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Willigkelt des Privatkapitals oder der Initiative der
Regierung und der Bereltwilligkeit des Reichstages.
1. Vorbereitung von Eisenbahnen.
Der Eisenbahnbau in den deutschen Kolonien ist
gegenüber den fremdländischen Kolonien im Rück-
stande. England besitzt heute in Afrika 13 567 km
Esenbahnen, Frankreich 8067 km, Deutschland
2235 k
Auf Grund der von dem Komitee ausgeführten
technischen und wirtschaftlichen Trassierung der Togo-
Innenlandbahn wurde die Linie Lome —Palime
gebaut, welche im Januar 1907 vollendet sein wird.
Die Vorarbeiten für die Bahn Kilwa-Kissiwani—
Nyassasee sind abgeschlossen und veröffentlicht.
Die Erkundung einer Bahn nach dem Tanganika-=
see hat im November d. J. Udjldji# erreicht. In
Vorbereitung ist die Trassierung einer ostafrikanischen
Bahn nach dem Victorlasee und der Fortsetzung
einer Kamerunbahn in der Richtung nach dem
Tschadsee.
2. Vorarbeiten für deutsche Siedlung.
Die Auswanderung Deutschlands betrug in
den Jahren 1871: 76 221, 1881: 220 902, 1891:
120 089, 1900: 22 309, 1901: 22 073, 1902:
32 098, 1908: 36 810, 1904: 27 984, 1905:
28 075.
Zur Vorbereltung einer Ubersiedlung nach den
deutschen Kolonien, soweit solche klimatisch geeignet
sind, hat das Komitee beigetragen, in Deutsch-
Südwestafrika durch die unter Leitung des In-
genleurs Kuhn ausgeführte Fischfluß-Expedition und
durch die Ausrüstung von Bohrkolonnen mit dem
Ergebnis der Schaffung von etwa 40 ößffentlichen
und privaten Brunnen für Tränkzwecke und der
Fertigstellung von Projekten für Stauanlagen in der
Löwenfluß-Naute, in Arochas-Bethanien, Osis und
Gibeon.
In Deutsch-Ostafrika wird die Vorbereitung
einer deutschen Sledlung in Verbindung mit den
Eisenbahnerkundungen betrieben. Zur Besiedlung
der Nyassasee-Länder hat die Erkundung der Süd-
bahn Beiträge geliefert. Die Schaffung von Unter-
lagen für eine Besiedlung der mittleren und nörd-
lichen Gebiete erfolgt durch die Erkundungen von
Elsenbahnen nach dem Tanganikasee und Victoriasee.
3. Förderung des Absatzes deutscher Industrie-
erzeugnisse.
Die Einfuhr nach den deutschen Kolonien
betrug im Jahre 1905 insgesamt 100 Millionen
Mark. Deutschland war daran mit etwa 50 Pro-
zent beteiligt.
Zur Hebung der Kaufkraft der Bevölkerung in
den Kolonien hat das Komitee beigetragen durch die
Einführung neuer und Ausbreltung vorhandener
Eingeborenen= und Plantagenkulturen, durch Vor-
arbeiten für deutsche Siedlung und durch Vorberei-
tung des Eisenbahnbaues.
Teils aus eigener Initiative, teils auf Grund
von Prelsausschreiben und Modellen des Komitees
befaßt sich neuerdings die deutsche Industrie u. a.
mit der Konstruktion und Herstellung tropenland-
wirtschaftlicher Maschinen und Transportmittel, wie
Baumwollgins und Pressen, Maschinen für Hanf-
entfaserung, Palmölbereitung und Entkernung, Erd-
nuß= und Batatenschälmaschinen, Maniokraspeln,
Geräte zur Kautschukgewinnung, leichte Pflüge usw.
Krastlastwagen sind für Togo und Deutsch-Ostofrika
bestellt. Der erste Dampfpflug wird auf der Baum-
wollpflanzung des Komitees in Saadani (Deutsch-
Ostafrika) jetzt in Betrieb gesetzt.
4. Schaffung volkswirtschaftlich wichtiger
Rohstoffe und Produkte.
Die Ausfuhr der deutschen Kolonien be-
trug im Jahre 1905 insgesamt 50 Millionen
Mark.
Baumwolle bezog Deutschland im Jahre 1905
im Werte von 470 Millionen Mark vom Auslande.
Die Abhängigkeit des Baumwollwelthandels von
den Witterungsverhältnissen eines verhältnismäßig
kleinen Teiles der Erde, der Südstaaten Nord-
amerikas, und die dadurch drohende volkswirtschaft-
liche und soziale Gefahr veranlaßten die Baumwoll-
bauunternehmungen.
Das bisherige Ergebnis der Baumwollkultur-
versuche ist in Togo eine Qualität, welche 3 bis
8 Pfennig höher wertet als die Marke Amerikanisch
middling, in Deutsch-Ostafrika eine Qualität, welche
den hochwertigen ägyptischen Qualitäten gleichkommt
und im letzten Halbjahr 60 bis 90 Pfennig per
Pfund erzielte. Der Export aus den deutschen
Kolonien vor dem Jahre 1900 war gleich Null.
Die Ernte von Deutsch-Ostafrika und Togo 1905/06
betrug etwa eine Million Pfund im Werte von
etwa 600 000 Mark.
Sisal= und Sansevierenhanf. Faserstoffe
bezog Deutschland im Jahre 1905 im Werte von
143 Millionen Mark vom Auslande. Die Ge-
winnung von Faserstoffen aus Sisal-Agaven und
Sansevieren wurde durch vorbereitende Studien und
Maßnahmen zur Verbesserung der maschinellen
Erntebereitung gefördert. Sansevierenhanf kommt
noch nicht zur Ausfuhr. Die Ausfuhr von Sisal-
hanf aus Deutsch-Ostafrika im Jahre 1905 betrug
1300 Tons im Werte von etwa 1 Million Mark.
Kautschuk und Guttapercha bezog Deutsch-
land im Jahre 1905 im Werte von 156 Millonen
Mark vom Auslande. Dle Verteuerung dieser
Rohstosse — eine Folge des Raubbaues der Ein-
geborenen und des enorm gesteigerten Verbrauchs
der Kautschukwaren-, elektrolechnischen, Automobil-=
und Kabelindustrie — veranlaßte die Kautschuk= und
Guttaperchaunternehmungen. Das bisherige Er-
gebnis ist die Feststellung wilder Kautschukbestände
und die Einführung der Kautschukplantagenkultur in
West= und Ostafrika und in den Südseekolonien und