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Kolonial-Wirtschaftliches.
Der Tropenpflanzer, das Organ des Ko-
lonial-Wirtschaftlichen Komitees, enthält in seinem
Märzheft einen Reisebericht von Dr. F.R. Schlechter
über Ievca brasiliensis in Singapore, in dem die
neuesten Kultur= und Erntebereitungsmethoden
dieser wichtigen Kautschukpflanze besprochen werden,
während in einem Artikel von O. Oehlerking
(Hannover) der gegenwärtige Stand der sich schnell
ausdehnenden Kautschukkultur Deutsch-Ostafrikas
geschildert wird. Ein Artikel von Wollenburg
(Berlin) bespricht die Baumwollanbauversuche in
Britisch-Zentralafrika, während Zwingenberger
(Deutsch-Neu-Guinea) am Kakaobau die Wichtig-
keit der Vermehrung und weiteren Ausgestaltung
der Versuchsplantagen erweist. Das Gedeihen
der Trockenheit liebenden Agaven in sumpfigem
und salzigem Gelände gibt Dr. Vageler (Staß-
furt) Gelegenheit zu einer biologischen Betrachtung.
Außerdem bringt das Heft einen Bericht über die
Landwirtschaftliche Ausstellung in Togo und Aus-
züge aus den Jahresberichten kolonialer Gesell-
schaften.
Citeratur.
Professor Dr. C. Velton: Prosa und Poesie
der Snaheli, Berlin 1907. Im Selbstverlag
des Verfassers. Durch den Verfasser, Dorotheen=
straße 6, zu beziehen. Preis 7,50 Mk.“
Bei allen Kolonisationsversuchen, bei allen
Bestrebungen, eine Rasse durch eine andere zu
heben, handelt es sich in letzter Linie um völker-
bsychologische Probleme. Denn das zu koloni-
üerende Gebiet mag noch so fruchtbar, noch so
geeignet für Ansiedlungen sein, ohne intensive
Heranziehung und Nutzbarmachung der in den
ingeborenen liegenden Kräfte ist die Verpflan-
##g einer höheren Kultur auf sie nicht möglich.
Algemein wird deshalb bei Kolonisationen
als erstes Erfordernis eine genaue Kenntnis
der Aulagen und Fähigkeiten, der Sitten,
Gebräuche und Eigentümlichkeiten der fremden
¾ kultivierennen Rassen bezeichnet, um auf
urker Basis Mittel und Wege zu ihrer Fortent-
WMilung zu finden. Nur wenige Kolonialbeamte
paben aber vor ihrer praktischen Tätigkeit in den
ihr onien Zeit und Gelegenheit genug gehabt,
ihren Blick für ethnische Kulturprobleme so zu
schulen, daß sie sich lediglich aus dem, was ihnen
draußen ihr Auge übermittelt, genügendes Ver-
ständnis für alle auftauchenden Fragen verschaffen
können. Als Bevorzugte dürfen schon diejenigen
gelten, die sich die Eingeborenensprachen ihrer
erbeitsgebiete in dem Maße haben aneignen
* S. Anzeige in Nr. 4, S. 188.
können, daß sie sich auf Grund ihrer sprachlichen
Kennmisse ein Bild von der erreichten und er-
reichbaren Kulturhöhe eines Naturvolkes machen
und erfolgreich für dessen Fortentwicklung wirken
können. Dabei ist dieser Weg immer noch der
bei weitem einfachere. In der Theorie wird
auch allgemein der Grundsatz vertreten, jeder
Kolonialbeamte müsse deshalb die Eingeborenen-
sprache beherrschen. Der praktischen Verwirk-
lichung dieses Grundsatzes stehen aber erhebliche
Schwierigkeiten entgegen. Abgesehen davon, daß
es vielfach überhaupt noch an geeigneten Hilfs-
mitteln zur Erlernung der elementarsten Kennt-
nisse der Kolonialsprachen fehlt, übermitteln die
vorhandenen Lehrbücher vielfach nur das rein
Philologische der Sprachen, ohne den Lernenden
zugleich in ihren Geist, in ihren eigentlichen Ge-
halt einzuführen. Um so erfreulicher ist das neue
Veltensche Buch zu begrüßen. Schon in seiner
„Praktischen Snaheligrammatik“ (II. Aufl. 1905)
war der verdienstvolle Verfasser dazu übergegangen,
durch Einführung von Gesprächen, Gerichtsver-
handlungen usw. dem Suaheli Lernenden zugleich
Einblicke in die Psychologie, die Fähigkeiten und
Anlagen des Suaheli sprechenden Negers zu ge-
währen. Denn trotz der großen Mannigfaltigkeit
der in Deutsch-Ostafrika gesprochenen Idiome gibt
das Suaheli als die allgemeine Verkehrssprache
ein gutes Bild des inneren Lebens, des Fühlens
und Denkens jener Kindervölker. Als die Sprache
der gebildeteren Watu wa mrima im Gegensatz
äu den anderen Sprachen als denen der Washeni,
der „Wilden“ spiegelt sie die angenblickliche Höhe
der Eingeborenenkultur und Bildung am klarsten
wieder. In seinem neuesten Werk hat Prof. V. den
in seiner Grammatik nur angedeuteten Gedanken
weiter entwickelt und ihn dem Werke seiner ganzen
Anlage nach ausschließlich zugrunde gelegt. Auf
443 Seiten wird dem Snaheli Lernenden, für
den das Buch in erster Linie bestimmt ist, eine
reiche Auswahl von Erzählungen, Gesprächen,
geschichtlichen Berichten aus früheren Zeiten und
aus der Gegenwart, von Sprichwörtern, Rätseln,
Gedichten, Liedern usw. der Snaheli geboten.
Freilich wird auch derjenige, der das Suaheli
grammatikalisch korrekt spricht, auf manche sprach-
liche Schwierigkeit stoßen. Der gesamte Inhalt
des Buches ist von dem Verfasser so wieder-
gegeben, wie er ihn von seinen Gewährsmännern
gesammelt hat, die, aus allen Hauptorten der ost-
afrikanischen Küste stammend, in ihrer Ausdrucks-
weise die Eigentümlichkeiten ihrer Beczirke nicht
verleugnet haben. Gerade hierdurch wird dem
Studierenden aber Gelegenheit geboten, die Psycho-
logie, den inneren Bau dieser Sprache sowie die
Variationslust der Eingeborenen kennen zu lernen,
die manche interessante Schlußfolgerung auf deren