Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

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vorigen Jahre der damalige Gouverneur der Pro-- 
vinz Schantung und jetzige Vizekönig in Nanking, 
Tschoufu, der Schule 1000 Dollar und setzte außer- 
dem einige Belohnungen für die besten Schüler aus. 
In Litsun, einer der wichtigeren Städte des Pacht- 
gebiets, befindet sich seit 1908 eine zweite deutsch- 
chinesische Schule. Ihre 40 Schüler leben ebenfalls 
in einem Internat. Dem Missionar stehen zwei 
eingeborene Lehrer zur Seite. Einen besonders 
erfreulichen Aufschwung nahm in den letzten Jahren 
der Schulunterricht in der 50 000 Elnwohner zäh- 
lenden Kreisstadt Tsimo, die 45 km nördlich von 
Tsingtau liegt. Der hier stationierte Missionar 
W. Lutschewitz hat neben dem Unterricht in seiner 
Enangelistenschule und einer gewöhnlichen Missions- 
schule auch solchen in der Kreisschule zu erteilen. 
Zu letzterer Tätigkeit ward er von den chinefischen 
Behörden ausgefordert, die auch eine nicht unbeden- 
tende Entschädigung für die damit verbundene Mühe- 
waltung auswarfen. Einer seiner Schüler legte das 
Examen in der Regierungsstadt Laidschufu ab und 
erlangte dabei den ersten Gelehrtengrad als „blü- 
hendes Talent“. Das machte Aufsehen. Der Man- 
darin, die Kreisexaminatoren, die Lehrer der Schule 
und andere kamen zum Missionar und gratulierten 
ihm; auch der neue junge Gelehrte kam mit den 
Abzeichen seiner Würde und dankte seinem alten 
Meister mit einem Fußfall. In jüngster Zeit ward 
eine weitere Schule auf der neugegründeten Station 
Tschutschöng, 90 km westlich von Tsingtau, eröffnet. 
Auch das weibliche Geschlecht geht in den Missions- 
schulen nicht leer aus. Die Berliner Mission hat 
zwei deutsche Lehrerinnen angestellt; auf die Mädchen- 
schule in Tapautau (Tsingtau) werden bald weitere 
folgen. Der Missionsinspektor Sauberzwelg Schmidt 
hat im vorlgen Jahre die ganze Klautschoun-Mission 
seiner Gesellschaft visitiert und 
weitergereist. 
Der Allgemeine evangelisch-protestantische 
Missionsverein, der durch Pfarrer R. Wilhelm 
und Pfarrer Lic. W. Schüler vertreten wird, verfügt 
über fünf Schulen mit etwa 200 Schülern, unter 
denen das deutsch-chinesische Seminar in Tiingtau 
weitaus die bedeutendste ist. Die Schülerzahl 
betrug bei Beginn des vorigen Jahres 108. Über 
Zweck und Betrieb dieses Seminars geben folgende 
Bestimmungen der Satzungen Auskunft: „Das Lehr- 
zlel umfaßt einerseits chinesische und westliche Wissen- 
schaft, anderseits Unterricht in der deutschen Sprache. 
Grundbedingung für die Aufnahme ist, daß die 
Schüler sich eines tadellosen Betragens befleißigen, 
körperlich gesund und strebsam sind. Die Schule 
hat einen siebenjährigen Kurfus. Davon entfallen 
vier Jahre auf die Unterstufe, drei auf die Oberstufe. 
Nach Absolvierung des ganzen Kursus erhalten die 
Schüler, wenn sie die Schlußprüfung befriedigend 
bestehen, ein Abgangszeugnis. Das erste Jahr des 
Schulbesuchs wird als Probejahr betrachtet. Die 
Schule hat besondere Unterrichtsräume für Chlnesisch, 
ist im Oktober 
  
  
Deuksch, Rechnen, Geographie, Physik und Chemie. 
Es wird keln religiöser Zwang auf die Schüler 
ausgeübt, aber streng darauf gehalten, daß die Be- 
kenner der verschiedenen religiösen Bekenntnisse gegen- 
seitig im Frieden leben. Die hohen chinesischen 
Beamten, namentlich der frühere Gouverneur von 
Schantung, Tschoufu, und sein Nachfolger Yang Schi 
Siang haben bel ihren Besuchen in Tsingtau der 
Lehranstalt lebhaftes Interesse entgegengebracht, das 
nicht nur in reichen Geldspenden Ausdruck fand, 
sondern als noch wertvolleres Resultat den Anschluß 
der Schule an das chilnesische Regierungsschulsystem 
herbelführte. Auf Anregung Tschoufus hat der Taotal 
Hsiau alle Missionsschulen, soweit sie es wünschten, 
geprüft, für das Seminar mit dem Ergebnis, daß 
mehrere Schüler Preise bekamen und der Vorsteher 
aufgefordert wurde, Schüler nach Tsinanfu zu den 
Prüfungen an der Univerfität zu schicken mit dem 
ausdrücklichen Zugeständnis, daß es diesen Schülern 
nach bestandener Prüfung gestattet sein sollte, ihre 
Studien am Seminar zu beendigen. Von dieser 
Erlaubnis wurde für einen Schüler Gebrauch ge- 
macht; dieser bestand die Prüfungen in Tsinanfu mit 
Auszeichnung. Mehrere andere Seminaristen gingen 
an die dortige Universität über- und bestanden alle 
die nötige Aufnahmeprüfung. Drei der besten Schüler 
konnten als Hilfslehrer an der Lehranstalt angestellt 
werden, was bei dem starken Zudrang neuer Schüler 
als große Erleichterung empfunden wurde. Eine 
schon seit Jahren als nötlg empfundene Erweiterung 
kam mit dem Anbou eines Hofes für Beamtensöhne 
zur Ausführung. Die Mittel wurden durch eine 
freiwillige Sammlung in Tsinanfu und anderwärts 
aufgebracht. Dadurch wurden zugleich weitere Kreise 
auf das Seminar aufmerksam, auch wurden durch 
die Aufnahme junger Männer aus anderen Provinzen 
Chinas die Beziehungen der Mission zu den höheren 
Beamtenkreisen verstärkt. Der Verkehr zwischen 
diesen Externen und den Zöglingen des Internats 
trägt offenbar dazu bei, die zwischen den Christen 
und den gebildeten Kreisen Chinas sonst vielfach 
noch bestehende Kluft durch gemeinsame Schulerleb- 
nisse und gegenseitiges Verständnis zu überbrücken. 
Tuch die Kreisschule in Kauml macht gute Fort- 
schritte. Der Unterricht im Deutschen wird hier in 
dret Klassen erteilt. Die Plätze der abgehenden 
Schüler, von denen drei an die Universität Tsinanfn 
übergingen, wurden sofort wieder besetzt. Gegen- 
wärtig hat sie 24 Schüler. In Schawo, Luangia- 
dschuang und Landi bestehen Vorschulen, die geeignete 
Schüler für das Seminar in Tüingtau heranbilden. 
Die leßtgenamte Schule verursacht der Mission gar 
keine Kosten. Der ganze Bedarf wird an Ort und 
Stelle von der Bürgerschaft aufgebracht, den Unter- 
richt erteilt ein eingeborener Lehrer. Der Schul- 
besuch und die Leistungen der Schüler lassen nichts 
zu wünschen übrig. Seit Jahresfrist hat der 
Missionsverein auch eine höhere Mädchenschule in 
Tsingtau eröffnet, die unter der Leitung elner deut-
	        
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