen Hauptmanns 300 bis 400 Sudanesen
mit einer großen Anzahl ihrer Weiber untergebracht
sind. Bis an die Hüften im Wasser stehend, relßen
dieselben vermittels Messern, Ketten und Stricken
größere und klelnere Stücke des dichten Sumpf-
gewächses los und lassen diese den Fluß hinunter-
treiben. Oft vernichtet ein starker Wind in einer
Nacht die Arbeit von Wochen. Vilele Leute sterben
in diesem ungesunden Klima am Sumpffieber oder
müssen krank nach Hause geschickt werden. Dazu
kommt die beständige Gefahr, der die Arbeiter
durch die gefrößigen Krokodile ausgesetzt sind. Die
Sachverständigen hoffen, falls die Freilegung des
Block Nr. 15 gelingt, die Strömung im Bahr el
Jebel so zu verstärken, daß eine große Menge des
stagnierenden Wassers aus den ausgedehnten Lagunen
abfließen und sich dann auch dort Papyrusschilf
bilden wird. Dadurch würde die Verdunstung des
Wassers durch die Sonne, die heute etwa 50 péCt.
betragen soll, sehr vermindert und infolge davon die
Menge Wassers, die den Nildamm bei Assuan er-
reicht, zum Segen der Bewässerung in Agypten be-
deutend vergrößert werden. Mag dies auch gelingen,
sicher ist jedoch, daß eine Entwässerung und Trocken-
legung des Sudd für Kulturzwecke in absehbarer
Zeit undurchführbar ist. An dem Sudd wird auch
meines Erachtens der Rhodessche Plan einer Bahn
vom Kap nach Kairo scheitern, ebenso wie derselbe
bisher die Weiterlegung des Telegraphen von Taufikia
nach Gondokoro verhindert hat. Für einen Bahnbau
könnte dort wohl niemals ein genügend fester Unter-
grund gewonnen werden. Wollte man aber die
Linie mit Umgehung des Sudd östlich an die Aus-
läufer der abessinischen Berge verlegen, so würde sie,
wie Slatin Pasha mir sagte, sechs Monate des Jahres
hindurch während der Regenzeit unbenutzbar sein und
wahrscheinlich in jedem Sommer durch die reißenden
Gebirgsbäche zerstört werden. Deshalb kann nach
meiner Ansicht die Aufgabe der Sudanregierung
allein darin bestehen, eine zu jeder Jahreszeit benutz-
bare Wasserstraße durch den Sudd offen zu halten,
welche auch eine ausreichende Verbindung, einmal
mit den englischen Besitzungen in Ostafrika und so-
dann für den erst noch zu schaffenden Aus= und
Einfuhrhandel mit dem Süden darbieten dürfte.
Nach der kartographischen Aufnahme des Bahr
el Jebel beträgt die Entfernung von Lake No bis
Gondokoro 812 km. An wenigen Stellen, so bei
Shambe, Kanisa und Bor, erscheint bisweilen am
Ufer ein kurzes und schmales Stück trockenen Landes,
wo Stationen angelegt sind oder die Nuer= und
450
Barineger kleine Niederlassungen haben. Südlich
von Bor werden diese trockenen Stellen häufiger, so
bei „Large Tree“ und den belgischen Statlonen
Kiro und Lado. Die armseligen und ausgehungerten
Eingeborenen des Barlstammes, von denen einige sich
an diese Stelle ihre Tukls erbaut haben, leben fast
ausschließlich vom Fischhang. Nur ganz vereinzelt
sieht man kleine Ziegenherden. Dann und wann
gelingt es ihnen, ein Nilpferd zu harpunieren oder
eine Antilope zu erlegen. Die Männer sind voll-
kommen unbekleidet, die Frauen tragen zum Teil
elnen kurzen Lendenschurz. Wie man mir sagte, ist
bei diesen Stämmen keine Spur von Religion oder
religiösem Kultus zu entdecken. Ihre Toten wickeln
sie in Grasmatten ein und werfen sie in den Fluß.
Geld ist ihnen unbekannt. Die üblichen Tausch-
waren bestehen in Perlen und Messingdraht. In
einiger Entfernung vom Ufer ist das Land mit
niedrigen Bäumen („Forest“ genannt), meist der
Akazia= und Mimosenart angehörig, bestanden.
Elefanten und Giraffen kommen häufig vor.
„Large Tree“ ist etwas über 100 km von
Gondokoro entfernt. 35 km nilaufwärts beginnt
am linken Ufer die Kongo-Enklave, in der die
Belgier vier Stationen, Kiro, Lado, Rejaf und
Seri unterhalten. Dieselben sind befestigt und
zeichnen sich vor den englischen Stationen durch gute
massive Gebäude und bessere Ordnung aus. In
Kiro besteht die Garnison aus 1 Osfizier, 1 Unter-
offizier und 200 Mann, in Lado aus 5 Offizieren,
10 Unteroffizteren und 450 Mann. In der ganzen
Enklave hat der Kongostaat ungefähr 2300 Mann
verteilt. Im Hauptaquartier Lado befinden sich
6 Kanonen und 4 Maximgeschütze. Die Offiziere
sind Italiener, Schweden, Schweizer, nur keine
Belgier. Ein geringer Export von Elfenbein und
Kautschuk findet statt.
Lado gegenüber, am rechten Ufer, hat die Sudan-
regierung in Mongalla seit kurzem eine militärische
Station errichtet. 17 km südlich von Lado, eben-
falls am rechten Nilufer, erreicht man das Endziel
der Reise und die erste Station des Protektorats
Uganda, Gondokoro.“) Hier hört der Bahr el Jebel
auf, für größere Dampfer schiffbar zu seln. Es be-
finden sich dort 1 Zivilbeamter (Collector), 1 Offi-
zier, 1 Arzt und 300 Uganda-Soldaten. Hier, im
Herzen des schwarzen Welttells, in nächster Nähe
des Aquators, befinden sich demnach im Umrkkreise
weniger Quadratkilometer drei militärische Garnisonen
verschiedener Nationalität.
Am 26. Januar landete ich zu dreitägigem
Aufenthalt wieder in Khartoum. Als Oberst Kücchener
am 2. September 1898, 18 Jahre nach dem helden-
mütigen Tode des Generals Gordon, siegreich in
Omdurman einzog, fand er das alte Khartoum dem
Erdboden gleichgemacht. Der Khallfa hatte nach dem
Tode des Mahdi jede Erinnerung an die Herrschaft