Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

die verhältnismäßig große Bevölkerungsziffer. Denn, 
wo Menschen, da Arbeit und Fortschritt. Mexiko 
hat bei einem Gebietsinhalt von 1 987 200 qkm 
ein Gebiet von ungefähr der 2¼ fachen Größe Süd- 
westafrikas, etwa 15 Millionen Einwohner. Wo 
Menschenhände für ihr Fortkommen arbeiten müssen, 
taucht auch das minderwertigste Land etwas. Dies- 
ist mir jetzt erst so recht klar geworden Alles, was die 
Hochländer Mexlkos hervorbringen: Mais, Weizen. 
Luzerne, Baumwolle u. dgl., wird fast aus- 
schließlich mit Hilfe künstlicher Bewässerung erzeugt, 
und im allgemeinen kann man wohl sagen, daß in 
keinem Lande mehr vom einzelnen wie der Reglerung 
zur Beschaffung von Wasser getan worden ist als 
in Mexiko. Viel Kapital ist nutzlos für Wasser- 
bohrungen und Brunnenschaffung verbraucht worden, 
umd man hat erkannt, daß die beste Kapitalsanlage 
die Schaffung von Dämmen ist. Uberall findet man 
solche Anlagen, und die mexikanische Regierung hat 
10 Millionen Dollars ausgeworfen, um eine um- 
fassende Irrigation auf den wasserarmen großen 
mexlkanischen Hochplateaus, die eine Ausdehnung 
von über 10 Mtllionen Hektar haben, ins Werk zu 
setzen. 
" Ich will hier abbrechen, um nicht weitschweifig 
zu werden, und die Viehfrage behandeln. 
Hierzu möchte ich im voraus bemerken, daß auf 
Anregung des Kaiserlichen Gouvernements Herr 
Konsul Kosidowski in Mexiko (Hauptstadt) bereits 
wertvolles Material durch Einholung von Gutachten 
bel den übrigen deutschen Konsulaten in der Republik 
Mexiko gesammelt hatte, welches dem Kaiserlichen 
Gouvernement ja bereits zugegangen ist. 
Für Exportzwecke kommen hauptsächlich die nörd- 
lichen Teile Mexikos in Betracht: die Staaten Ta- 
maulipas, Nuevo leon, Coahuila, Chihuahua, Du- 
rango. Das Vieh ist, im Gegensat zu dem 
argentinischen, eine Hochgebirgsrasse, da es in Höhen 
von 3000 bis 7000 Fuß lebt (ausgenommen am 
Küstenstrich). Es wächst frei auf und genießt wenig 
Pflege; es ist sehr anspruchslos, widerstandsfähig und 
gesund. Verheerende Seuchen, wie Lungenseuche, 
Rinderpest, Texasfieber, Tuberkulose, Maul= und 
Klauenseuche, treten nicht auf. In den letzten zehn 
Jahren ist der Durchschnittsverlust auf den großen 
Haciendas der nördlichen Gebiete Mexlkos nicht höher 
als 2 v. H. gewesen. Ich möchte das einheimische 
mexlkonische Rind sowohl dem Charakter wie dem 
Körperbau nach mit unserem Damaraschlag vergleichen, 
wie er vor dem Jahre 1894 existierte, als wir in 
unfrer Kolonie noch nichts von epidemischen Vieh- 
krankheiten wußten. Aufbesserung des einheimischen 
Rindes durch Aufkceuzung kommt jetzt auch immer 
mehr zur Geltung. Man hat auch hier Versuche 
mit Shorthorn (Durham) und Hereford gemacht 
und gefunden, daß Hereford dem Shorthorn an 
Widerstandsfählgkeit weit überlegen ist. 
Zu Kreuzungszwecken werden auch viele Bullen 
aus der Schweiz eingeführt. Milchwirtschaft wird 
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von größeren Unternehmern in der Umgegend der 
Hauptstadt Mexiko hauptsächlich mit importierten 
Kühen aus Holland, Holstein, England betrieben. 
Diese Rinder werden natürlich in Stallungen ge- 
halten und bekommen Stallfütterung. Durch gütige 
Vermittlung des Herrn Konsul Kosidowski erhielten 
wir Zutritt zu verschiedenen Viehhaltungen, auch 
verschaffte derselbe uns Bekanntschaft mit größeren 
Viehbesitzern, Viehhändlern und Exporteuren. Einer 
der größten Grundeigentümer und Viehbesiter ist 
der Gouverneur des Staates Chihuahua, Senor Don 
Luis Terrajas, dessen Rindviehbestand man auf 
800 000 Stück schäht. Aus diesen Herden, die über 
ein Gebiet von einigen Millionen Hektar Land ver- 
streut sind, wären leicht elnige Dampferladungen 
geelgneten Mutterviehes zu beschaffen, und die Ver- 
waltung dieser Vlehbestände würde für den geregelten 
Transport der Tiere nach dem Hafen von Tampico 
bestens Sorge tragen. Aus den genannten Herden 
wären an Ort und Stelle zu erhalten: 
2 jährige Muttertiere zu 18 bis 20 mexik. Dollars, 
2 bis 4jährige . 23 - 30 - 
1 Dollar etwa 2 Mk. 
Der Transport der Tiere müßte per Elsenbahn 
geschehen, und beläuft sich die Entfernung zwischen 
Chihuahua und Tampico auf 1350 km. Die Fracht- 
raten für einen Eisenbahnzug von zehn oder mehr 
Waggons betragen: 
von Chihuahua nach Tampico per Waggon 
137.70 mexik. Dollars, 
von Gallegos nach Tampico per Waggon 
138,38 mexlk. Dollars, 
von Sauz nach Tampico per Waggon 
137.93 mexik. Dollars, 
von Ojo Caliente nach Tampico per Waggon 
138,83 mexik. Dollars. 
Ein Waggon kann durchschnittlich 30 junge Kühe 
laden. Die Fahrt von Chlhuahua nach Tamplco 
dauert ungefähr 60 Stunden. Die Rinder müssen 
unterwegs einmal wegen Fütterung und Tränke aus- 
geladen werden, und sind für diesen Zweck in Gomez 
Palacio große Kraale mit allen Einrichtungen für 
Tränkzwecke usw. angelegt. 
Im Hafen von Tampico hat die Mexikanische 
Zentral-Eisenbahngesellschaft große Kraalanlagen ge- 
schaffen, von wo aus die Rinder auf die Schiffe ver- 
laden werden können. In diesen Kraalen können 
die Tiere 48 Stunden frei von Abgaben an 
die Eisenbahngesellschaft, gehalten werden. Die 
sonstigen Unterhaltungskosten der Tiere für zwei 
Tage und das Verladen derselben auf Schiff werden 
sich auf etwa zwei Dollars stellen. 
Viehverkäufe können aber jedenfalls auch unter 
Lieferung bis „frei an Bord Schiff“ abgeschlossen 
werden. 
Das für den Seetransport nötige Futter ist in 
Mexiko in genügender Menge schwer zu erhalten, 
für diese Zwecke wird getrocknete Luzerne von Nord- 
amerika eingeführt. Das mexikanische Pferd würde
	        
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