Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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sich in Anspruch nehmen wird, da die Tendenz 
dahin geht, statt des Rohprodukts in steigendem 
Maße Fabrikate auszuführen. Die Verecinigten 
Staaten brauchen jetzt bereits jährlich 5 Millionen 
Ballen Baumwolle selbst, von einer Normalernte 
von 11 bis 12 Millionen Ballen also beinahe 
die Hälfte. Zu beachten ist ferner das zunehmende 
Bestreben der amerikanischen Baumwollfarmer, 
für ihre Produkte Monopolpreise zu verlangen. 
Man stellt sich rücksichtslos auf den Standpunkt, 
daß die Welt ihre Ware haben müsse, nirgendwo 
anders Ersatz dafür sei, und verlangt statt eines 
Preises von etwa 10 Cents, der einen guten 
Durchschnittsnutzen abwerfen würde, 15 Cents für 
das Pfund. Die systematische Errichtung einer 
Keitte von Baumwolllagerhäusern im Süden der 
Union und eine anschließende Finanzorganisation 
soll den Farmern erlauben, ihre Baumwolle 
künftig so lange im Verkauf zurückhalten zu 
können, bis man ihnen notgedrungen die ge- 
forderten hohen Preise bewilligen müsse. Außer- 
dem droht man zur Erzwingung derselben eine 
Reduktion von 25 v. H. der mit Baumwolle zu 
bestellenden Fläche für das Nächstjahr an. 
Die Konsequenzen, die sich daraus für die 
75 v. H. ihres Bedarfs auf amerikanische Baum- 
wolle angewiesene großartige europäische Baum- 
wollindustrie ergeben, sind zwingend. Die über- 
spannten Forderungen Amerikas und die Gesamt- 
lage dort müssen zum Anbau von Baumwolle in 
Neuländern geradezu hindrängen, und um so 
höher die amerikanischen Preise = Weltpreise, um 
so leichter und lohnender wird sich die Einführung, 
bezw. Ausdehnung von Baumwollbau in Gebieten 
außerhalb Nordamerikas gestalten. Am tat- 
kräftigsten geht in dieser Richtung England vor, 
das mit seiner riesigen Baumwollindustrie ja auch 
in allererster Linie von dem drohenden Mangel 
an Rohmaterial betroffen wird. Die englischen 
Kolonien sind wohl geeignet, alle Sorten von 
Baumwolle zu erzeugen, und eine großzügige 
Eisenbahnpolitik erschließt dem Baumwollbau dort 
immer neue Gebiete. Auch in sämtlichen deutschen 
Kolonien ist durch die Versuche und Unter- 
nehmungen des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees 
nachgewiesen, daß für die deutsche Industrie vor- 
züglich geeignete Sorten Baumwolle dort gezogen 
werden können, und einzelne deutsche Baumwoll- 
spinner sind janerlennenswerterweise bereits dabei, 
in Ostafrika! gen anzulegen. 
Da ist nun fürzlich von einem der Zeitungsbericht- 
erstatter, die Exzellenz Deruburgs Reise begleitet 
haben, der Alarmruf erschallt: „Es ist nichts mit der 
Baumwolle in Ostafrika.“ Meine Herren, ich möchte 
namens des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees 
hier öffentlich und ausdrücklich erklären, daß diese 
Auffassung falsch ist. Es ist richtig, daß in diesem 
zu bleiben, 
  
Jahre zum ersten Male seit 20 Jahren der Regen- 
fall in gewissen Teilen Ostafrikas unter 80 Milli- 
meter geblieben ist und dadurch in diesen Teilen, 
wie alle anderen Feldfrüchte, so auch die Baumwolle 
geschädigt wurde. Mißernten kommen in allen Län- 
dern vor. Aber damit ist auch seitens des Kolonial- 
Wirtschaftlichen Komitees schon ernstlich gerechnet 
worden. Bereits auf dem Internationalen Baum- 
wollkongreß in Wien im Mai habe ich im Namen des 
Komitees und unter Bezugnahme auf Berichte aus 
Ostafrika seitens dessen Generalsekretärs darauf hin- 
gewiesen, daß sonst gut für Baumwollbau geeignete 
Böden nur dann zuverlässige Ernten ergeben, 
wenn rechtzeitig für künstliche Bewässerung 
gesorgt wird, und beantragt, die Erfahrungen, 
welche die europäischen Kolonialmächte in dieser 
Beziehung machen, besonders in Afrika, gegen- 
seitig auszutauschen. Der Antrag fand freudige 
Zustimmung, und als praktisches Resultat des- 
selben sind bereits wertvolle Berichte der Franzosen 
über Bewässerung in ihren Kolonien eingelaufen. 
Danach konnten z. B. an der unwirtlichen Somali- 
küste durch Bewässerung ganze Wüstenstriche in 
blühende Baumwollplautagen verwandelt werden. 
Und wenn nun die Alarmrufer etwa sagen wollten: 
„Mit künstlicher Bewässerung wird die Sache ja 
viel zu teuer“, so sei auf Indien, Nordamerika 
und Agypten hingewiesen. Speziell in dem 
letzteren Lande beruht ja der ganze Feldbau, 
einschließlich Baumwolle, ausschließlich auf künst- 
licher Bewässerung, und trotz der hohen Boden- 
preise, die viele hundertmal teurer sind als in 
Ostafrika, bildet Baumwolle das vorziglich 
lohnende Hauptprodukt. Im Gegensatz zu 
Agypten, einem schmalen, vom Nile gebildeten 
Oasenstreifen inmitten der Wüste, ist Ostafrika ein 
Land der Steppen und Wälder mit einer ganzen 
Reihe von Wasserläufen, die zu künstlicher Be- 
wässerung benutzt werden können. Ein aus- 
gedehnter und lohnender Baumwollbau ist hier 
wohl möglich, es heißt nur „Wollen!“ Es gilt, 
in dieser Richtung nicht auf halbem Wege stehen 
sondern zäh und zielbewußt fortzu- 
schreiten. Die Erreichung des großen Zieles, 
uns im Bezug eines der wichtigsten Rohprodukte 
wenigstens teilweise unabhängig vom Auslande 
zu machen, wird Lehrgeld und Lehrzeit kosten, 
aber sie sollte, unbeirrt durch einzelne Fehlschläge, 
welche dabei unvermeidlich sind, mit allen Kräften 
angestrebt werden! Es ist zu hoffen und zu 
wünschen, daß das Reichs-Kolonial-Amt nach 
Maßgabe seiner Mittel und Kräfte an der Lösung 
des wichtigen Problems mitarbeite. Die finanzielle 
Förderung des Baumwollbaus in deutschen Ko- 
lonien ist ein Punkt, den auch die Deutsche Ko- 
lonialgesellschaft gelegentlich auf ihr Programm 
stellen kann. Vor allem aber möchte ich von
	        
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