Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Zum Unterschied von allen früheren meist rein 
militärischen Unternehmungen der Verwaltung, die 
sast ausnahmslos den Charakter von Strafzügen 
trugen, galt als erster Grundsatz, den Einfluß der 
Verwaltung zum Nutzen der Handelsinteressen in 
friedlicher Weise zur Geltung zu bringen. 
Am 1. Juli 1903 wurde die Expedition in der an- 
gegebenen Stärke in zwei Fahrzeugen nach dem 
Dongo in Marsch gesetzt. Während dieser Reise 
konnten noch an einigen bekannten wildreichen Plätzen 
die Rationen durch Erlegen einiger Büffel auf- 
gebessert werden. Der Abmarsch vom Dongo er- 
folgte am 8. Jull. In vier Tagen wurde auf 
einem verhältnismäßig gut passierbaren Wege, der 
nur durch das kühle Bad bei dem etwa dreißig- 
maligen Durchschreiten des Flusses Juo unfreundlich 
wurde, das sauber und schön angelegte, am Flüß- 
chen Long gelegene Dorf Eta erreicht. 
Der Häuptlig, der einen Schutzbrief besitzt und 
mit großem Stolz die deutsche Flagge zeigt, bewies 
mit den etwa 200 Köpfe zählenden Insassen das 
denkbar freundlichste Entgegenkommen. Nirgends 
war eine Spur von Mißtrauen bei den Ein- 
geborenen zu erkennen, überall zeigte sich in erfreu- 
licher Weise der vorteilhafte Einfluß europäischer 
Kultur. Auch die Altesten der zu Eta gehörenden 
kleineren Ortschaften erschienen bald nach Elnrücken 
der Expedition mit Geschenken und legten Zeugnis 
ihrer regierungsfreundlichen Gesinnung ab. Zum 
Unterschied von anderen an der Grenze gelegenen 
Ortschaften verdient hier das gute Verhalten der 
Eingeborenen, das auch von dem Angestellten der 
Gesellschast gelobt wurde, hervorgehoben zu werden. 
Neben Ermahnungen zur Ruhe und Ordnung wurden 
die Leute durch praktische Belehrung über Anzopfen 
der Gummibäume vor Raubbau gewarnt. Fleißige 
Trägerdienste sicherte man allgemein zu. 
Von Eta führte der Weg durch das Limbom= 
Land meist durch Ortschaften nach Kul. Auf dieser 
ganzen Strecke wurden große Gummibestände an- 
getroffen, deren Ausbeutung überall rationell erfolgt 
war. Naubbau habe ich nirgend bemerkt. In 
elnzelnen Ortschaften konnte ich alte Feindseligkeiten 
durch rlchterlichen Spruch aus der Welt schaffen, 
die durch nie endenden Krieg bislang Handel und 
Verkehr gestört. Meist hatten Weiberhändel die 
Veranlassung zum Streite gegeben. Die Väter sind 
häufig so praktisch, ihre Töchter mehrmals zu ver- 
helraten und dadurch den doppelten Gewinn ein- 
zuheimsen. 
Die Aufnahme bel dem Chef Kul, ciner alten, 
würdigen Erscheinung, war elne recht gute. Durch 
fleißige Uberbringung von Lebensmitteln und durch 
ermüdendes, greisenhaftes Geschwätz versicherte er 
unaufhörlich seine und seiner Leute unwandelbare 
Treue. Klagen wurden weder gegen die Gesell- 
schaft vorgebracht, noch hatte diese ihrerseits etwas 
gegen die Eingeborenen ins Feld zu führen. Man 
lebte in erfreulicher Emtracht. Nachdem ich von 
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hier aus noch den umliegenden Ortschaften die 
üblichen Ermahnungen und Belehrungen während 
meines Besuches erteilt hatte, versuchte ich mit Hilfe 
des vielmögenden Einflusses Kuls, in friedlicher 
Weise wegen der Ermordung des Küstenmannes mit 
dem Chef des Dorfes Besam in Verhandlung zu 
treten. Leider war jede Mühe umsonst. Die von 
Kul an den Chef Mila in Besam abgesandten Leute, 
die die Absichten der Expediton dem Genannten 
übermittelten und ihn zum Besuch in Kul über- 
redeten, begegneten Hohn und Spott. Zur selben 
Zeit langten Träger der Gesellschaft aus Lomje an, 
die wiederum über tätliche Bedrohungen und Be- 
lästigungen, denen sie in Besam bei ihrem Durch- 
marsch ausgesetzt gewesen, klagten. Dadurch wurde 
das Gerücht, Mila rüste seit langem zum Kriege, 
bestätigt. Patroulllen und Eingeborene meldeten, 
daß Besam-Leute tagsüber den Weg bis zu dem 
zwei Stunden vor ihrem Dorfe gelegenen unweg- 
samen Flußgelände besetzt hielten und die durch- 
marschierende Expedition überfallen wollten. Die 
Ortschaft ist von Kul in zehn Stunden zu erreichen. 
Ich richtete nunmehr den Anmarsch so ein, daß ich 
nach sechs Stunden eine Ruhepause machte, um die, 
letzte Strecke nachts zurückzulegen. Durch mem un- 
erwartetes Eintrefsen am frühen Morgen hoffte ich, 
die Emgeborenen von törichten Schießereien auf dem 
Wege abzuhalten und die Angelegenbeit u friedlicher 
Weise zu erledigen. Alle guten Absichten wurden 
jedoch von den in Besam weilenden Bules zerstört. 
Als ich mit der Spitze nach mühsamem Nachtmarsch 
(mit Fackeln) unter Begleitung von Eingeborenen des 
Kul, die ich mitgenommen hatte, um nochmals das 
friedliche Vorhaben schon äußerlich erkennen zu 
geben, um etwa 6 Uhr morgens eintraf, erhielt ich 
lebhaftes Feuer; das Dorf war von mehr als 
hundert Männern besetzt, die sich gerade zum Ab- 
marsch auf ihre Posten am Wege rüsteten. Nach 
kurzem Gefecht, wobei ein Soldat verwundet wurde, 
räumten die Leute dos Dorf und zerstreuten sich in 
dem Buschwerk, wo sie durch nachgesandte Pa- 
trouillen, auf einen Angriff nicht vorbereitet, er- 
hebliche Verluste erlitten. Bei dem Ansturm am 
Eingange erhielt ich von einem Bule einen Hieb 
mit einem Buschmesser, den der Tropenhelm abhielt. 
Unter den Toten wurden insbesondere Bule be- 
merkt. Mehrere Gefangene wurden eingebracht. 
Die Spuren des geflohenen Chefs führten nach 
Tsilegan und Lomi5ö. Da erfahrungsgemäß kriegerische 
Begebnisse auch die unbeteiligten Eingeborenen ein- 
schüchtern und, mißtranisch, zu törichten Handlungen 
verleiten, sandte ich erfahrene Leute von Kul, der 
übrigens alsbald selbst erschien, wohl um an der 
Kriegobeute tellzunehmen, zur Beruhigung der von 
mir später zu durchziehenden Ortschaften voraus. 
Ich erreichte denn auch dadurch, daß die Chefs von 
Tsilegan und Lomitz mir entgegeneilten und vor 
allem Milo, der sich versteckt hielt, preisgaben. Der 
Genannte erschien in Lomiö vor mir, bedauerte das
	        
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