wurde aus einem kleinen Wasserlauf geschöpft, der
mit hohen schattenspendenden Bäumen eingefaßt war.
Hier gesellten sich auch unsere drei Wanderobboführer
zu uns. Ihre anfängliche Scheu wich sehr bald, als
sie ihren alten Bekannten, den Halbaraber Hidi, der
schon von Ikoma aus mit uns marschiert war, bei
der großen Karawane sahen. Es waren schlanke,
sehnige Gestalten, denen man auf den ersten Blick
ihre Blutsverwandtschaft mit den Massais ansah. In
früheren Jahren von den Massais ihrer Viehherden
beraubt und aus ihren Weldeplätzen vertrieben, sind
sie jetzt die bittersten Feinde der Massais geworden.
Sie leben ausschließlich von der Jagd und essen
lediglich Fleisch. Ihre Bekleidung und Ausrüstung
besteht aus einem umgehängten Ziegenfell, Bogen und
Köcher mit Pfeilen. Von letzteren führen sie ver-
giftete und unverglstete, erstere mit einer eisernen
mit Widerhaken versehenen Spitze, von verschledener
Schwere, je nachdem sie auf Antilopen, Raubtiere
oder Dickhäuter schießen, letztere mit einer stumpfen
Holzspitze, hauptsächlich zum Schießen von Vögeln.
In dem Koöcher führen sie außerdem noch ein Stück
hartes Holz zum Feueranmachen.
Die Nacht war beinahe kalt zu nennen, und da
es nach Aussage der Wanderobbo keine Moskitos gab,
konnte ich ohne Moskitonetz schlafen.
Am nächsten Morgen um 4½ Uhr brachen wir
noch bei hellem Mondschein auf. Hatte es früher
niemals an vereinzelten Nachzüglern gefehlt, so war
das jetzt anders. Dicht aufgeschlossen marschierte jetzt
die lange Reihe der Träger und Boys, am Anfang
und Ende der langen Kolonne marschierte eine Anzahl
von Askaris; ganz vorn gingen die Wanderobbo,
dann folgten wir Europäer mit unseren die Gewehre
tragenden Boys. Die gute Marschordnung verdankten
wir der von uns ergangenen Warnung: „Wer zurück-
bleibt, wird von den Massais erschlagen.“ Ohne
Weg und Steg ging es nun durch die Steppe. Die
bereits am Abend zuvor von den Wanderobbo uns
angegebene Marschrichtung war etwa O8O. Schnur-
gerade wurde sie von den Wanderobbo innegehalten,
ohne daß sich im Gelände irgendwie markante Punkte
boten. Von Stunde zu Stunde verglich ich auf dem
Kompaß die Marschrichtung mit der uns ursprünglich
angegebenen, aber nicht die geringste Abweichung
ergab sich. Dieses instinktive Festhalten an einer
bestimmten Richtung ist geradezu bewunderungs-
würdig und nur durch den ständigen Aufenthalt in
der freien Natur und durch schärfste Beobachtung
der Sonne möglich.
Das Land trägt ausgesprochenen Steppencharakter,
fast durchweg ist es mit kurzem Gras, verkümmerten
Sträuchern, Dornbusch und vereinzelten Bäumen,
zumeist Akazienarten, bedeckt. Nirgends bietet sich
ein Ruhepunkt für dan Auge. Schon bald nach
Sonnenaufgang kam Leben in die Natur. Teils
einzeln, teils in Rudeln zeigten sich Thomson= und
Grantgazellen, Hartebeeste, Leierantilopen und Zebras,
auch vereinzelte Strauße waren sichtbar Merkwür-
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digerweise zeigte sich das Wild wenig vertraut, ein
Zelchen, daß die Wanderobbo kurz vorher hier ge-
jagt hatten. Um so schwieriger wurde jetzt für uns
die Jagd. Durchschnittlich schon auf 250 bis 800 m
Entfernung mußte man seine Kugel anbringen, weil
fast nirgends Deckung vorhanden war, und das
Kriechen in dem spitzen und kurzen Gras und in den
mit fingerlangen Dornen gespickten Büschen auch
nicht zu den Annehmlichkeiten gehörte. Dazu kommt
ferner, daß die meisten Antilopenarten ungemein hart
gegen Treffer sind. Ich habe mehr wie einmal
Thomson-Antilopen, die etwa die Größe eines Reh-
bockes haben, erst nach dem dritten oder vierten Schuß
zusammenbrechen sehen, trotzdem sämtliche Schüsse im
Hals und auf dem Blatt saßen. Auf Leierantilopen
mit dem Gewehr 88 zu schießen, kann man beinahe
al- Patronenverschwendung bezeichnen. Zehn und
mehr Treffer find oft notwendig, um ein Exemplar
dieser Gattung zur Strecke zu bringen. Kurz er.
wähnen möchte ich bei dieser Gelegenheit, daß die
Schädiger der Jagd in der Kolonie nur die Einge-
borenen sind. Sie haben die Zeit dazu, dem Wild
an den Wasserstellen und ständigen Wechseln aufzu-
lauern und dasselbe ohne Unterschied von Alter und
Geschlecht zu morden. Irgend ein Interesse an der
Erhaltung des Wildstandes haben sie nicht. Ihr
ganzes Bestreben geht nur dahin, möglichst viel Flelsch
zu bekommen, von dem sie allerdings unglaubliche
Mengen vertilgen können. Der einzelne Europäer
schädigt die Jagd kaum, er hat in den meisten Fällen
gar nicht die Zeit dazu. Zieht er als Reisender
durch das Land, so wird er sich in der Regel darauf
beschränken, nur wenig abseits vom Wege zu jagen,
und hält er sich längere Zeit an einer wildreichen
Stelle auf, so wandert das Wild weiter, und in
der unmittelbaren Nähe der im Innern gelegenen
Militärstationen gibt es in den seltensten Fällen
Wild. Will man den Wildbestand in der Kolonle
erhalten, so muß man dem Eingeborenen gründlich
auf die Finger sehen. Selbst wenn ein einzelner
Europäer einmal mehr schießt, als viellelcht gerade
notwendig ist, so macht das bei der Menge des
vorhandenen Wildes nicht viel aus, während die
Eingeborenen große Kesseltreiben veranstalten und
rücksichtslos morden. Erwähnen möchte ich ferner,
daß die Jagd in Afrika nicht immer eine Erholung
ist in dem Sinne wie zu Hause. Wer da glaubt,
daß man sich nur die Büchse umzuhängen braucht,
um nach einem kurzen Spazlergang durch den Busch
schwerbeladen mit Beute heimzukehren, der irrt sich
gewaltig. Auch die Menge des vorhandenen Wildes
erleichtert das Treffen doch nur bedingungsweise,
denn man muß durchweg auf größere Entfernungen
schießen wie zu Hause. Der schlechte Schütze wird
auch hier ohne Jagdbeute ins Lager zurückkehren,
selbst wenn er Herden von Wild zu Gesicht bekommen
hat. Auch die sengende Hitze in den Steppen trägt
nicht gerade zur Erholung bei. Aber ein Vergnügen
ist die Jagd für den Jäger trotzdem.