Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

— 287 
Palltser zu und dem Varzin als Grenze im Süden, 
gehören einem Volksstamme an und sprechen auch 
eine und dieselbe Sprache. Der Charakter, die 
Sitten und Gebräuche sowie die Kulturfähigkeit 
dleser Eingeborenen, die nun bereits nahezu 25 Jahre 
unter dem Einflusse des Weißen und im Handels- 
verkehr mit demselben stehen, sind schon genugsam, 
oft auch recht einseitig und oberflächlich, von ver- 
schiedenen Standpunkten aus geschildert worden, so 
daß es überflüssig erscheint, auch nur einen flüchtigen 
Abriß in den Rahmen dieser Skizzen aufzunehmen. 
Diesen Volksstamm werde ich im Lausfe meiner 
Schilderung als Uferleute bezeichnen, trotzdem der 
logenannte Uferstamm nicht nur an der Küste, 
sondern auch im Inneren der Gazelle bis zum 
Varzin und im Flußgebiet des Karawat Nieder- 
lossungen hat. 
Der Brennpunkt des Verkehrs und Handels in 
diesem Teile wie überhaupt im ganzen Archipel liegt 
an der Blanchebucht. Hier befinden sich nicht nur 
er Hauptsitz der Verwaltung und der Hafen, von 
wo aus mit jedem Jahr der Schiffsverkehr und 
Handel sich lebhafter gestalten, sondern wo auch zur 
Zeit bereits gewaltige Strecken Landes gerodet und 
mehrere Tausend Hektar mit Kokospalmen und 
anderen Kulturpflanzen bebaut find. 
Wenden wir nun unseren Blick nach Nordwest, 
so erhebt sich vor uns in unbeschreiblicher Pracht 
das Gebirgsland Balning. Unter diesem Namen 
begreife ich den zwischen dem Weberhafen und der 
ündung des Karawat (Warongoi) einesteils und 
zwischen der Hixon= und Weitenbucht andernteils 
gelegenen Teil Neupommerns. Seine Küstenlänge 
mag sich auf 170 bis 180 km belaufen. Baining 
umfaßt somit den beträchtlichsten Tell der Gazelle- 
halbinsel, etwa des ganzen Flächentnhalts. Wir 
können seine Bewohner infolge der Verschiedenheit 
ihrer Dialekte und gewisser Elgentümlichkeiten in 
“*m und Südbaininger unterscheiden. Als Grenze 
eider Gebiete denke man sich eine vielfach gebrochene 
mie, die, von der Milte des Weberhafens aus- 
Lhend sich nach Südost wendet und im Tale des 
Goriuflusfes ihr Ende nimmt. Während wir die 
slirenzen. der Nord= und Westbaininger mit Be- 
O#mtheit. angeben können, ist uns dies für das 
* der Süd= und Ostbaininger zur Zeit noch 
Foct möglich. Sicher ist, daß Siedlungen der 
nibtern auf den Bergen hinter der Hixonbucht be- 
& en; ich selbst habe mich gelegentlich einer kurzen 
Fpedition in Begleitung des jetzigen Gouverneurs 
Sta Hahl davon überzeugt. Allein ob dieser 
lasunm auch außerhalb der Gazelle noch Nieder- 
gehm n hat, harrt noch der Aufklärung. Außer 
Wohn #ininger, der nirgends an der Küste feste 
mehh plätze hat, begegnen wir auf Baininger Gebiet 
unn eren Siedlungen des Nordstammes der Gazelle, 
Ramchwar auf den Hügeln hinter Mandres, in 
assaw an der Mündung des Patongo und im 
ahafen. Es sind das Eindringlinge, die im 
  
Laufe der Zeit sich dort angesiedelt haben und von 
Menschenraub und Unterdrückung des Bergvolkes 
lebten. Die Einwohner von Grawit hinter Mandres 
stammen aus Kamboir und find erst vor sieben 
Jahren auf Baininger Gebiet angesiedelt. Diese 
Kolonie nimmt noch immer zu. Die Bewohner von 
Massawa (Nawiu), Massikonapuka und Ramandu 
find teils von Urar und Kap Livuan, teils von der 
Talelebucht zugewandert. Seitdem die Mission 
festen Fuß in Baining gefaßt, hat das alte Räuber- 
leben für diese Eindringlinge seinen Reiz verloren. 
Balning ist Gebirgsland durch und durch. Vom 
Weberhafen bis zur Hixonbucht, der äußersten 
Grenze des Baininger Gebietes, reiht sich Höhenzug 
an Höhenzug. Nur wenigen außer dem Schreiber 
dieser Zeilen ist es vergönnt gewesen, in die 
Labyrinthe seiner Täler und Schluchten zu dringen 
und die Gipfel einzelner Bergspitzen mit fast über- 
menschlicher Anstrengung zu erklettern. Elin Bilick 
von einem der höchsten Gipfel des Karagebirges z. B. 
zeigt zwar nur den südlichen Teil dieser tropischen 
Alpen, das übrige Berggebäude entzleht sich dem 
Auge; doch genügt es, daß die Herrlichkeit und 
Majestät des Panoramas den Beschauer überwaältigt 
und Herz und Geist in höherer Bewegung zu dem 
aufwallen läßt, der vor Jahrtausenden diese 
gigantischen Massen ins Dasein gerusen hat. Wie 
winzig klein und ohnmächtig fühlt sich der Mensch, 
umgeben von steilen, schroffen Höhen, beim Anblick 
der großartigen Bergzüge, die, nach allen Richtungen 
ziehend, mit düsterprächtigem Walde bedeckt sind und 
so greifbar des Schöpfers Allmacht in unvergäng- 
lichen Monumenten verkünden! Alles, was das 
Auge trifft, ist erhaben und ehrfurchtgebietend, das 
düstere Kleid, das alle diese Massen bedeckt, der 
lae Himmel, der sich über dem Ganzen wölbt. 
Zu. unseren Füßen die verschlungenen Täler, durch 
welche die Gießbäche dem Meere zutoben, die dunklen 
Schluchten mit überhängenden Felsen und das Ge- 
wirr von sich kreuzenden Bergrücken fesseln dich zur 
Betrachtung und Bewunderung. 
Die Höhenzüge streichen meist von West nach 
In der Regel sind ihnen nach der Küste zu 
Ebenen oder welliges Land vorgelagert, doch stelgen 
auch bisweilen die Bergmassen fast unmittelbar von 
der Küste auf. Berge, welche sich einzeln aus der 
Ebene emporgehoben, gibt es wenige, und diese sind 
meist von nur geringer Höhe und von blenenkorb- 
artiger oder kegelförmiger Gestalt. Die Linlen der 
Gebirgsketten sind unregelmäßig, heben und senken 
sich, sind oft durch Quertäler unterbrochen und 
zeigen die verschiedensten Gestaltungen: schroffe 
Kämme und Rücken, kühne Firste und tafelförmige 
Plateaus wechseln da miteinander ab. 
Die Abhänge sind durchschnittlich steil, doch ist 
vielfach die Abdachung der einen Seite sehr ver- 
schieden von der anderen. So fällt z. B. der Höhen- 
zug am linken Karoufer sehr steil ab, während er 
nach Südosten sich allmählich und treppenförmig senkt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.