Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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tes der Welt, in dem sich jede große wirtschaftliche 
Bewegung spiegelt, leichter geworden als uns, 
und die Aufgabe, die ich mir gestellt habe und zu 
deren Lösung ich Sie alle miteinander einlade und 
auffordere, ist für uns Deutsche um so schwerer, 
als es sich nicht nur darum handelt, der Nation 
die Richtung zu geben, in welcher koloniale Ziele 
verfolgt werden müssen, sondern diese Richtung 
geradezu umzudrehen und eine neue Bahn zu 
zeigen und einzuschlagen. Nichts ist schwerer als 
der Kampf gegen eine einmal etablierte Meinung, 
gegen ein zur Doktrin gewordenes Schlagwort, 
und das ist die Geschichte unserer Kolonien und 
zum Teil ihr Unglück. 
Unsere koloniale Entwicklung hat begonnen 
unter dem Fürsten Bismarck, einem nationalen 
Politiker unerreichten Ranges, aber einem Manne, 
dem die Interessen der Seefahrt und des Handels 
fernlagen und der kein besonderes Vertrauen 
hatte zu der Fähigkeit des Deutschen, sich diesen 
Dingen anzupassen, weder des deutschen Bürgers 
noch des deutschen Beamten. Und er hat des- 
halb den Satz aufgestellt, daß es der Kaufmann 
sein muß, der die Kolonien entwickle, der mit 
seinem Gelde sie befruchte, und er hat die Grund- 
lage gelegt zu jenen Monopolgesellschaften, welche, 
wenn sie stark und kräftig genug gewesen wären 
und ihrer Pflichten hinreichend eingedenk, wohl 
manches hätten erreichen können, die aber so, 
wie sie geschaffen waren, sich wie eine Art Mehl- 
tau nicht nur über die ihnen gehörenden Länder, 
sondern auch über das deutsche Nationalgefühl 
zugunsten unserer Kolonien gelegt haben. Dieser 
Fehler ist denn auch bald eingesehen worden, 
aber wir kämpfen gegen ihn heute noch. Schließ- 
lich mußten die Hoheitsrechte der Gesellschaften 
mit teurem Gelde abgelöst werden, die politische 
Gewalt mußte das Reich an sich nehmen und 
mit dieser politischen Gewalt kamen auch alle 
die politischen Aufgaben, und auf das Reich fiel 
der Schutz der deutschen Anlagen gegenüber einer 
wilden Eingeborenen-Bevölkerung und schlimmen 
Naturgewalten. Das war die zweite Enttäuschung, 
und aus dieser zweiten Enttäuschung wurde ge- 
boren die dritte, wie ich schon erwähnt habe, daß 
wir Deutsche den Wert unseres kolonialen 
Besitzes unterschätzt haben, daß wir ihn uns 
verstümmeln ließen, bis manche unserer Kolo- 
nien auf der Landkarte wie eine Ironie aussahen 
auf den gesunden Menschenverstand, und es kam 
jene Zeit, in welcher weder Volk noch Regierung 
noch Beamte, die mit den Kolonien zu tun hatten, 
an deren Zukunft irgendwie glauben konnten. 
Das aber war das Schlimmste. Denn nur jemand, 
der von der Güte soder mindestens von der Zu- 
kunst seiner Aufgaben überzeugt ist, wird kräftig 
und werbend für sie eintreten können. Und so 
  
ist denn allmählich jene Stimmung Dentschlands 
gegenüber seinen Kolonien entstanden, weil das 
Regiment das Wichtigste versäumt hat, was eine 
kolonisierende Regierung tun muß, nämlich das 
Volk aufzuklären über das Wesen seines kolonialen 
Besitzes, über die Aufgaben, über die Ver- 
antwortungen, über die Auslagen und über die 
Früchte. Das also müssen wir jetzt ändern und 
wir müssen die öffentliche Meinung umdrehen; 
ich bilde mir nicht ein, daß das von heute auf 
vierundzwanzig Stunden geschehen kann, aber 
wenn Sie mir helfen, wird es geschehen und 
vielleicht in einer kürzeren Frist, als es mancher 
Zweifler glaubt und manchem Böswilligen lieb 
ist. Aber noch ein anderes müssen wir uns an- 
eignen, das ist das Verständnis für die Zwecke, 
für welche kolonisiert wird. Die Zwecke sind 
materiolle und merkantilistische. Sie müssen er- 
zielt werden mit jener Vornehmheit, die das 
Kriterium eines seiner wirtschaftlichen und kultu- 
rellen Aufgabe gewachsenen Kaufmannes sind und 
nicht umsonst, sondern es muß der Austausch 
stattfinden, Güter und Menschen gegen Kultur 
und Lebenserleichterung. Diese beiden letzteren 
müssen wir der Eingeborenen-Bevölkerung bringen, 
und wir erreichen da mehrere Ziele zugleich, 
denn eines der wichtigsten Güter, die ein zivili- 
siertes Volk zu verleihen in der Lage ist, ist die 
Freude an der Arbeit und an der Betätigung. 
Der nationalökonomische Zweck dieser kaufmänni- 
schen Betätigung ist aber der Erwerb und die 
Anzucht von Rohstoffen, die uns in unserer 
nationalen Wirtschaft fehlen, und der Absatz, ohne 
den ein auf Industrie angewiesenes Volk mit 
eigenen, engen, nationalen Grenzen und einer 
großen jährlichen Bevölkerungsvermehrung nicht 
die notwendigen Mittel für das Bestehen der 
Nation anschaffen kann. 
Auch dieser Teil einer Kolonialpolitik ist nicht 
mit dem nötigen Zielbewußtsein verfolgt worden, 
und daher kommt es, daß wir jetzt noch einen 
verhältnismäßig nicht sehr großen Handel mit 
den Kolonien haben. Die Kolonien haben im 
Jahre 1905 ein= und ausgeführt für praeter 
propter 100 Millionen Rohstoffe und Fabrikate, 
und davon haben wir an andere Nationen 
immerhin noch 40 Prozent abgetreten, trotzdem 
der Anteil des deutschen Handels sich von Jahr 
zu Jahr hebt. Aber wir könnten mit all' diesen 
Dingen sehr viel weiter sein, wenn wir unsere 
Nation auch rechtzeitig dazu erzogen hätten, die 
Mittel zu kennen und zu würdigen, die die 
Kolonisation befördern. Meine Herren, jene 
100 Millionen Handel sind erzielt worden nahezu 
ohne Verkehrswege, ohne Eisenbahnen, ohne die 
angewandte Technik, ohne Maschinen. Am 
1. Januar 1905 — und die genannten Ziffern
	        
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