Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

oder dringen in die Risse eines Felsens, als ob sie 
fürchteten, man könnte ihnen das bißchen Leben 
mißgönnen. Und nur hier und da steht eine Zwerg- 
kiefer, ein Krüppel, wie es schon ihr Name sagt, 
unscheinbar, düsier, vom Unwetier zerzaust, ein Bild 
des Kampfes ums Dasein und der Armut! 
Welch bunter Wechsel dagegen im tropischen 
Bergwald! Hier ist kaum ein Unterschied zwischen 
dem Wald im Tal und dem auf den höchsten Berg- 
rücken zu bemerken. Die tausend Pflanzenformen, 
welche ein tropischer Wald aufweist, wuchern allent- 
alben üppig in beftändiger junger Farbenfülle. Je 
höher man hinaufkommt, desto mehr verschwindet das 
undurchdringliche Unterholz, und wird das Wandern 
  
trotz des allenthalben zutage tretenden Wurzelwerkes 
und der Unebenheit des Bodens desto angenehmer. 
Am tropischen Urwald ist nichts Erkünsteltes, 
nichts Schablonenhaftes, aber sein Durchelnander in 
üppiger Fülle, alle Räume ausfüllend, nirgends 
ücken lassend, wirkt um so reizender. Die ver- 
schiedenen Höhen der Bäume, die verschiedene Ge- 
staltung der Krone und des Blattwerkes, die ver- 
schiedene Farbe der Stämme fesseln das Auge und 
ermüden es nicht. In der Ebene, in den Flußtälern 
und auf den Vorbergen ist der Wald natürlich 
üppiger. Das dichte Unterholz und Buschwerk mit 
eem Heere von Lianen sind hier: charakteristisch. 
Man sucht vergebens nach einem freien Plätzchen 
am Boden. Aus der Lage von toten Blättern, in 
welche der Fuß versinkt, über dem morschen Gerippe 
eines Baumriesen, den der Sturm, gestürzt hat, 
sproßt neues Leben, Blattpflanzen in allen Farben, 
Alien, großblättrige Aroideen, Stechpalmen, Ruten- 
palmen, wilde Kokos= und Arekapalmen und die 
prächtige, tiefdunkle Cykas mit ihren feingespaltenen 
Blättern stehen vereinzelt in Gruppen und bringen 
Abwechslung und Leben in die Waldlandschaft. Die 
zarte Farrenpalme wagt sich selten in den Wald der 
- wo sie ihre Wedel nicht zur Schau tragen 
Ennte. Sie hängt vereinzelt an den Flußufern im 
Uchatten eines Baumriesen, umgeben von Orchideen. 
ohn besten scheint es ihr auf den höchsten Gipfeln 
über in schroffen Bergschluchten zu gefallen, wo tags- 
S 8 häufig Wolken lagern und zahlreiche Nieder- 
lige erfolgen. Ihr Stamm ist unscheinbar, schwarz 
W hekuhfaserig, um so graziöser aber find ihre 
ei el. Wer vermag erst die Unzahl Schling- 
emanzen, die am Boden kriechen oder an den Bäumen 
“7r zu nennen? Kein Pinsel ist imstande, 
gehe ein malerisch verschlungenes Schlingpflanzen- 
tellice mit seinen fein geschnittenen, harmonisch ver- 
wie ni Fiederblättern auch nur annähernd richtig 
arerzugeben. Wer beschreibt dann ferner die 
* der parasitischen Farren, der Philodendron- 
. tausend anderer, die die Stämme der 
iäne Uusschltngen, oder das reizende Absplenium 
an Se as mit seinen langen, säbelförmigen Blättern 
ämmen und Asten wuchert? 
zenden wir uns nun zu den Bäumen! Welcher 
  
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Reichtum an Arten, Gestaltung und Farbe! Man 
würde sich täuschen, wenn man glaubte, der tropische 
Urwald bestände nur aus Riesenbäumen. Es zeigen 
sich vielmehr nebeneinander die verschiedensten Stadien 
im Leben der Bäume. Hier strebt eine Anzahl 
schwacher Bäumchen in die Höhe; wer weiß, wie 
viele von ihnen völlig auswachsen werden, denn die 
sie umgebenden älteren Bäume gönnen ihnen kaum 
einen Sonnenstrahl. Dort erhebt sich ein mächtiger 
Baum, und etwas weiter wurzelt ein Riese, wie 
die Säule eines Domes, mit seiner mächtigen, 
breiten Krone einem Gewölbe gleich. Die Bäume 
wachsen rasch und fallen, sobald sie ihre Ent- 
wicklung erreicht haben, dem Klima und Stürmen 
zum Opfer. Mit Ausnahme der Nadeln tragenden 
Kasuarinen sind alle Bäume mit immergrünem 
Laub bedeckt. Es kommt kein herbstlicher Reif, 
kein kalter Wintersturm, der die Blätter fahl 
färbt. Gewisse Bäume werfen ihre Blätter auf 
einmal ab, um innerhalb einiger Tage ein neues, 
frisches Laubkleid anzulegen; andere wersen ihr Laub 
nur nach und nach ab und ersetzen es ebenso, so 
daß man das ganze Jahr hindurch auf denselben 
Bäumen frisches, junges Grün mit dem dunklen, 
älteren beobachten kann. Die verschiedenen Stimmungs= 
bilder, die der europäische Wald in den vier Jahres- 
zeiten dem Wanderer bietet und dabel sein Herz 
bald zum Sang und frohen Jubel stimmt, bald mit 
Todesahnungen erfüllt, vermag der tropische Wald 
nicht hervorzurufen. Trotz seiner Pracht und Groß- 
artigkeit verliert er daher beim jahraus, jahrein 
gleichen Anblick den großen Reiz, den er für den 
Neuling hat. 
Manche Bäume wachsen schlank und kerzengerade 
aus dem Boden, andere senden bis zu halber Höhe 
und selbst noch von ihren Zweigen herab ein ganzes 
Wurzelgehege zur Erde, das für sich allein einen 
kleinen Wald bildet. Wieder andere haben mächtige, 
platte Strebewurzeln, gleich ebensovielen Contreforts, 
die bis zu 5m hoch, nach allen Richtungen sich 
wendend und auf der Erde noch schlängelnd sich 
weiter verbreltend, dem Fuße der Bäume eine 
kolossale Ausdehnung, dem Baume aber Festigkeit 
geben. Der Raum zwischen zweien solcher platten 
Streben ist bisweilen so breit und lang, daß mehrere 
Personen bequem nebeneinander stehen und liegen 
können. Verbände man zwei Strebewurzeln mit 
einem Dache, so erhielte man eln kleines Zimmer. 
Der Balninger pflegt, wenn ihn der Weg an solchen 
Bäumen vorbelführt, stehen zu bleiben, um große 
Steine mit aller Gewalt gegen die Strebewurzeln 
zu schleudern. Er bringt dadurch einen dumpfen, 
weit hörbaren Ton, gleich einem fernen Gewehrschuß, 
hervor. Unter den hiesigen Waldbäumen findet man 
eine ganze Anzahl, namentlich Ficusarten, welche ihre 
Blüten und Früchte am ganzen Stamm, statt an 
der Krone entwickeln. . 
Auf elnem Heltar Land kann man zuwellen bis 
zu 100 Arten von Bäumen und Gewächsen zählen.
	        
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