Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Bäumen mit überhängenden Asten. Vor uns er- 
cheint in gehelmnisvollem Halbdunkel eine weiß- 
sunkelnde Schaumseule. 
Doch folgen wir zum Narurungut, der an 
Großartigkeit und Wildheit den ersteren übertrifft. 
Schon aus welter Ferne tönt ein dumpfes Tosen 
und Brausen an das Ohr. Der kurze Kanal, in 
dem der Sturzbach zum Meere eilt, ist auf seinen 
jähen, mit hohen Bäumen bestandenen und mit 
Schlingpflanzen überwucherten Ufern durch die dichten 
Laubkronen fast ganz überdeckt. Die herunter- 
stürzende Wassermasse ist oben ganz durch über- 
ragenden Wald bedeckt und wird erst sichtbar, wenn 
die spritzenden, schäumenden, rauschenden Wasser die 
Talsohle beinahe erreicht haben und an die Fels- 
wände schlagen, um dann als milchweißer Gischt 
und Schaum davonzueilen. Ihr Ubermut ist ge- 
brochen, ihre Kraft dahin, und noch ehe sie es sich 
versehen, hat das allverschlingende Meer sie in selnen 
Schoß gezogen. Verlossen wir das Boot, das uns 
trägt, betreten wir das rechte Ufer und klettern dle 
steile Höhe hinan. Nur mühsam kücken wir vor- 
wärts auf dem steinigen Boden, durch die mit 
Ranken aller Art verketteten Bäume. Wir klettern 
über tote Bäume, kriechen unter anderen durch, um- 
gehen Felsen und erklimmen andere, die vom Zahn 
der Zeit und vom fallenden Wasser bearbeitet, 
wunderbar regelmäßige, kehlenartige Maßwerke auf- 
weisen. Wehe, wenn du fällst, oder unsanft mit 
den spitzen Nadeln in Berührung kommst! Wir 
stehen vor der ersten größeren. Kaskade. Donnernd 
saust das Wasser, in Gischt und Schaum ausgelöst, 
über den Fels, der mehrfach eingespalten, prismen- 
förmigen Pfeilern ähnelt. Die Einwirkung des 
großartigen Schauspiels wird etwas gedämpft, da 
über der Schlucht wogende Wipfel der Bäume, 
Lianengewirr und parasitische Gewöchse eine dunkle 
Laube bilden, durch die die Sonnenstrahlen fast 
nicht zu dringen vermögen. 
.Wir stelgen immer höher an malerisch zer- 
llüfteten Korallenfelsen vorbei, die chootisch über- 
einander geworsen sind. Welch einer Kraft hat es 
bedurft, um diese Felsmassen zu heben und zu zer- 
spalten! Welch ein Aufruhr mag in der Natur 
geherrscht haben, als die Wasser dem dunklen Schoß 
er Felsen zu entquellen begonnen haben, die nun 
keitdem als fortgesetzter Hymnus in mächtigen 
kkorden bis zum kommenden Welibrand fortbrausen! 
In stetem Schaumgekräusel sammeln sich die Wasser 
auf elner kurzen Strecke mit geringem Gefälle, um 
ann von neuem die tolle Talfahrt fortzusetzen. 
9 Endlich stehen wir vor dem letzten größeren 
alle, etwa 100 m über dem Meeresspiegel. Das 
wert ist glücklicherwelse breit und frei von Busch- 
trärl. ie wirr durcheinander liegenden Fels— 
immer und Baumstämme sind nur mit Moos und 
Bier Art blau blühender Blumen bedeckt. Der 
ist also nicht gehemmt und kann umherschweisen, 
bis er sich gesättigt fühlt. 
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— 
Himmelanstrebend steigt rechts eine Felswand 
empor; Lianen und Farren umkleiden zum Teil das 
nackte Gestein, umschlingen die Stämme und ranken 
bis zu den Wipfeln. Hoch oben schießt zwischen 
jähen Felswänden der Quell hervor, über die Fels- 
kante hinab, spritzt empor, schäumt zürnend, tost, 
wirbelt im Kreise und jagt brausend mit Riesen- 
schritten von Fels zu Fels hinab in die Tiefe. Die 
eigentliche Quelle, eine etwa 4 m breite Höhle in 
der Felswand, befindet sich ganz nahe oberhalb 
dieses Falles. Ein feiner Regen sprüht unablässig 
über uns, und der kalte Luftzug, den die fallenden 
Wasser hervorrufen, bewegt die Blumen auf den 
Steinblöcken und die Aste der näher stehenden 
Bäume. . 
Das Gespräch verstummt; wir sind ganz Auge, 
dem Eindruck des Wilden und Erhabenen hingegeben. 
Das Herz erschauert und erschrickt beim Donnern 
der Wasser, bei der schauerlichen Ruhe der Szenerie. 
Unwillkürlich entringt sich der Brust ein Ruf der 
Bewunderung, ein Wort des Dankes für den, der 
vor Zeiten den ersten Fels gelöst und den Quell 
hervorgelockt hat. 
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Ansiedlungen der Baininger. — Ihre 
Verkehrswege. 
Auf den geschilderten malerischen Höhen lebt 
der Baininger. Mancher Reisende, welcher an der 
West= oder Ostküste von Baining vorbeifährt, wird 
versucht sein, zu glauben, diese herrliche Gebirgswelt 
sei unbewohnt; denn nur an ganz wenigen Plätzen 
erspäht sein forschendes Auge im weiten dunklen 
Bergkleide eine Kokospalme, die ihm sonst als sicheres 
Anzeichen einer menschlichen Niederlassung gelten 
kann, und wenn nicht gerade der Bergbewohner mit 
Roden beschäftigt wäre und qualmende Rauchwolken 
aus den Pflanzungen sich erhöben, so könnte er auf 
lange Strecken kaum ein Lebenszeichen von Ein- 
geborenen wahrnehmen. Die niedrigen, kleinen 
Hütten derselben werden dem Auge nur äußerst 
selten aus der Ferne sichtbar. Die großen bewal- 
deten Täler und Ebenen, die sich oft stundenweit 
von der Küste bis zu den Vorbergen hinziehen, sind 
alle ohne Ausnahme unbewohnt. Nur am Kap 
Tongilus (Lambert) und im Nordwesten der weiten 
Bucht stoßen wir auf spärliche Baininger Siedlungen 
in geringer Entfernung von der See. Mit Vorliebe 
baut er seine elende Hütte auf Plateaus oder an 
Abhängen, von wo aus er eine weite Fläche über- 
sehen kann. Wir werden später die Gründe er- 
fahren, warum er die Höhen den Ebenen vorzieht, 
und was ihn von der See weg treibt. 
Das Innere Bainings ist fast ganz unbewohnt. 
Es sind oft vier Tagemärsche nötig, bis. man wieder 
auf eine menschliche Siedlung stößt. Die großartige 
Geblrgswildnis, die silbernen Wasseradern und to- 
senden Kaskaden, die in ihren immer gleichen 
Akkorden schon wer weiß wie viele Jahrkausende 
die düstere Stille dieses Paradieses unterbrechen,
	        
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