Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

einlge geschützte Höhen einschließen. Es scheint, daß 
wir in ihnen (wie bei der Marianeninsel Maug) die 
Kraterwände versunkener Vulkane zu erblicken haben. 
Korallenkalk findet sich nur auf der Südgruppe in 
größeren Häfen. Die Hauptinsel der letzteren heißt 
Hahajtma (Mutter), Anejima (ältere Schwester), 
Imotojtlma (Üungere Schwester). Die Hauptinsel der 
Mittelgruppe. heißt Chichitlma, der Vater, dem ein 
älterer und jüngerer Bruder beigesellt ist, während 
die Nordgruppe aus der Jomejima (Frau), Mukojima 
(Mann) und Nakaudojima (Heiratsvermittler) besteht. 
Die Inseln blieben unbewohnt bis zum zweiten 
Vlertel des vorigen Jahrhunderts; bis jetzt fand man 
wenigstens noch keine Spur einer früheren Besiedlung. 
Zu jener Zeit kam der amerikanische Walfang auf, 
und zahlreiche Schiffe legten auf ihrer Fahrt nach 
dem Behringsmeer auf den Marlanen= und Bonin- 
Inseln an, um sich mit Nahrungsmitteln und frischem 
Wasser zu versorgen. Entlaufene Matrosen waren 
die ersten Ansiedler, ihnen schlossen sich bald Ein- 
wandere aus t und Hawali an. 
n den 60 er Jahren nahm Parry die Inseln 
für die Vereinigten Staaten lr a *5 rr 
6, doch wurden 
sie Japan überlassen, als dieses ältere Rechte geltend 
machte. Japan aber 
· · gestattet nicht, daß Ausländer 
sich in seinen Kolonien dauernd niederlassen, und so 
mußten jene ersten Ansiedler mit ihren Familien die 
japanische Staatsangehörigkeit erwerben. Heute sind 
ihrer noch etwa 50 vorhanden; sie sprechen japanisch 
neben ihrer Muttersprache und nähern sich in Tracht 
und Lebensweise immer mehr den Japanern, mit 
denen sie sich auch verheiraten. Diese wanderten im 
Laufe der letzten 15 Jahre zohlreich ein und drängten 
die Amerikaner völlig in den Hintergrund. 
Die Inseln sind von 6500 Japanern bewohnt; 
hiervon leben 3500 auf Hahajlma, 2700 auf Chichi- 
üma, je 150 auf der unter 154° 10/O., 24° 107 N. 
liegenden Weeks= oder Markusinsel und der Alexander- 
insel 141° 30/ O., 24° 45/N. Die nördliche Gruppe 
ist unbewohnt. Die Einwohner leben meist in ge- 
schlossenen Ortschaften, die sich in nichts von den 
andern japanischen Dörfern unterscheiden: reinliche, 
von Gummibkumen oder Calophyllum beschattete 
Straben, niedliche einstöckige Holzhäuschen mit papier- 
verklebten Schiebefenstern, zwischen wohlgepflegten, 
blühenden Gärten; in jedem Hause ist ein Laden. 
Der Sitz des Gouvernements ist in Omura, dem 
Hauptorte von Chichijima. Der derzeitige Gouvemeur 
Ari-Kotaru ist seit acht Jahren in dieser Stellung. 
Er ist von einer großen Zahl von Beamten und 
Schreibern umgeben. Das Postamt ist ein geräumiges 
Gebäude, in welchem ebenfalls sechs bis acht Beamte 
beschäftigt sind. Militär ist nicht vorhanden, nur 
einige Polizisten und Zollaufseher. An Steuern werden 
entrichtet: die Grundsteuer; sie beträgt einen Sen 
(2 f) für den Quadratfuß; zu ihr kommen noch 
Zuschläge für Wegebauten und Schulen. Die Zucker- 
stener beträgt 2 Jen (= etwa 4 M.) für 250 Pfd. 
