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Worten verständigten wir uns über die wenig
angenehme Lage. Bülow stieg in Seeleuruhe
vom Pferde, ließ das Maschinengewehr mitten
vor die Front stellen und begann es mit seinen
Leuten zu montieren. Unterdessen rückte der Rest
unserer Träger auf.
Jetzt erhob sich unter den Fullahs ein Ge-
murmel, und aus dem breiten Eingangstor der
Königsburg, die in ihrer ganzen Ausdehnung von
einem zwei Meter hohen Mattenzaun umgeben
war, traten Bewaffnete heraus, die Gefolgsleute
des Lamido. Sie nahmen an der Mattenwand
entlang uns gegenüber Aufstellung. Es war ein
buntes farbenprächtiges Bild. Die Kaburras
(Berufssoldaten) des Lamido in bis an die Kniee
reichenden ärmellosen Hemden, die Fullahmütze
auf dem Kopf, mit über die Brust gekrenzten
dicken Wolldecken, die durch einen ledernen Bauch-
gurt festgehalten wurden. An Wehrgehängen
trugen sie lange gerade Schwerter in ledernen
Scheiden. Kurze Messer hingen am Leibriemen.
In der Hand hielten die Kaburras den langen
Stoßspeer, soweit sie nicht mit Bogen bewaffnet
waren und große Lederköcher mit Pfeilen über
die Schulter trugen. Auch Panzerreiter kamen
angesprengt. Die Pferde waren mit bunten Woll-
decken zum Schutze gegen Pfeilschüsse gepanzert
und auch die Reiter selbst steckten in dicken, wat-
tierten Gewändern. Auf dem Kopf trugen sie
den tuchüberzogenen Holzhelm, mit wallenden
Federn. Die Füße der Reiter steckten in langen,
bis über das Knie reichenden, bestickten Leder-
stiefeln. Sattel= und Zaumzeng aus buntem Leder
war reich mit Muscheln und Amuletten benäht.
Wie Turnierreiter aus dem frühen Mittelalter
sahen diese Fullahreisigen aus.
Den Reitern folgte, umgeben von in weite
Gewänder gehüllten, vornehmen Fullahs, ein sehr
schlanker, hellgelber Jüngling, der unter einem
großen Turbau hervor aus großen Augen neu-
gierig zu uns herüberschaunte. Aus dem Gebaren
seiner Umgebung und dem Geschrei, das die um-
stehende Menge erhob, erkannte ich, daß es Omarn
war und sprengte auf ihn los. Wie zum Schutz
traten sorglich seine Gefolgsmänner vor ihn hin.
Ich sprang vom Pferde, machte mir Platz, wobei
die Fullahs halb staunend, halb unwillig zurück-
traten, und streckte Omaru die Hand entgegen.
In den langen, blütenweißen, bis auf die
Füße wallenden Gewändern sah der hoch auf-
geschossene Jüngling mit dem melancholischen Ge-
sicht eigenartig vornehm und hoheitsvoll aus,
einfach und edel in dem bunten Rahmen seiner
Umgebung, wie ein seltener Stein in kostbarer
Fassung. Jeder mußte wissen: das war der König.
Ein breites Wehrgehänge hing ihm über die
Schulter, in dem ein grades Schwert steckte. Mit
den Armen stützte sich Omaru rechts auf die
Schulter des seriki n’ seggi (Mann, der dem
Lamido auf das Pferd hilft), links auf den dicken
seriki n’ bindiga (Gewehrverwalter), der in ge-
bückter Haltung stand, um dem Lamido nicht
unbequem zu werden.
Mit müdem Lächeln reichte mir der bleiche
Jüngling die Hand.
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Deutsch- Südwestafrika.
Von der Südbahn.
Ende November ist die Teilstrecke Sandver-
haar —Feldschuhhorn (Kilometer 273 bis 285)
eröffnet worden. Bis Keetmanshoop fehlen noch
etwa 80 Kilometer. Auf der nächsten Teilstrecke
Feldschuhhorn —Seeheim sind die Gelände-
schwierigkeiten groß. Die Meldung von der Er-
öffnung dieses Abschnittes darf daher erst im
kommenden Frühjahr erwartet werden.
Kolonialwirtschaftliche Oitteilungen.
Ein KAppell an die deutsche Baumwollindustrie.
Der Hauptversammlung der Deutschen Kolo-
nialgesellschaft, die jüngst in Frankfurt a. M.
tagte, hat Herr Moritz Schanz-Chemniß einen
Bericht erstattet über #eine Reise, die er zum
Studium der amerikanischen Baumwoll-
erzeugung mit Rücksicht auf die deutsch-kolo-
nialen Baumwollbestrebungen unternommen
hat. Er führte u. a. aus:
„Kurz zusammengefaßt ist der Gesamteindruck
meiner Beobachtungen folgender gewesen: Es ist
durchaus möglich, daß die Vereinigten Staaten
von Nordamerika weit größere Mengen von
Baumwolle als bislang erzeugen können, es ist
aber angesichts der jetzt schon existierenden
Schwierigkeit, genügende Arbeitskräfte dafür zu
finden, nicht wahrscheinlich, daß für die Nächst-
zeit eine nennenswerte Erhöhung der ameri-
kanischen Baumwollproduktion eintrete, und es
ist sicher, daß die wachsende Baumwollindustrie
der Vereinigten Staaten selbst einen immer grö-
üheren Teil der Baumwollernte des Landes für