Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Deutsch-Ostafrika. 
Tsetse-Immunisierungsversuche in Deutsch-Ostafriha. 
Von Dr. Pansce, 
Stabsarzt in der Kaiserlichen Schutztruppe. 
Daressalam, Dezember 1906. 
Von Januar bis Mai 1903 hatte ich mit 
gütiger Erlaubnis des Herrn Geheimrat R. Koch 
an den in seinem Auftrag von Marincoberstabs- 
arzt Martini im Kgl. Institut für Infektions- 
krankheiten in Berlin ausgeführten Tsetse-Immnni-= 
sierungsversuchen teilgenommen. Danach beauf- 
tragte mich das Kaiserliche Gonvernement mit 
der Vornahme derartiger Versuche im Schutz- 
gebiet. 
Schwierigkeiten entstanden alsbald aus der 
Frage, wo solche Arbeiten, bei denen in erster 
Linie künstliche Infektion in Betracht kam, unter 
den hiesigen Verhältnissen ausgeführt werden 
könnten. Klare Ergebnisse waren nur dann zu 
erwarten, wenn eine vorangegangene oder wäh- 
rend der Arbeiten erfolgende unbeabsichtigte 
Ansteckung der Versuchstiere mit der Krankheit, 
die den Gegenstand der Versuche bilden sollte, 
ausgeschlossen war. Also mußte der Arbeitsplatz 
selbst tsetsefrei sein und die Versuchstiere durften 
weder aus einer Tsetsegegend stammen noch eine 
solche vor ihrer Verwendung passiert haben. 
Praktische Gründe erforderten: jederzeit ge- 
sicherten Bezug der Versuchstiere in ausreichender 
Zahl und zu mäßigem Preis, das Vorhandensein 
eines Tsetseherdes in der Nähe eines tsetsefreien 
Arbeitsplatzes zur Beschaffung des Infektions- 
stoffes und zur Exposition vorbehandelter Tiere, 
und endlich die Vermeidung von Störungen durch 
andere Infektionskrankheiten. In dieser Hinsicht 
kam damals nur Texasfieber in Betracht, das an 
der Küste seit Jahren bekannt, im Innern erst 
an einzelnen Stellen nachgewiesen war. 
Diesen Anforderungen entsprach Kilwa, das 
vom Gouvernement für die Versuche ausersehen 
war, nur insofern, als der Ort mit der aller- 
nächsten Umgebung tsetsefrei ist, sein Hinterland 
als tsetseverseucht bekannt war und durch meine 
Untersuchungen auch auf den vorgelagerten leicht 
erreichbaren Inseln Kilwa Kisiwani und Ssongo 
Manara Tsetse nachgewiesen wurde. Aber an 
Vieh fehlte es. Man konnte daran denken, die 
Rinder von den zu Kilwa gehörigen ziemlich 
viehreichen Mafia-Inseln zu beziehen. Aber das 
hätte jedesmal einen umständlichen und kost- 
spieligen Seetransport erfordert. Aus dem 
Inneren kann Vieh nicht nach Kilwa gelangen, 
ohne Tsetsegegenden zu passieren; außerdem hätte 
man dabei noch mit Störungen durch Texasfieber 
rechnen müssen. Mein Plan war daher, nach- 
dem Kilwa einmal bestimmt war, in diesem Be- 
  
zirke über die Tsetsezone hinauszugehen und dort 
Vieh aus dem Inneren zu den Versuchen zu be- 
nutzen; die immunisierten Rinder mußten dann 
vor ihrer Verwendung im Küstengebiet wahr- 
scheinlich noch der schon bekannten Immunisierung 
gegen Texasfieber unterzogen werden. Mittel 
für eine größere Expedition waren noch nicht 
disponibel, es konnten zunächst also nur Vor- 
arbeiten in und bei Kilwa vorgenommen werden. 
Da gingen mir, im Anugust 1903, die ersten Be- 
richte R. Kochs aus Rhodesia zu. Sie brachten 
die Feststellung, daß die auch bei unserem Küsten- 
vieh häufigen kleinen ring= und stäbchenförmigen 
Parasiten nicht zum Texasfieber in Beziehung 
stehen, wie bis dahin angenommen worden war, 
sondern die Erreger einer besonderen Art der 
Rinderpiroplasmose darstellen, die ihr Entdecker 
„Afrikanisches Küstenfieber" nannte. Danach 
hätten also Rinder aus dem Innern vor ihrer 
Verwendung an der Küste eventuell gegen drei 
verschiedene Krankheiten immunisiert werden 
müssen und das erschien derartig kompliziert und 
gewagt, daß ich für die Tsetseversuche doch auf 
Küstenvieh zurückgreifen zu müssen glaubte. Als 
einigermaßen viehreich konnte nur Mafia in Be- 
tracht kommen, bei dessen Rindern natürliche 
Immunität gegen Texas= und Küstenfieber anzu- 
nehmen war. Meine im September 1903 dort 
ausgeführten Untersuchungen erbrachten nun zwar 
die Bestätigung dieser Voraussetzung zugleich aber 
den überraschenden Nachweis, daß auf den Mafia- 
Inseln nicht nur das bis dahin in Ostafrika un- 
bekannte Trypanosoma Theileri, sondern auch das 
echte Tsetsetrypanosoma (Tryp. Brucei) vor- 
kommt. Danach war auch diese Inselgruppe 
nicht mehr als geeigneter Arbeitsplatz oder ein- 
wandsfreie Viehbezugsquelle zu betrachten. Gerade 
in dieser Zeit konnte ich zufällig feststellen, daß 
aus Tabora und Uhehe in Kilwa eingetroffene 
Rinder die ring= und stäbchenförmigen Parasiten 
in geringer Zahl im Blute aufwiesen, ohne bei 
längerer Beobachtung Krankheitserscheinungen zu 
zeigen, und daraus schließen, daß Küstenfieber 
auch im Inneren enzootisch vorkomme. Meine 
Vermutung wurde bestärkt durch ähnliche im 
Laboratorium Daressalam gemachte Beobachtun- 
gen, von denen das Gouvernement auf meinen 
Bericht hin mir Keuntnis gab. Damit fiel das 
Hauptbedenken gegen die Verwendung von Vieh 
aus dem Inneren weg, und der ursprüngliche 
Plan konnte wieder aufgenommen werden. Er 
wurde im Dezember 1903 durch den Herrn 
Gonverneur genehmigt, der mir die Wahl eines 
Arbeitsplatzes im Kilwa= oder Ssongea-Bezirk 
freistellte, und seine Ausführung durch die in- 
zwischen durch das Kolonialwirtschaftliche Komitee 
dankenswerter Weise erfolgte lberweisung eines
	        
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