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für eine Exhumierung und Überführung nach Deutsch-
land überhaupt nur Leichen solcher Persönlichkeiten
in Frage kommen, welche in Statlonsorten an der
Eisenbahn oder in nächster Nähe derselben bzw.
in Lüderitzbucht ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Soweit sanitäre Rücksichten nicht einen Aufschub
der Exhumierung fordern, wird in jedem solchen
Falle dem Wunsch auf Heimsendung gern entsprochen
werden. 4#
Dagegen kann an eine Überführung von Leichen
aus entfernt von der Eisenbahn und von der Küste
im Innern liegenden Grabstätten erst nach Beendi-
gung des Kriegszustandes gedacht werden. Bedin-
gung hierfür würde sein, daß die Feststellung der
Persönlichkeit mit Sicherheit erfolgen kann. Inwie-
welt dies bei dem in Afrika schnell vorschreitenden
Verwesungsprozeß und hinsichtlich der in Massen-
gräbern vereinigten Toten möglich sein wird, muß
dahingestellt blelben.
Das Schutztruppenkommando bemerkt in selnem
Bericht, daß die Angehörigen sich versichert halten
können, daß den Gräbern die den augenblicklichen
Verhältnissen entsprechende Pflege und Überwachung
gewidmet wird, und daß die Truppe es als Ehren-
pflicht betrachtet, in würdiger Weise die Grabstätten
ihrer für Kaiser und Reich gefallenen bezw. verstor-
benen Kameraden zu schmücken und instandzuhalten.
Bericht über argentinisches und mexikanisches Suchtvieh.
I.
Unser Aufenthalt in Argentinien währte rund einen
Monat und fiel in den Februar. Die schnelle Er-
ledigung unfrer Aufgabe verdanken wir besonders
unserem liebenswürdigen Generalkonsul in Buenos
Aires, Herrn v. Sanden, sowie Herrn Mahn, Chef
des angesehenen Import- und Exporthauses Brauß,
Mahn & Co., durch deren Vermittlung wir Ein-
blicke in die verschiedensten wirtschaftlichen Betriebe
bekamen. Auf der Estancia La Rhenania — deutscher
Besitz und Verwaltung —, die etwa 500 km westlich
Buenos Aires an der Nordwestgrenze der Provinz
Buenos Alres liegt und mit einem Gebietsteil in die
Provinz Cordoba hineinreicht, konnten wir einige
Tage lang den intensiven Betrieb in Ruhe studieren.
Sie hat eine Größe von 30 000 ha in einer un-
unterbrochenen ebenen Flächenausdehnung ohne natür-
lichen Holzbestand. Man hat sie durch Drahtab-
zäunung in 56 Bezirke zerlegt. Unter Kultur
genommen waren bisher ungefähr 6000 ha, wovon
1500 ha von der Farmverwaltung selbst bestellt
werden, während der Rest an verschiedene Kolonisten
— Italiener — vergeben ist, die das Land auf
mehrere Jahre unentgeltlich zugeteilt erhalten, aber
den zehnten Teil ihres Ernteertrags dem Landeigner
abzuliefern haben. Auf diese Weise werden die zum
Teil außerordentlich ausgedehnten Gebiete einzelner
Besitzer der Kultur erschlossen. Angebaut wird
hauptsächlich Weizen, Luzerne, Mais, Leinsamen. Als
wir auf die Estancla lamen, war der Weizen bereits
eingeerntet, und war man eifrig mitdem Drusch desselben
vermittels großer Dampfdreschmaschinen beschästigt.
Der ausgedroschene Weizen wurde sofort sackweise
auf Wagen, die bis zu 120 Zentner tragen und
von 10 bis 14 in zwel Reihen nebeneinander ge-
spannten Pferden gezogen werden, verladen und zur
vier Fahrtstunden entfernten Eisenbahnstation gebracht.
Auch Luzerne, die in Blüte stand, wurde geschnitten,
getrocknet und in große Feimen (Mieten) als Winter-
futter aufgestapelt. Mais dagegen war noch im
Wachsen begriffen, und man wartete im ganzen Lande
sehnsüchtig auf ausgiebigen Regen, von dem der Er-
trag der Maisernte ganz und gar abhing. Er
stellte sich auch gegen Mitte Februar ein, und ich
glaube die Ernte hat das erhoffte Resultat geliefert.
Baumpflanzungen werden in großer Ausdehnung
vorgenommen, hauptsächlich in der Nähe der Wohn-
plätze, Rote Weide, Pappel, Platanen, Kapflieder,
Eukalyptus, Port Jackson, Pinus maritimus, Pinus
ineignis, Kasuarinen usw. und allerhand Obstbäume
der subtropischen und gemäßigten Zone. Zur Heran-
schaffung von Wasser zum Tränken des Viehbestandes
sind auf dieser Estancia 11 amerikanische Windmotore
aufgestellt, die das Grundwasser aus Tiefen von 5
bis 7 m liefern, das in großen zementierten oder
eisernen Bassins angesammelt wird. Der Einblick in
die Viehwirtschaft ist sehr lehrreich. Wie schon in
meinem vorigen Bericht erwähnt, wird der große
Rinderbestand nach Alter, Geschlecht und auch
Rasse getrennt gehalten. Wir sahen Vleh in allen
Kreuzungsstadien: dashochbeinige, dünnleibige Criollo-
rind rein, und in seinen Kreuzungsverhältnissen mit
Shorthorn und Hereford bis zum vollendeten Typus
der letzteren. Die Estancia beschäftigt sich auch mit der
Aufzucht junger Züchtbullen von vornehmlich Short-
hornrasse. Dazu sind geräumige Stallungen ge-
schaffen. Die für diese Zwecke in Aussicht genom-
menen Kälber erhalten Stallfütterung und werden
regelmäßig einige Stunden am Tage in kleineren
Einzäunungen im Freien gelassen. Im zweiten und
dritten Jahre ist die Fütterung und Pfflege die
sorgfältigste. Mais, Fleischmehl, Kleie u. dyl.
werden in großen eisernen Kesseln gekocht und im
lauwarmen, verdünnten Zustande vorgesetzt. Für gute
Zuchtbullen ist ein großer Markt vorhanden und es
werden für unfre Begriffe enorme Summen für ein-
heimisch gezüchtete Bullen gezahlt. Für im Feld
aufgezogene gute Rassebullen werden durch-
schnittlich 400 bis 500 argentinische Dollars ge-
jahlt, für im Stall ausgezogene aber 1000 bis 5000
Dollars und mehr; ja während der großen Landes-
ausstellung 1902 in Buenos Aires wurden Preise
von 7000 bis 13 000 Dollars für prämlierte Bullen
erzielt. In diesem Jahre findet eine Ausstellung in
Rosario statt, und nehmen solche an Qualität und
Menge des Gebotenen von Jahr zu Jahr zu. Wie
Argentinten um Aufbesserung seines Viehbestandes