Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Eine Absetzung der Leute war an diesem Abend 
wegen der weiten Entfernung der in Betracht kom- 
menden Inseln und der ungeheueren vorgelagerten 
Korallenriffe bei der bereits vorgeschrittenen Tageszeit 
nicht mehr möglich. Inzwischen soh man über die 
Riffe die Eingeborenen mit ihren flachen Kanus dem 
Schiffe sich nähern. Aber auch diesmal, ebenso wie 
bei der letzten Fahrt, kreisten sie wieder in scheuer 
Zurückhaltung in erheblichem Abstande um das Schiff. 
Die Zurufe ihrer Landsleute ließen sie allmählich 
etwos näher kommen. Erst als Geschenke angebotene 
leere Flaschen brachen den Bann. In wilder Schar 
drängten sie sich nun um das Schiff, jeder nahm die 
ihm gebotene Flasche mit großem Freudengeschrei 
entgegen; jeder verlangte nach mehr. Als gar einige 
der Heimkehrenden mit ihrer Kiste und den darin 
enthaltenen Geschenken das Schiff verließen, war ihr 
Begehren vollends nicht mehr zu stillen. Ohne län- 
gere Untersuchung, ob sie einem Stammesangehörigen 
als Eigentum gehörten oder nicht, wurden denselben 
ihre Habseligkeiten einfach weggenommen und nach 
den Kanus gebracht. Die Leute sohen übrigens auch 
diesmal noch keineswegs besonders vertrauenerweckend 
aus. Völlig unbekleidet — nur eine schmale Leine 
ziert die Lenden — erschienen sie alle mit Speeren 
bewaffnet. Durch die zurückgebrachten Leute ließ ich 
nunmehr ihren Landsleuten sagen, daß ich sie anderen 
Tages in ihren Dörfern besuchen und sie dabei 
beschenken würde. Dies letztere schien ihnen besonders 
zuzusagen, denn sofort umringten sie mich alle und 
drückten mir unter allen möglichen Beteuerungen ihre 
Wünsche aus. Nach dieser freundschaftlichen Zusage 
entwickelte sich allmählich ein schwunghafter Handel 
mit Speeren, Kämmen, Muscheln, Gürteln, Matten, 
Netzen u. dergl. Kuriositäten gegen Hingabe von 
Tauschwaren, unter denen wieder Flaschen der be- 
gehrteste Artikel waren. 
Den nächsten Tag stattete ich in Begleitung der 
Jungen Malatu und Capissa, der belden seinerzeit 
von S. M. S. „Seeadler“ als Kriegsgefangene weg- 
genommenen Eingeborenen, den Inseln den ver- 
sprochenen Besuch ab und setzte die noch tags zuvor 
zurückgebliebenen Eingeborenengäste ab. Wir fuhren 
mit zwei Booten des „Seestern“ zunächst nach der 
Insel Emsau. Die uns begleitende Polizeitruppe 
ließ ich zur Deckung stets in den Booten zurück. 
Obwohl wir schon auf der letzten Reise hier angelegt 
hatten, trugen die Eingeborenen anfänglich ein äußerst 
zurückhaltendes und ängstliches Wesen zur Schau. 
Erst nachdem ich sie beschenkt hatte und sie versicherte, 
daß ich nicht in schlimmer Absicht zu ihnen gekommen 
sei, legten sie ein mehr freimütiges Gebahren an 
den Tag. Endlich führten sie uns noch einen Tanz 
auf, der sie aber schließlich in solche Exaltation ver- 
setzte, daß ich es für geboten hielt, denselben nicht 
wiederholen zu lassen. 
Von hier begaben wir uns nach der nüchstgele- 
genen Insel Musau, nach der ebenfalls einige Leute 
zurückgelehrt waren. Meinem Wunsche, auch eines 
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ihrer Dörfer sehen zu dürfen, versprachen sie berelt- 
willigst zu entsprechen. Als wir aber, selbst ohne 
Begleitung der Polizeitruppe, etwa 150 m weit in 
den Busch gekommen waren, ließ mir der Häuptling 
durch einen der heimgekehrten Leute mitteilen, daß 
ich jetzt weit genug gewesen sei, ich solle jetzt wieder 
umkehren. Unter den obwaltenden Umständen hielt 
ich es auch hier für das Ratsamste, den Befehl zur 
Rückkehr nach dem Ufer zu geben. Im übrigen be- 
gegneten wir ebenso wie hier auch auf der nächsten 
Insel Evolin demselben Mißtrauen. Freundschaft- 
licher dagegen wurden wir auf der Insel Emananus 
aufgenommen. 
Von hier aus nach dem Schiffe zurückgekehrt, 
machten wir am Nachmittag noch einen Besuch auf 
der Insel Evanan, woselbst die Begräbnisstätte des 
vor drei Jahren ermordeten Südseereisenden Menke 
belegen ist. Die Eingeborenen führten uns bereit- 
willig ins Innere der Insel und wiesen uns auf 
das Grab des Ermordeten hin. Als der „Seestern“ 
sich gegen 4 Uhr seellar machte und zum Zeichen 
der baldigen Abfahrt mehrmals seine ohrbetäubende 
Sirenenpfeife ertönen ließ, sahen wir aus der Ferne 
in phalanxartiger Aufstellung eine Anzahl Kanus an 
uns heranrücken. Dabei erscholl ein kriegsähnliches 
Geheul, unterbrochen durch Pausen und durch kräftig 
hervorgestoßene Töne aus dem Tritonhorn, uns ent- 
gegen. Erst als der Zug uns näher gekommen war, 
erkannten wir, daß der Gesang ein friedlicher war. 
Die heimgekehrten Leute waren mit ihren Landsleuten 
uns entgegengefahren, um uns zum Bewelse ihrer 
jetzigen Freundschaft Geschenke und ihren Abschlieds- 
gruß zu bringen. Auch wurden mir noch mehrere 
Jungen übergeben, so daß die Zahl der Angewor- 
benen die Höhe von 11 neuen Leuten erreichte. Nach 
dieser Abschiedsbegrüßung fuhr der „Seestern“ wie- 
der nach Käwieng zurück, woselbst wir den anderen 
Vormittag anlangten. 
Den Erfolg meiner Reise fasse ich dahin zu- 
sammen, daß die Eingeborenen der St. Matthias- 
Inseln noch mit äußerster Vorsicht aufzunehmen sind, 
daß die Anwerbung von Jahr zu Jahr eine aus- 
sichtsvollere sein dürfte, daß ich aber den Zeitpunkt 
noch nicht für gekommen erachte, wo das Inselgebiet 
der freien Anwerbung übergeben werden kann. 
  
Aus dem Brreiche der Wissionen und 
der Antisklaverei-Bewegung. 
Im „SEpvangelischen Missions -Magazin“ wird 
über die Herero-Mission berichtet, daß vom 
27. bis 30. April elf rheinische Herero-Missionare 
in Karibib eine brüderliche Besprechung hielten, wo- 
bei sie zugleich Umschau hielten über die Ver- 
heerungen, die der Herero-Aufstand angerichtet hat. 
Auf fünf Stationen ist die Arbeit noch im Gange, 
wenn auch nicht unter den Hereros, so doch unter 
den anderen Volksstämmen Deutsch-Südwestafrikas,
	        
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