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Die Waren wurden vorschußweise verausgabt
(Trustsystem). Sie bestanden sowohl bei der Ge-
sellschaft Süd-Kamerun als auch bei den Batau-
gafirmen der Hauptsache nach in Pulver und
Gewehren. '
Die Artikel wurden stark entwertet, da sie weit
über den Bedarf der Eingeborenen eingeführt
wurden.
Diese konnten oder wollten die Gegenwerte nicht
liefern, waren aber durch das in unsinniger
Menge eingeführte Kriegsmaterial in Stand ge—
setzt, sich ihrer Gläubiger mit Gewalt zu ent—
ledigen.
Eine Kontrolle dieses Handels oder ein Schutz
durch die Regierung war nicht möglich, da die
Händler mit Vorliebe diejenigen Gebiete auf—
suchten, welche weder unterworfen, noch in Ver-
waltung genommen waren, eben um sich der
lästigen Kontrolle durch die Verwaltung zu ent-
ziehen und in der Hoffnung, in jenen unberührten
Gebieten die ersten Schatzgräber zu sein.
Dazu kam die Verpflegungsfrage. Hunderte
von Händlern und Trägern lagen wochen-, ja
monatelang auf den Hauptkarawanenstraßen, in
den Dörfern, stahlen in den Farmen, ver-
gewaltigten die Weiber usw. Das verhältnis-
mäßig noch wenig bebaute und auf einen der-
artigen Durchgangsverkehr nicht eingerichtete Land
war nicht imstande, derartige Menschenmengen zu
verpflegen. Die Eingeborenen verlangten daher
für die Lebensmittel naturgemäß hohe Preise,
worüber es zu fortgesetzten Differenzen mit den
Händlern kam.
Das herrische Auftreten der weißen Kaufleute,
die beliebte Manier, in entlegenen Gegenden den
„governor“ zu spielen, war keineswegs dazu an-
getan, das Einvernehmen mit den noch gänzlich
rohen, unkultivierten und kriegerischen Kannibalen=
stämmen zu fördern.
Dazu kam schließlich, daß die militärische
Besatzung des ausgedehnten Gebietes unzureichend
war. Vor allem fehlte es der Verwaltung an
weißem Personal.
Alle diese Momente mußten zum Aufstande
führen.
Hauptmann Scheunemann war Ende März1905
kaum von seiner Reis kad nach
Lomie zurückgekehrt, als ihn Meldungen über die
Vorgänge an der deutsch-französischen Grenze
zu sofortigem energischen Einschreiten an die Süd-
grenze riefen, wo ihn der Streit um die Be-
setzung von Missum-Missum bis Mai zurückhielt.
Inzwischen war seitens der Gesellschaft Süd-
Kamerun im Oktober 1904 unter Führung ihres
tatkräftigen Direktors Grafen v. Schlippenbach
eine Handelsexpedition von Kribi an den Njong
in Marsch gesetzt, um einen Dampfer oberhalb
der Tappenbeck-Schnellen ins Wasser zu bringen
und von dort die Erkundung der Schiffbarkeit des
Njong stromaufwärts vorzunehmen.
Fast gleichzeitig folgte auf Befehl des Gou-
vernements unter Führung des Hauptmanns
Freiherrn v. Stein eine militärische Expedition
Niong aufwärts, mit der Weisung, das Unter-
nehmen der Gesellschaft Süd-Kamernn nach Mög-
lichkeit zu unterstützen.
Nun scheint Graf v. Schlippenbach das Vor-
gehen der Regierung in jene völlig unberührten
Gebiete nicht haben abwarten zu können; er ist
vermutlich, veranlaßt durch das uUnauphaltsamc,
gleichzeitige Vordringen der Konkurrenzfirmen
(der Konkurrenzkampf stand damals in höchster
Blüte), von dem sehr erklärlichen Wunsche beseelt
gewesen, als erster mit seinem Dampfer das
Ende der Schiffbarkeit am oberen Njong zu er-
reichen, seine Handelsniederlassungen in Njem und
Ndsimu mit den in großer Menge auf dem
billigen Wasserwege heraufgeschafften Waren zu
versorgen und so die Konkurrenz aus dem Felde
zu schlagen.
Seine Expedition stieß indessen bereits Ende
Dezember 1904 kurz oberhalb der Einmündung
des Longmapfog auf Schwierigkeiten infolge der
Haltung der Eingeborenen. Graf v. Schlippen-
bach schrieb am 24. Dezember 1904 an Haupt-
mann Scheunemann:
„Njong-Depot Longmapfog. Euer Hoch-
wohlgeboren erlaubt sich die unterzeichnete Ge-
sellschaft sehr ergebenst mitzuteilen, daß wir
vorläufig am Longmapfog, dem linken Neben-
flusse des Njong, ein Depot errichtet haben,
von welchem aus wir die nördliche Hälfte
unseres Konzessionsgebietes bearbeiten wollen.
Das Depot ist mit der Janndestraße am Orte
Onanabesse am Njong durch Dampfer „Gon-
verneur v. Puttkamer“ verbunden.
Was nun unsere Verbindungen von hier
nach unseren Faktoreien anbelangt, so haben
wir einen guten Weg über Wollo-Batschongo
nach Bakinekoe.
So gut nun aber unsere Verbindungen
von hier nach Süden zu sein scheinen, so
schlecht und traurig sieht es mit unserer Ver-
bindung nach Osten und Nordosten aus.
Diese Verbindungen werden jedoch in nächster
Zeit für uns die wichtigsten werden.
Wir konnten die Schiffbarkeit des Njong
nicht bis zum Ende ausnutzen, da wir in
Bidule-Bindna bei den Eingeborenen auf kein
Entgegenkommen stießen, und wir mußten
bis zum Longmapfog zurückgehen. Diese Leute
leben mit den Makka, besonders mit dem
Makka-Unterstamm Akkoi, welche zwischen dem
Jebekolle-Unterstamm Bidule-Bindna und dem