Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Bericht des stellvertretenden Chejs der Verwaltung des 
Ssanga—Agoko-Gebiets, Preuß, über eine Erkundung des 
Gebiets zwischen Kiong und Dscha. 
Nach Niederwerfung des Rdsimu-Aufstandes schien 
es geboten, die Stimmung der den Mdsimus und 
Njems benachbarten Bevölkerung zu erkunden. Die 
Gefahr lag nahe, daß infolge der verwandtschaft- 
lichen Beziehungen der Völkerstämme die Unruhen 
weiter in das Land hineingetragen werden würden. 
Da ich gezwungen war, bis zur endgültigen 
Regelung der Schadenersatzfrage in diesem Gebiete 
zu verweilen, benutzte ich diese Zeit, um die bisher 
unerforschten Strecken zwischen dem oberen Dscha 
und dem Njong aufzuklären und für den Handel 
zu erschließen. 
Ein nach der geographischen Lage kürzester Weg 
in westlicher Richtung nach dem Rjong wurde von 
den Eingeborenen in Ngojul als nicht bekannt be- 
zeichnet, ich entschloß mich deshalb, zunächst auf der 
von Frhrn. v. Stein erkundeten Route vorzugehen, 
die durch den Anschluß an Bertun für den Handel 
von besonderer Bedeutung werden muß. 
In der Person des Sohnes des Oberhäuptlings 
Suadschin und in einigen Bakinekob-Leuten gewann 
ich für die erste Zeit wenigstens eine gute Stütze. 
Der Abmarsch erfolgte mit 37 Soldaten und 
20 Trägern am 2. April. 
Nach dem Verlassen der Landschaft Bakinelos 
mit ihren drei Dörfern, von denen Luma als recht " 
stattlich und wegen seiner eigenartigen Bauart im 
rechten Winkel besonders hervorzuheben ist, führte 
der Weg zwei Tage lang durch dichten Busch. Am 
dritten wurde Badiabe erreicht. Der Chef Sebule- 
lume, dem vorher von zuverlässigen Leuten über 
den Zweck der Expedition Kenntnis gegeben war, 
empfing mich vor seinem Dorfe mit Geschenken. 
Die Bevölkerung machte einen friedlichen Eindruck 
und legte insbesondere durch Lieferung reichlicher 
Lebensmittel Zeugnis ab, daß man hier mit den 
Aufständischen nichts gemein hatte. Auf der ganzen 
Strecke waren die Eingeborenen eifrig dabei, wie 
ihnen aufgegeben, den Weg auzszuschlagen und die 
Gewässer zu überbrücken. Der angesagten Versomm- 
lung, in der die Bevölkerung zur Ruhe und Ord- 
nung ermahnt und über die rationelle Gummi- 
gewinnung belehrt wurde, wohnten etwa 1000 Köpfe 
bei. Nach den Angaben werden hier verhältnis- 
mäßig große Mengen Elfenbein und Gummi ver- 
kauft, die durch farbige Händler nach der Küste 
geschafft werden; der allgemeine Besitz einer guten 
Waffenausrüstung und Bekleidung bestätigte diese 
Mitteilungen. 
Auch in Badiabe wurde als einzige Verbindung 
nach dem Rjong der Weg über Bakba nach Bijeme 
genannt. Es blieb mir daher nur übrig, auf diesem 
großen Umweg den Njong zu erreichen zu suchen 
in der Hoffnung, den Fluß talwärts fahrend von 
Akone-Linga aus etwa die kürzeste zweckmäßigste 
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Verbindung zwischen den beiden Hauptflüssen er- 
mitteln zu können und Anschluß von Jaunde zu 
finden. 
Der Weg, wenn diese Bezeichnung überhaupt 
angewandt werden darf, führte über Bakba, die 
drei letzten anzutreffenden Njem-Dörfer, durch zahllose 
Gewässer und endlose Sümpfe in das Geblet der 
Maka-Stämme. Wie in Badia befand die Expedition 
auch in Bakba gute Aufnahme. Der Chef Minkut 
überrelchte einen Elfenbeinzahn und versicherte, die 
ihm mitgeteilten Anordnungen der Regierung befolgen 
zu können. Weniger entgegenkommend stellte man 
sich allgemein zu meinen Fragen über Lage der 
angrenzenden Ortschaften und zuführenden Wege. 
Vor= und rückliegendes Gelände wurde als terra 
incognita bezeichnet. Mißtrauen und Scheu vor 
dem unbekannten Weißen waren hier wohl wie 
später dle Veranlassung, daß man die richtigen Wege 
so streng geheim hielt, indessen mögen auch die Ver- 
bindungen infolge der fortwährenden Feindseligkeiten 
vielsach in der Tat nicht bekannt sein. Weiter als 
einen Tagemarsch wagt sich niemand hinaus, aus 
Furcht, von den Nachbarn ausgefressen zu werden. 
So war denn der Weitermarsch recht beschwerlich. 
Stundenlang wurden seichte Flüsse als Weg benutzt, 
3 bis 4 km lange Sümpfe mußten unter den größten 
Anstrengungen durchwatet werden. 
Die durchzogene Gegend ist weithin unter dem 
Namen Long-bewam oder Long’-mapfong, d.h. „Sumpf 
des Long“ bekannt. Glücklicherweise bot sich täglich 
Gelegenheit, Ortsunterkunft zu beziehen und die 
Truppe wie die Träger zu verpflegen. Über die 
Aufnahme kann ich nirgend klagen. Die Einwohner 
kamen von weit her, um dem ersten europäischen 
Regierungsvertreter Lebensmittel zu bringen. Wenn 
die Bevölkerung auch überall recht wenig zahlreich 
ist, so überrascht doch die mangelhafte Bepflanzung 
und der geringe Viehbestand. Offenbar tragen die 
ewigen Kriegführungen der Dorsschaften untereinander 
die Schuld an der Armut dieses auf der aller- 
niedrigsten Kulturstufe stehenden Volksstammes. 
Weiber und Spiel wurden melst als Ursache der 
Feindseligkeiten angegeben. Fast in keinem Hause 
fehlten die mit allen möglichen Tierbildern geschnitzten 
flachen Nußstücke, in der Größe eines Einmarkstückes, 
die ähnlich wie die Würfel beim Spiel benutzt 
werden. Als Zahlungsmittel gelten dabei längliche, 
dünne Eisenstückchen. Die Häuser sind vollständig 
aus Flechtwerk der Raphia errichtet. Als besondere 
Eigentümlichkeit verdient der schwarz-weiße Anstrich 
der Hausseiten Erwähnung, der in vertikaler Rich- 
tung wirklich kunstgerecht ausgeführt ist. 
Elefanten kommen, nach den Fährten zu urteilen, 
noch recht häufig vor, obwohl das längst verbotene 
Einfangen hier in großem Maßstabe getrieben wird. 
An Gummi sind Landolphia und Kickria überall in 
größeren Mengen anzutreffen. Leider kannte niemand 
die rationelle Gewinnung, ebenso die Bereilung der 
Masse. Allgemein wird der Baum unmgeschlagen
	        
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