Rohzucker. Die Schlachtsteuer 50 Sen (□— 1 Ml) 
19 
  
für jedes Schwein oder Rindvieh. Andere Steuern 
oder Auflagen gibt es nicht. In jedem Ort ist eine 
n Uckteschul- mit zwei bis drei Lehrern. 
Die Kinder sind vom siebenten bis vierzehnten Lebens- 
jahre schulpflichtig. Es besteht eine anglikanische 
Mission, der neben sämtlichen Einwohnern fremder 
Abkunft auch einige Japaner angehören. Die ersteren 
schicken ihre Kinder meist zur weiteren Ausblldung 
nach Kobe. Der Landverkauf ist völlig frei, muß 
aber zum Register angemeldet werden. Gute, zum 
teil durch Sprengung von Felsen hergestellte Wege 
führen den Strand entlang und über die Berge; 
sie sind aber nur 2 m breit und oft sehr steil, wären 
also für Wagen — die es übrigens hier nicht gibt — 
ungeeignet. Die Beförderung der Lasten geschieht 
auf dem Rücken, zuweilen mittels Handkarren. 
Das Haupterzeugnis der Inseln ist Rohrzucker, 
von welchem jährlich für 300 000 Mk. nach Japan 
ausgeführt wird; ferner in Blechbüchsen einge- 
machte Ananas und Schildkröten; Sandsteine 
werden von Hahajima, Schwesel und Guano von 
der Sulfurinsel (Iwojima) verschifft, etwas Baum- 
wolle von der Alexanderinsel und Vogelbälge von 
der Marcusinsel. Die Gesamtausfuhr erreicht einen 
Wert von 400 Oo0 Mk. Die Einfuhrartikel, unter 
denen Reis überwiegt, stammen fast ausschließlich 
aus Japan. 
Die Inseln sind teilweise mit Buschwald bedeckt, 
die Baumflora ist im wesentlichen dieselbe wie auf 
den Marianen: Mandelbäume, Pandanus, Rosenholz, 
Hibiskus; Calophyllum und Kasuarinen werden auf 
den Höhen künstlich angebaut. Die Kokospalme ist 
nur in wenigen angepflanzten Exemplaren vorhanden; 
statt ihrer sieht man überall auf den Höhen und 
Hängen zahlreiche hohe Fächerpalmen, deren Wedel 
zur Dachbedeckung dienen und zur Herstellung von 
Fächern und Geflechten. Gewisse Zweige der Holz- 
industrie sind hier vertreten; große Sampans, die 
japanischen Boote, werden gebaut, und Drechsler 
stellen aus knorrigen Wurzeln eigenartige Gesäße her. 
Der Acker= und besonders der Gartenbau ist ziemlich 
gut entwickelt, trotzdem, wie auch sonst in Japan, 
keine Viehzucht getrieben wird; es sind nur wenige 
Stücke Rindvieh und fast keine Schweine, wohl aber 
Hühner vorhanden. Eine Blenenzucht von einigen 
Dutzend Stöcken fand ich auf Chichijima; als Nähr- 
pflanze für die Bienen wird Klee angebaut. Mais, 
Hirse, Süßkartoffeln, viele Gemüsearten werden ge- 
pflanzt, zahlreiche Bananen und Ananas. Alle Fluß- 
täler aber und wasserreichen Hänge bis hoch in die 
Berge sind bedeckt mit Zuckerpflanzungen. Der Boden 
wird mit der Hacke bearbeitet, zuweilen gedüngt. 
Drei sich gegeneinander drehende Steinwalzen pressen 
den Saft aus dem Rohr, welcher in eisernen Pfannen 
eingedickt wird. Die weitere Verarbeitung erfolgt in 
den Raffinerien in Jopan. Die größten Zucker- 
pflanzungen sind auf der Südinsel Hahojima; doch 
haben sie 1902 unter einem Sturm und 1908 unter 
Trockenheit stark gelitten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.