Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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sind z. B. nicht sehr beträchtlich, etwa 10 Prozent 
des Wertes, andere afrikanische Kolonien haben 
sehr viel höhere; eine Steigerung an Abgaben 
von durchschnittlich 5 Prozent würde für 1906 
etwa 3 Millionen, für 1910, falls die Entwicklung 
fortschreitet und die Eisenbahnen billigere Trans- 
portwege liefern, etwa 7 Millionen ergeben und 
damit allein fast alle Kolonien durchaus selbständig 
machen, selbst wenn sie einen großen Teil ihrer 
militärischen Besatzung zu tragen hätten. 
Ich nehme jetzt den vierten Leitsatz der 
Amerikaner, welcher von dem Eigentum an 
öffentlichen Arbeiten handelt, und ich habe Ihnen 
bereits gesagt, wie die Engländer und Franzosen 
dieses öffentliche Eigentum, Eisenbahnen, Kanäle, 
Docks, Häfen, Telegraphen, Stauanlagen, Wasser- 
erschließung usw. finanzieren. Der Grund, wes- 
halb in neu sich entwickelnden Ländern hierbei 
die staatliche Unternehmung vor der Unternehmung 
durch das Privatkapital im allgemeinen den Vor- 
zug haben muß, ist nicht allein der, daß man 
kein Monopolunternehmen schaffen soll, wo der 
Widerstand gegen Ubergriffe schwach ist und nicht 
wohl organisiert werden kann, sondern er liegt 
auch zum großen Teile auf finanziellem Gebiet. 
Eine Privatfirma, die eine Bahn zu bauen be- 
absichtigt, kann das nicht tun ohne eine Rentabili- 
tätsberechnung, welche aus den eigenen Ein- 
nahmen des Unternehmens vielleicht unter gewisser 
Bewertung der immerhin unsicheren Einnahmen 
aus einer Landschenkung oder aus Schürfrechten 
eine hinreichende Verzinsung für das angelegte 
Kapital ergibt, und da das in wenigen Fällen 
gleich von vornherein der Fall ist, muß sich dieses 
Privatunternehmen auch Banzinsen für eine ge- 
wisse Reihe von Jahren einrechnen, wodurch das 
Anlagekapital erhöht wird. Deshalb kommen 
solche Privatunternehmungen in den Kolonien 
gewöhnlich nicht aus ohne eine Staatsgarantie, 
d. h. der Staat zahlt für die Bahn, und das 
Privatkapital hat bei einem sehr verminderten 
Risiko die Chancen des Gewinnes. Für den 
Staat liegt die Frage durchaus anders; nicht 
etwa deshalb, weil der Staat auf eine mindere 
Rentabilität zu sehen hätte, wie die Gesellschaft. 
Auch er muß ja — sei es nun das Mutterland 
oder die Kolonie — die Zinslast aufbringen und 
also dahin zu trachten versuchen, die Unter- 
nehmung möglichst schleunig rentabel zu gestalten. 
Aber für den Staat liegt die Sache deshalb 
anders, weil ihm neben den eigenen Einnahmen 
eine Reihe von Hilfsquellen entstehen, welche der 
Privatmann nicht besitzt. Für den Staat kommt 
neben diesen eigenen Einnahmen aus dem be- 
treffenden Unternehmen selbst noch folgendes in 
Betracht. 
In positiver Richtung die Erhöhung der 
  
Zolleinnahmen, welche der Verkehr mit einer 
Bahn bringt. Die Ugandabahn hat veranlaßt, 
daß die Zolleinnahmen der drei deutschen Zoll- 
stationen am Viktoria-Nyansa von nahezu Null 
in wenigen Jahren auf annähernd 350 000 Mk. 
gestiegen sind, und dabei bildet das Hinterland 
dieser drei Häfen doch nur einen geringen Teil 
des Gebietes, welches die Bahn befruchtet. Dann 
aber wird durch die Exportmöglichkeit die Pro- 
duktion der Eingeborenen gehoben, und es steigen 
dadurch die Einnahmen aus den indirekten 
Steuern, wo solche bestehen, oder es wird er- 
möglicht, die Erhebung direkter Steuern, wie der 
Hüttensteuer, die in der Kapkolonie und in 
Transvaal durchgeführt ist und etwa 10 Mk. pro 
Hütte ergibt. Um welche Summe es sich dabei 
handelt, kann man erkennen, wenn man nur 
annimmt, daß auf 20 Einwohner eine Hütte 
käme, d. h. es würden in den Kolonien bei 
12½ Millionen Einwohnern 625 000 Stener- 
objekte mit einer Einnahme von 6¼ Millionen 
Mark entstehen. Gegenwärtig ist eine solche Er- 
hebung in gerechter Weise durchzuführen aber 
schwierig, weil sie an dem Widerstand der Ein- 
geborenen, den man mangels der notwendigen 
Verkehrswege auf das änßerste vermeiden muß, 
scheitern würde. Dann aber ziehen Eisenbahnen 
Kapital ins Land, und auch die Plantagen-Ge- 
sellschaft wird direkt und indirekt ein Steuerobjekt- 
Ein geradezu klassisches Beispiel für die indirekte 
Rentabilität, die ein Staat bei einer der Er- 
schließung seiner Gebiete dienenden Eisenbahn er- 
zielen kann, ist die anatolische Eisenbahn. Bis 
heute muß der türkische Staat trotz aufsteigender 
Verkehrsentwicklung dieser Bahn Garantiezuschüsse 
alljährlich bezahlen. Und trotzdem ist die Bahn 
nicht bloß für die Volkswirtschaft, sondern auch 
für die Finanzen der Türkei ein großer Vorteil. 
Die durchschnittliche Garanticzahlung hat von 
1901 bis 1905 1 217000 Franes betragen. 
Dafür ist aber der durchschnittliche Ertrag des 
Getreidezehnten in dem Verkehrsbereich der Bahn 
von 3 930 000 Francs vor der Betriebseröffnung 
in den letzten fünf Jahren auf 6 730 000 Francs 
gestiegen. Die Zunahme dieser einen Staatsein- 
nahme ist also doppelt so groß als die heute 
noch zu zahlende jährliche Garantiesumme. Mit 
all diesen Einnahmen kann ein Staat rechnen, 
ein Privatunternehmen nicht, und der Staat ist 
deshalb in der Lage, selbst bei sehr geringer 
Verzinsung des Anlagekapitals, ja selbst in Fällen, 
wo die Eisenbahneinnahmen die Ausgaben nicht 
sofort decken, doch mit einem Vorteil Eisenbahnen 
zu bauen, wo der Privatkapitalist absolut außer- 
stande ist, die notwendigen Gelder aufzubringen. 
Daneben kommen aber eine große Anzahl 
von indirekten Vorteilen, die den Staat veran-
	        
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