Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

W 451 20 
tizen zu fertigen und damit Material zu liefern 
nicht nur für die Geschichte der Landwirtschaft, 
sondern für die Kulturgeschichte des Menschen- 
geschlechts überhaupt. 
Mit dem Vordringen der Kultur werden die 
von ungezählten Generationen auf empirischer 
Grundlage allmählich entwickelten, oft so un- 
endlich primitiven und dabei doch so sinnreichen 
Methoden und Gebräuche durch neueingeführte, 
fremdartige ersetzt, und schon die nächste Genera- 
tion wird ein gänzlich verändertes Bild vor- 
finden. 
Nach meinen Erfahrungen geht die Sorghum- 
kultur in Ostafrika über 1500 m Meereshöhe 
nicht hinauf. Die ertragreichen Formen dürften 
sogar kaum über 1300 m noch freudig gedeihen. 
Die Negerhirse ist keineswegs, wie häufig an- 
genommen wird, eine „harte“ Pflanze; sie steht 
darin in schroffem Gegensatz zum Mais, der in 
den Tropenländern von der Küste des Ozeans 
bis zu Höhen von 3500 m angebaut wird und 
der in Kanada und Patagonien noch in Gebieten 
gedeiht, die nahezu an der Grenze des Obstbaus 
liegen. Diese von keiner Kulturpflanze der heißen 
Zone erreichte Anpassungsfähigkeit fehlt der Hirse. 
Geringere Ansprüche als an Temperatur und 
Niederschlagsmengen stellt sie sicherlich an den 
Boden und hierin mag sie dem Mais überlegen 
sein. Einige Formen fand ich noch auf recht 
dürftigen Sandböden im Küstenlande reichfrüchtig 
gedeihen; nur auf der spärlichen Lehmkrume über 
dem Korallenkalk der Inseln, z. B. auf Kwale, 
endet begreiflicherweise auch ihre Rentabilität. 
Im übrigen liefert die Hirse reiche Erträge auf allen 
für die Getreidekultur überhaupt geeigneten Böden 
des Landes von der Meeresküste bis zur oben 
bezeichneten Höhenzone. Bei Lindi sah ich 10 m 
oberhalb der Flutgrenze unmittelbar am Strande 
ausgezeichnete Felder. Dabei ist aber zu berück- 
sichtigen, daß die Ansprüche der einzelnen Kultur- 
jormen unseres Getreides sehr verschieden sind, 
da sich die Hauptvarictäten jedenfalls den klima- 
tischen und Bodenverhältnissen ihrer Anbau- 
gebiete im Laufe einer viele Jahrhunderte wäh- 
renden Kultur allmählich angepaßt haben. So 
würden sich die Küstenvarietäten und die Formen 
von Ugogo und Unyamwesi kaum willkürlich mit- 
cinander vertauschen lassen, ohne wenigstens an- 
fänglich an Erträgen einzubüßen. 
Die Vegetationsdauer der afrrikanischen 
Sorghumformen schwankt zwischen vier und neun 
Monaten; soweit ich ermitteln konnte, reift die 
Zuckerhirse durchschnittlich schneller als die Korn- 
birse. 
Daß in Deutsch-Ostafrika zweimal im Jahr 
Sorghum geerntet wird, wie es Emin Pascha 
  
  
aus Latuka berichtet, wo eine vier= und eine 
siebenmonatige Form hintereinander gebautwerden, 
ist mir nicht bekannt geworden. 
Die Sorghumkultur steht, wie die ge- 
samte Landwirtschaft des tropischen Afri- 
kas, unter dem Zeichen des Hackfeldbaus, 
und in diesem Worte allein spricht sich ihre 
ganze Rückständigkeit gegenüber dem indischen 
Ackerbau aus. Wenn man die kleine, schmale 
ostafrikanische Hacke betrachtet, muß man aller- 
dings immer von nenem darüber stannen, 
was alles mit diesem kümmerlichen Instrument 
dem Boden abgerungen wird; Völker aber, die 
mit einem solchen Handwerkszeng selbst für den 
Export ansehnliche Werte zu schaffen imstande 
sind, müssen auch die Fähigkeit besitzen, mit neuen 
besseren Methoden ihre Produktion erheblich zu 
vermehren. 
Die Einführung des Pfluges ist längst 
als das dringendste Postulat für die 
Hebung der afrikanischen Kulturen an- 
erkannt, und man sollte nicht mehr zögern, den 
landwirtschaftlich hochentwickelten Bölkern des 
Innern den Pflug in die Hand zu geben! Der 
Zeitpunkt dafür ist gekommen, und es ist nicht 
zu zweifeln, daß in den Hauptproduktionsgebieten 
die Unterweisung in der Pflugkultur von den 
allerbesten Erfolgen begleitet sein wird. Ich 
zähle es zu den wertvollsten zukünftigen 
Segunungen der vom Kolonial-Wirtschaft- 
lichen Komitee ins Leben gerufenen Baum- 
woll-Unternehmungen, daß hierdurch die 
Frage der Pfilugkultur in unseren Kolo- 
nien ungleich schneller zur Lösung gelangen 
wird, als es unter anderen Umständen der 
Fall gewesen wärec. 
Der Termin der Aussaat wird wohl all- 
gemein in Ostafrika durch den Eintritt der „großen“ 
Regenzeit bestimmt. 
Von Drillen der Saat ist natürlich noch 
nicht die Rede: die Körner werden mit der Hand 
in die vorher bereiteten Löcher gelegt. Hier 
stoßen wir auf den zweiten Mangel des afri- 
kanischen Ackerbaus. Einfache, leichte und billige 
Drillapparate für den Handgebrauch oder 
für Gespanne ausfindig zu machen, kann nicht 
schwer fallen und ihre Einführung sollte 
Hand in Hand gehen mit der Einführung 
des Pfluges. Das fordert schon die Okonomie 
der Arbeitskräfte, ein Moment, das bei der 
Erschließung Afrikas täglich mehr als Leitmotiv 
zur Geltung kommen sollte. Wo z. B. die Arbeit 
der Weiber bei der Bestellung des Feldes nicht 
ausreicht, sind heute und zukünftig in noch höherem 
Grade die männlichen Glieder der Familie ge- 
zwungen mitzuhelfen, da der Bestand an Sklaven 
sich von Jahr zu Jahr erheblich verringert. In
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.