Eine Absetzung der Leute war an diesem Abend
wegen der weiten Entfernung der in Betracht kom-
menden Inseln und der ungeheueren vorgelagerten
Korallenriffe bei der bereits vorgeschrittenen Tageszeit
nicht mehr möglich. Inzwischen soh man über die
Riffe die Eingeborenen mit ihren flachen Kanus dem
Schiffe sich nähern. Aber auch diesmal, ebenso wie
bei der letzten Fahrt, kreisten sie wieder in scheuer
Zurückhaltung in erheblichem Abstande um das Schiff.
Die Zurufe ihrer Landsleute ließen sie allmählich
etwos näher kommen. Erst als Geschenke angebotene
leere Flaschen brachen den Bann. In wilder Schar
drängten sie sich nun um das Schiff, jeder nahm die
ihm gebotene Flasche mit großem Freudengeschrei
entgegen; jeder verlangte nach mehr. Als gar einige
der Heimkehrenden mit ihrer Kiste und den darin
enthaltenen Geschenken das Schiff verließen, war ihr
Begehren vollends nicht mehr zu stillen. Ohne län-
gere Untersuchung, ob sie einem Stammesangehörigen
als Eigentum gehörten oder nicht, wurden denselben
ihre Habseligkeiten einfach weggenommen und nach
den Kanus gebracht. Die Leute sohen übrigens auch
diesmal noch keineswegs besonders vertrauenerweckend
aus. Völlig unbekleidet — nur eine schmale Leine
ziert die Lenden — erschienen sie alle mit Speeren
bewaffnet. Durch die zurückgebrachten Leute ließ ich
nunmehr ihren Landsleuten sagen, daß ich sie anderen
Tages in ihren Dörfern besuchen und sie dabei
beschenken würde. Dies letztere schien ihnen besonders
zuzusagen, denn sofort umringten sie mich alle und
drückten mir unter allen möglichen Beteuerungen ihre
Wünsche aus. Nach dieser freundschaftlichen Zusage
entwickelte sich allmählich ein schwunghafter Handel
mit Speeren, Kämmen, Muscheln, Gürteln, Matten,
Netzen u. dergl. Kuriositäten gegen Hingabe von
Tauschwaren, unter denen wieder Flaschen der be-
gehrteste Artikel waren.
Den nächsten Tag stattete ich in Begleitung der
Jungen Malatu und Capissa, der belden seinerzeit
von S. M. S. „Seeadler“ als Kriegsgefangene weg-
genommenen Eingeborenen, den Inseln den ver-
sprochenen Besuch ab und setzte die noch tags zuvor
zurückgebliebenen Eingeborenengäste ab. Wir fuhren
mit zwei Booten des „Seestern“ zunächst nach der
Insel Emsau. Die uns begleitende Polizeitruppe
ließ ich zur Deckung stets in den Booten zurück.
Obwohl wir schon auf der letzten Reise hier angelegt
hatten, trugen die Eingeborenen anfänglich ein äußerst
zurückhaltendes und ängstliches Wesen zur Schau.
Erst nachdem ich sie beschenkt hatte und sie versicherte,
daß ich nicht in schlimmer Absicht zu ihnen gekommen
sei, legten sie ein mehr freimütiges Gebahren an
den Tag. Endlich führten sie uns noch einen Tanz
auf, der sie aber schließlich in solche Exaltation ver-
setzte, daß ich es für geboten hielt, denselben nicht
wiederholen zu lassen.
Von hier begaben wir uns nach der nüchstgele-
genen Insel Musau, nach der ebenfalls einige Leute
zurückgelehrt waren. Meinem Wunsche, auch eines
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ihrer Dörfer sehen zu dürfen, versprachen sie berelt-
willigst zu entsprechen. Als wir aber, selbst ohne
Begleitung der Polizeitruppe, etwa 150 m weit in
den Busch gekommen waren, ließ mir der Häuptling
durch einen der heimgekehrten Leute mitteilen, daß
ich jetzt weit genug gewesen sei, ich solle jetzt wieder
umkehren. Unter den obwaltenden Umständen hielt
ich es auch hier für das Ratsamste, den Befehl zur
Rückkehr nach dem Ufer zu geben. Im übrigen be-
gegneten wir ebenso wie hier auch auf der nächsten
Insel Evolin demselben Mißtrauen. Freundschaft-
licher dagegen wurden wir auf der Insel Emananus
aufgenommen.
Von hier aus nach dem Schiffe zurückgekehrt,
machten wir am Nachmittag noch einen Besuch auf
der Insel Evanan, woselbst die Begräbnisstätte des
vor drei Jahren ermordeten Südseereisenden Menke
belegen ist. Die Eingeborenen führten uns bereit-
willig ins Innere der Insel und wiesen uns auf
das Grab des Ermordeten hin. Als der „Seestern“
sich gegen 4 Uhr seellar machte und zum Zeichen
der baldigen Abfahrt mehrmals seine ohrbetäubende
Sirenenpfeife ertönen ließ, sahen wir aus der Ferne
in phalanxartiger Aufstellung eine Anzahl Kanus an
uns heranrücken. Dabei erscholl ein kriegsähnliches
Geheul, unterbrochen durch Pausen und durch kräftig
hervorgestoßene Töne aus dem Tritonhorn, uns ent-
gegen. Erst als der Zug uns näher gekommen war,
erkannten wir, daß der Gesang ein friedlicher war.
Die heimgekehrten Leute waren mit ihren Landsleuten
uns entgegengefahren, um uns zum Bewelse ihrer
jetzigen Freundschaft Geschenke und ihren Abschlieds-
gruß zu bringen. Auch wurden mir noch mehrere
Jungen übergeben, so daß die Zahl der Angewor-
benen die Höhe von 11 neuen Leuten erreichte. Nach
dieser Abschiedsbegrüßung fuhr der „Seestern“ wie-
der nach Käwieng zurück, woselbst wir den anderen
Vormittag anlangten.
Den Erfolg meiner Reise fasse ich dahin zu-
sammen, daß die Eingeborenen der St. Matthias-
Inseln noch mit äußerster Vorsicht aufzunehmen sind,
daß die Anwerbung von Jahr zu Jahr eine aus-
sichtsvollere sein dürfte, daß ich aber den Zeitpunkt
noch nicht für gekommen erachte, wo das Inselgebiet
der freien Anwerbung übergeben werden kann.
Aus dem Brreiche der Wissionen und
der Antisklaverei-Bewegung.
Im „SEpvangelischen Missions -Magazin“ wird
über die Herero-Mission berichtet, daß vom
27. bis 30. April elf rheinische Herero-Missionare
in Karibib eine brüderliche Besprechung hielten, wo-
bei sie zugleich Umschau hielten über die Ver-
heerungen, die der Herero-Aufstand angerichtet hat.
Auf fünf Stationen ist die Arbeit noch im Gange,
wenn auch nicht unter den Hereros, so doch unter
den anderen Volksstämmen Deutsch-Südwestafrikas,