Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

festgestellt, daß er in früherer Zeit Unruhen provo- 
ziert hat, sei es in dieser oder einer benachbarten 
Kolonie, so haben Sie sich seiner Person in kürzester 
Frist zu versichern und mir elnen unmittelbaren Bericht 
über die Mittel und den Gegenstand seiner Proselyten- 
macherei zu übersenden, ebenso mir Vorschläge zu 
machen, wie man ihn von jetzt an außerstandsetzen 
kann, seine Propaganda fortzusetzen. Wenn indes 
nicht festgestellt werden kann, daß dieser Marabut 
si.h verbrecherischer Handlungen schuldig gemacht hat 
und wenn er keine andere Existenzmöglichkeit als durch 
Sammeln von Almosen hat, haben Sie ihn in Ihrer 
Verwahrung zu behalten und mir ohne Aufschub einen 
genauen Bericht zu erstatten, worin Sie mir solche 
administrativen Maßregeln, die Sie für angebracht 
halten, in Vorschlag bringen. 
In jedem Fall, mag nun der Marabut ein 
friedlicher Mensch oder als gefährlich zu betrachten 
sein, haben Sie mir sein Nationale zu übersenden. 
In dieser Urkunde sind einzutragen alle Nachrichten 
über seine Identität, seinen Geburtsort, sein Alter, 
seine Vorfahren, die Brüderschaft, der er zugehört, 
seine Familie usw. Ihre Ansicht über seine politische 
Haltung ist auch darin aufzunehmen. Sofern es 
möglich, wollen Sie auch seine Photographie hinzu- 
  
en. 
sis Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch dahin 
lenken, daß diese Marabuts, die im Publikum eine 
große Mißachtung der französischen Autorität zur 
Schau tragen, stets, sobald sie vor einen Repräsentanten 
der französischen Regierung geführt werden, ihre 
unwandelbare Ergebenheit an Frankreich betonen. 
Man darf nicht vergessen, doß im Jahre 1846 und 
1847 die öffentlichen Behörden des Senegals zu 
Podor, durch die demütige, unterwürfige Haltung 
Hadj Omars getäuscht, in gutem Glauben seine 
antifranzösischen Umtriebe begünstigten; mehrere Male 
sind wir seitdem in den gleichen Irrtum verfallen. 
Das soll uns lehren, daß fast nie zwischen dem 
Benehmen eines Marabuts und den Lehren, die er 
predigt, Ubereinstimmung besteht. Ich richte Ihre 
Aufmerksamkeit besonders auf diesen Punkt, damit Sie 
nicht bei der Bestimmung der Strafgelder, um die 
es sich handelt, durch die scheinbare höfliche Unter- 
würfigkeit und Achtungsbezeugung, die Ihnen gegen- 
über jede religiöse Persönlichkeit bekunden wird, 
beeinflussen lassen. 
Wenn ein Marabut, der in Ihrem Kreis wohn- 
haft ist, eine Reiseerlaubnis erbittet, um sich nach 
einem anderen Kreis zu begeben, ist er, bevor ihm 
dieselbe erteilt wird, nach dem Zweck seiner Reise 
zu fragen. Wenn dieser Zweck ist, Almosen zu sammeln, 
werden Sie ihm die Erlaubnis nicht geben. Oft 
verschleiern die Marabuts den eigentlichen Zweck 
ihrer Reise unter dem Vorwand eines Besuchs bei 
ihren Talibs. Diese Talibs dienen gewöhnlich nur 
als Vorwand. Die Flagge deckt die Ware. Das 
schamlase Betteln in den Dörfern ist der wahre 
Zweck der Wanderung. 
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Grundsätzlich behalte ich mir selbst und als Aus- 
nahme die Ertellung von „Ziara“ und „Hadia“ vor; 
danach haben Sie, wenn Ihnen eine derartige Bitte 
von einer religiösen Persönlichkeit Ihres Kreises 
vorgetragen wird, sie mir zuzuschicken unter Mit- 
teilung Ihrer Ansicht und des genauen Weges, den 
der Marabut einschlagen will. Ich werde dann bei 
den Behörden des Distrikts, wohin er sich begeben 
will, anfragen, ob die Reise als angebracht an- 
gesehen werden kann, und in letzter Instanz die 
Erlaubnis erteilen oder sie verweigern. 
Zu berücksichtigen ist, daß die vorangehenden 
Dispositionen keineswegs den Zweck haben, die freie 
Ausübung des islamitischen Kultus zu verhindern. 
Ich will nur, indem ich diese Vorschriften mache, 
unsere islamittschen Untertanen gegen die Handlungen 
fremder Marabuts, Scharlatane und Unruhestifter 
schützen. Die angesessenen Marabuts, Koranlehrer, 
Verkäufer von Amuletten usw. werden durch diesen 
Runderlaß nicht betroffen.“ 
Bei Gelegenheit des obigen Runderlasses sei 
darauf hingewiesen, daß die der europäischen Kultur 
und Gesittung in Afrika durch den Islam drohende 
Gefahr auf dem deutschen Kolonialkongreß 1905 
bereits Gegenstand lebhaftester Erörterungen ge- 
wesen ist. 
Direkt mit dem Thema beschäftigten sich der 
Vortrag des Pastors Julius Richter: „Der Islam, 
eine Gefahr für unsere afrikanischen Kolonien“ und 
der Vortrag des Provinzialoberen Dr. Josef Fro- 
berger: „Welches ist der Kulturwert des Islam 
für koloniale Entwicklung?'" Indirekt wurde 
das Thema auch durch den Vortrag des Professors 
Meinhof: „Die Bedeutung des Studiums der 
Eingeborenensprache für die Kolonialverwaltung“ 
berührt. Die Vorträge gaben Anlaß zu lebhafter, 
sehr interessanter Diskussion. Man war im wesent- 
lichen darüber elnig, daß als bestes Mittel zur 
Abwehr die Einführung der deutschen Sprache als 
Unterrichts= und Umgangssprache anzusehen sei. Im 
Anschluß an die Diskussionen wurden in den 
Sektionssitzungen folgende Resolutionen gefaßt: 
1. „Das Studium der Eingeborenensprache ist 
allen Regierungsbeamten auf das dringendste zu 
empfehlen. Besonders tüchtige Lelstungen sind zu 
prämiieren. 
Daneben ist dahin zu wirken, daß in allen 
Kolonien das Deutsche unter den Eingeborenen 
möglichste Verbreitung finde."“ 
2. „Der deutsche Kolonialkongreß 1905 wünscht 
dringend, daß in den afrlkanischen Kolonien dem 
Islam und insbesondere der Ausbreitung der 
arabischen Kultur und Sprache in keiner Weise 
Vorschub geleistet werde, daß demselben im Gegenteil 
durch eine starke deutsch-christliche Kultur ein Gegen- 
gewicht geschaffen werde.“ 
Die letztere Resolution wurde auch als Plenar- 
resolution gefaßt.
	        
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