Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

Südwestafrika gerade in den Sommer (Regenperiode) 
fällt, hat wenig oder nichts für den Erfolg zu be- 
deuten, so sehr man auch in Algerlen während des 
Reifens der Früchte lang anhaltende Regen und trübe 
Witterung fürchtet; denn die Regenfälle in Südwest- 
afrika sind sehr schnell vorübergehend und drei Tage 
bedeckten Himmels, ohne daß die Sonne zum Vor- 
schein käme, eine große Seltenheit, insbesondere aber 
in dem Distrikt, den ich von jeher als den aussichts- 
reichsten für Dattelkultur angesehen habe, nämlich 
das Swakopbett von Otjikango (Barmen) abwärts 
bis etwa nach Salem. Indessen auch in Omaruru 
gedelht die Dattelpalme vorzüglich; ich sah dort im 
Missionsgarten mehrere Exemplare, deren eines gut 
vier Zentner Datteln trug (eine aus Samen gezogene 
Weilchdattelpalme), während ich in Biskra das Frucht- 
gewicht der besttragenden Palme auf nicht höher als 
zwel Zentner zu schätzen wage. Hierbei ist zu er- 
wähnen, daß die Zahl der oft zwölf weiblichen 
Blütenstände durch Abschneiden auf sechs oder sieben 
in Algier reduziert wird, da sich bei Entwicklung 
aller Fruchttrauben der Baum zu sehr erschöpfen und 
im nächsten Jahre eine sehr unbefriedigende Ernte 
geben würde. 
Die Befruchtung der Dattelpalme betreffend, sagte 
mir Herr Leroy, daß bei künstlicher Besruchtung für 
100 weibliche Palmen eine männliche ausreichend sei. 
Das ist eben der Übelstand der Dattelkutur aus 
Samen: Man erhält eine überflüssige Menge männ- 
licher Pflanzen, die unproduktiv sind und unnötig 
Platz wegnehmen. Das zukünftige Geschlecht läßt sich 
eben leider nicht am Samen erkennen, obwohl manche 
Araber diese Fähigkeit zu besitzen meinen. Wir 
wissen noch nicht einmal, ob das Geschlecht überhaupt 
schon in dem Samen vorgebildet ist, oder ob aus 
ihm je nach Behandlung und Bodenart eine männ- 
liche oder weibliche Pflanze hervorgehen wird. Ich 
habe nirgends erfahren können, weder aus dem 
Munde von Arabern noch aus der Literatur, ob bei 
einer Aussaat die Zahl der männlichen die der welb- 
lichen Bäume überwiegt oder umgekehrt, oder ob sie 
ungefähr dieselbe für jedes Geschlecht ist. Wilde 
Dattelwälder, an welchen man das natürliche pro- 
zentische Verhältnis erkennen könnte, gibt es nicht; 
und die Annahme, daß Phoenix sylvestris Roxb. 
in Indien wahrscheinlich der Vater der Kulturdattel- 
palme sei, ist nicht zu bewelsen. Jedenfalls dürfen 
wir schließen, daß, falls man dem Walten der Natur 
das Streben nach Zweckmäßigkeit zuerkennen will, 
die Zahl der männlichen Exemplare höchstens ebenso 
groß, wahrscheinlich aber kleiner als die der welb- 
lichen sein wird. Wir müfsen uns also mit dem 
Gedanken vertraut machen, im ersten Stadium exten- 
siver Dattelkultur einer Unzahl von Pflanzen Pflege 
und Sorgfalt widmen zu müssen, die sich nach etwa 
acht= bis zehnjähriger Gulur als wertlose Männchen 
erausstellen werden und bis auf etwa zwei oder 
drei aufs Hundert weiblicher Pflanzen werden heraus- 
gerissen werden müssen, um ihre Plätze mit Steck- 
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lingen weiblicher Palmen besetzen zu können. Die 
künstliche Befruchtung, welche bekanntlich dadurch 
bewirkt wird, daß einer der fußlangen männlichen 
Blütenzweige (75 bis 200 an elner Infloreszenz) 
innerhalb eines eben aufplatzenden weiblichen Blüten- 
standes angebunden wird, ist sehr bequem für den 
schwarzen Arbeiter, solange die weiblichen Palmen 
zwar schon reichlich blühen, aber eben erst Stamm 
zu bilden beginnen. Schwierig wird die Sache aber, 
sobald die weiblichen Blütenstände vom Boden aus 
nicht mehr erreichbar sind. Die unteren Fieder- 
blättchen der Dattelwedel sind zu sehr steisen gefähr- 
lichen spießigen Dornen umgewandelt, zwischen welchen 
sich, wie mir Herr Leroy sagte, der arabische Pflan- 
zungsarbeiter mit nackten Füßen ohne Gefahr bewegt. 
Unsere ungeschulten Schwarzen würden sich bei dieser 
Arbeit die Füße schwer verwunden, wenn man sie 
nicht vor solchem Unfall dadurch schützen würde, daß 
man die zu Dornen umgewandelten Fiederblättchen 
einfach mit Heckenschere oder Hippe beseitigt. Da 
die Dattelpalme jährlich nur ein Dutzend neuer 
Blätter treibt, ergäbe das einen Zeitaufwand von 
jährlich einer halben Stunde pro Baum. Daß die 
arabischen Dattelgärtenbesitzer das nicht tun, hat seinen 
Grund weniger in der Bequemlichkeit als in der 
Überzeugung, daß Diebe in finsterer Nacht ohne 
Gefahr für Gesicht, Hände und Füße sich unmöglich 
in den dornenstrotzenden Palmenkronen bewegen 
können; denn daß viel gestohlen wird, beweisen die 
häufigen Flintenschüsse, auf die mich Herr Leroy 
aufmerksam machte, als wir nachts vor einem ara- 
bischen Cafée saßen. 
Ich schilderte Herrn Leroy die Boden= und 
Wasserverhältnisse der für Dattelkultur in Frage 
kommenden Alluvialflächen des Swakoptals, und er 
stimmte meinem Urtell über die günstigen Aussichten 
der dortigen Dattelkulturanlagen bei. Ich erwarte, 
daß die Wärmeverhältnisse des Swakoptales auch 
für die spätreifenden Dattelsorten völllg ausreichend 
sein werden. Bei Stecklingspflanzung erreichen die 
Palmenwurzeln schon nach dem zweiten oder dritten 
Jahre das dort nur 2 bis 6 m tiefe Grundwasser 
und brauchen keine künstliche Bewässerung mehr. 
Zwei Tage vor meiner Abreise von Biskra nach 
Constantine sah ich auf dem Markte die ersten reifen 
Datteln der Reschti-Sorte, doch waren sie noch sehr 
teuer, 10 Stück für 1 Sou. Die Fabrlkation von 
Deelicnay scheint in Biskra eingestellt worden 
zu sein. 
In den Anlagen von Biskra ließ ich noch 5 kg 
eben reisgewordener Samen von Fraxinus kabylica 
sammeln, einem vorzüglichen Nutzholzbaum, der in 
Algerien überall üppig gedeiht und seine Existenz- 
bedingungen auch bei nicht zu tlefem Grundwasser 
in Südwestafrika finden wird. Eine große Kurtosität 
Biskras, nämlich eine sich in zwei Aste teilende 
Dattelpalme, deren jeder sich wieder in drei Aste 
tellt, wlll ich nicht unerwähnt lassen; sie steht in 
einem der Garnison gehörigen Dattelgarten.
	        
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