Bäumen mit überhängenden Asten. Vor uns er-
cheint in gehelmnisvollem Halbdunkel eine weiß-
sunkelnde Schaumseule.
Doch folgen wir zum Narurungut, der an
Großartigkeit und Wildheit den ersteren übertrifft.
Schon aus welter Ferne tönt ein dumpfes Tosen
und Brausen an das Ohr. Der kurze Kanal, in
dem der Sturzbach zum Meere eilt, ist auf seinen
jähen, mit hohen Bäumen bestandenen und mit
Schlingpflanzen überwucherten Ufern durch die dichten
Laubkronen fast ganz überdeckt. Die herunter-
stürzende Wassermasse ist oben ganz durch über-
ragenden Wald bedeckt und wird erst sichtbar, wenn
die spritzenden, schäumenden, rauschenden Wasser die
Talsohle beinahe erreicht haben und an die Fels-
wände schlagen, um dann als milchweißer Gischt
und Schaum davonzueilen. Ihr Ubermut ist ge-
brochen, ihre Kraft dahin, und noch ehe sie es sich
versehen, hat das allverschlingende Meer sie in selnen
Schoß gezogen. Verlossen wir das Boot, das uns
trägt, betreten wir das rechte Ufer und klettern dle
steile Höhe hinan. Nur mühsam kücken wir vor-
wärts auf dem steinigen Boden, durch die mit
Ranken aller Art verketteten Bäume. Wir klettern
über tote Bäume, kriechen unter anderen durch, um-
gehen Felsen und erklimmen andere, die vom Zahn
der Zeit und vom fallenden Wasser bearbeitet,
wunderbar regelmäßige, kehlenartige Maßwerke auf-
weisen. Wehe, wenn du fällst, oder unsanft mit
den spitzen Nadeln in Berührung kommst! Wir
stehen vor der ersten größeren. Kaskade. Donnernd
saust das Wasser, in Gischt und Schaum ausgelöst,
über den Fels, der mehrfach eingespalten, prismen-
förmigen Pfeilern ähnelt. Die Einwirkung des
großartigen Schauspiels wird etwas gedämpft, da
über der Schlucht wogende Wipfel der Bäume,
Lianengewirr und parasitische Gewöchse eine dunkle
Laube bilden, durch die die Sonnenstrahlen fast
nicht zu dringen vermögen.
.Wir stelgen immer höher an malerisch zer-
llüfteten Korallenfelsen vorbei, die chootisch über-
einander geworsen sind. Welch einer Kraft hat es
bedurft, um diese Felsmassen zu heben und zu zer-
spalten! Welch ein Aufruhr mag in der Natur
geherrscht haben, als die Wasser dem dunklen Schoß
er Felsen zu entquellen begonnen haben, die nun
keitdem als fortgesetzter Hymnus in mächtigen
kkorden bis zum kommenden Welibrand fortbrausen!
In stetem Schaumgekräusel sammeln sich die Wasser
auf elner kurzen Strecke mit geringem Gefälle, um
ann von neuem die tolle Talfahrt fortzusetzen.
9 Endlich stehen wir vor dem letzten größeren
alle, etwa 100 m über dem Meeresspiegel. Das
wert ist glücklicherwelse breit und frei von Busch-
trärl. ie wirr durcheinander liegenden Fels—
immer und Baumstämme sind nur mit Moos und
Bier Art blau blühender Blumen bedeckt. Der
ist also nicht gehemmt und kann umherschweisen,
bis er sich gesättigt fühlt.
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—
Himmelanstrebend steigt rechts eine Felswand
empor; Lianen und Farren umkleiden zum Teil das
nackte Gestein, umschlingen die Stämme und ranken
bis zu den Wipfeln. Hoch oben schießt zwischen
jähen Felswänden der Quell hervor, über die Fels-
kante hinab, spritzt empor, schäumt zürnend, tost,
wirbelt im Kreise und jagt brausend mit Riesen-
schritten von Fels zu Fels hinab in die Tiefe. Die
eigentliche Quelle, eine etwa 4 m breite Höhle in
der Felswand, befindet sich ganz nahe oberhalb
dieses Falles. Ein feiner Regen sprüht unablässig
über uns, und der kalte Luftzug, den die fallenden
Wasser hervorrufen, bewegt die Blumen auf den
Steinblöcken und die Aste der näher stehenden
Bäume. .
Das Gespräch verstummt; wir sind ganz Auge,
dem Eindruck des Wilden und Erhabenen hingegeben.
Das Herz erschauert und erschrickt beim Donnern
der Wasser, bei der schauerlichen Ruhe der Szenerie.
Unwillkürlich entringt sich der Brust ein Ruf der
Bewunderung, ein Wort des Dankes für den, der
vor Zeiten den ersten Fels gelöst und den Quell
hervorgelockt hat.
15
Ansiedlungen der Baininger. — Ihre
Verkehrswege.
Auf den geschilderten malerischen Höhen lebt
der Baininger. Mancher Reisende, welcher an der
West= oder Ostküste von Baining vorbeifährt, wird
versucht sein, zu glauben, diese herrliche Gebirgswelt
sei unbewohnt; denn nur an ganz wenigen Plätzen
erspäht sein forschendes Auge im weiten dunklen
Bergkleide eine Kokospalme, die ihm sonst als sicheres
Anzeichen einer menschlichen Niederlassung gelten
kann, und wenn nicht gerade der Bergbewohner mit
Roden beschäftigt wäre und qualmende Rauchwolken
aus den Pflanzungen sich erhöben, so könnte er auf
lange Strecken kaum ein Lebenszeichen von Ein-
geborenen wahrnehmen. Die niedrigen, kleinen
Hütten derselben werden dem Auge nur äußerst
selten aus der Ferne sichtbar. Die großen bewal-
deten Täler und Ebenen, die sich oft stundenweit
von der Küste bis zu den Vorbergen hinziehen, sind
alle ohne Ausnahme unbewohnt. Nur am Kap
Tongilus (Lambert) und im Nordwesten der weiten
Bucht stoßen wir auf spärliche Baininger Siedlungen
in geringer Entfernung von der See. Mit Vorliebe
baut er seine elende Hütte auf Plateaus oder an
Abhängen, von wo aus er eine weite Fläche über-
sehen kann. Wir werden später die Gründe er-
fahren, warum er die Höhen den Ebenen vorzieht,
und was ihn von der See weg treibt.
Das Innere Bainings ist fast ganz unbewohnt.
Es sind oft vier Tagemärsche nötig, bis. man wieder
auf eine menschliche Siedlung stößt. Die großartige
Geblrgswildnis, die silbernen Wasseradern und to-
senden Kaskaden, die in ihren immer gleichen
Akkorden schon wer weiß wie viele Jahrkausende
die düstere Stille dieses Paradieses unterbrechen,