b666 ꝛ
zahlreiche Menschenknochen und acht Schädel,
ferner ein fremdes, der Bauart nach von den
Philippinen stammendes Kanu, das vor Monaten
hier angetrieben sein soll.
Am nächsten Tage, dem 21. November, be-
fanden wir uns vor Pulo-Merir, wohin uns
mehr die starke Strömung als die Segel und
die Maschine getragen hatten. Das gleiche Bild
schrecklicher Verwüstung! Hier muß das Meer
die ganze Insel mit Ausnahme einiger höher
gelegenen Punkte überflutet haben; noch jetzt ist
mitten im Lande eine Salzwasserlagune zurück-
geblieben. Merir muß nach meiner Schätzung
doppelt so groß wie Pulo-Anna sein. Wir fanden
dort 20 Frauen und 7 Männer, die wir alsbald
an Bord nahmen. Zwischen den schlechten, un-
reinlichen Hütten befand sich ein größeres Ge-
bäude in besserem Zustande, mit gutem Dach auf
stattlichen Calophyllumpfeilern. Am Mittelpfeiler
war ein eigentümliches Gerät angebracht. Auf
dem Boden unter dem Gerät lagen einige Korallen=
steine. Das Gebände war das Versammlungs-
haus, die erwähnte Vorrichtung diente Kultus-
zwecken, die Steine sollen vom Himmel gefallen
sein. Von unseren neuen Mitreisenden erfuhr ich
dann folgendes: Jener Taifun begann bei Sonnen-
untergang mit Nordsturm, der über Osten sich
nach Süden drehte. Das Meer überschwemmte
die Insel von Osten her, erreichte aber nicht das
Dorf, weil es etwa 10 m über dem Meeres-
spiegel liegt. Vor dem Ereignis sollen etwa
200 Menschen hier gewohnt haben. Im Taifun
kam niemand um, aber nachher entstand Hungers-
not. Viele Leute starben; einige, die sich an
fremden Nahrungsmitteln vergriffen, wurden ge-
tötet, auch soll durch den reichlichen Genuß von
Landkrebsen eine Seuche aufgetreten sein und
viele, besonders Kinder, hingerafft haben. Sechs
Monate nach dem Sturm verließen neue Boote
mit insgesamt 50 Menschen Merir und segelten
nach Sonsol. Es kamen dort nur fünf Boote
mit 34 Insassen an. Ein Zauberer hat im Zorn
den Sturm verursacht.
Auch die Leute aus Pulo-Anna, die wir in
Sonsol getroffen, waren erst sechs Monate nach
dem Taifun dahin abgesegelt; sie wußten also,
daß noch Menschen auf ihrer Insel waren. Ihr
Schweigen erklärt sich vielleicht durch die Be-
fürchtung, die an der erwähnten Tötung von
Leidensgefährten auf Pulo-Anna und Merir Be-
teiligten könnten bestraft werden. Ich hielt es
natürlich in Anbetracht der Umstände, unter denen
diese Tötungen stattfanden, der furchtbaren Not-
lage dieser armen Menschen, die ihre Nahrung
verteidigten, um sich selbst vor dem Hungertode
zu retten, nicht für angezeigt, strafend vor-
zugehen.
Unter den Merirleuten befand sich gleichfalls
nur ein Kind, das noch nicht laufen konnte. Die
Frauen gestanden mir schließlich auf meine Fragen
nach ihren kleinen Kindern, daß sie mit dem
Absud von Pandanuswurzeln ihre Leibesfrucht
abtrieben; so geschehe es in Sonsol, Merir und
Pulo-Anna. Auch die Tötung bereits geborener
Kinder soll hier, wie mir die von Yap zurück-
kehrenden Frauen sagten, vielfach vorkommen.
So würde sich das auffallende Mißverhältnis
zwischen Männern und Weibern als gewollt und
absichtlich herbeigeführt erklären. Ich entgegnete
den Weibern, daß sie nun samt den Ihrigen mit
nach Palau, Yap oder Saipan genommen würden,
wo sie Land und alles zum Leben Nötige hätten;
aber ich erwartete von ihnen, daß sie jene ver-
brecherischen Handlungen künftig unterließen.
Leider stellte später die ärztliche Untersuchung bei
mehreren Frauen von Sonsol, Pulo-Anna und
Merir Krankheiten fest, die wohl auch an dem
Kindermangel schuld sein mochten.
Nach Merir versuchten wir vergeblich, Tobi
zu erreichen. Das Petrolenum war zu Ende und
ein Rest von Gasolin mußte für alle Fälle auf-
gespart werden. Dazu kam eine Strömung, die
uns immer weiter von unserem Ziele ab nach
Osten trieb. Zehn Tage lang versuchte der
Kapitän dagegen anzukämpfen, bis wir uns
schließlich zur Umkehr direkt nach Yap genötigt
sahen.
Wir begegneten riesigen Schwärmen von Wal-
sischen und Tümmlern; mehrere Haie und viele
kleine und größere Fische wurden gefangen.
Schließlich liefen wir am 10. Dezember, also
20 Tage nach der Abfahrt von Merir, mit dem
letzten Rest von Gasolin in den Hafen von
Tomil ein unter schweren Sorgen um das
Schicksal der armen Bewohner von Pulo-Anna,
die vielleicht in der sicheren Erwartung unserer
Rückkehr ihre letzten Lebensmittel verzehrten,
und um das Schicksal der Eingeborenen von
Tobi, die nach dem Verlauf jenes Taifuns ver-
mutlich ebenfalls von ihm heimgesucht worden
waren.
Da traf am 12. Dezember unvermutet der
Gouvernementsdampfer „Seestern“ mit dem stell-
vertretenden Gouverneur in Yap ein. Nach
meiner Schilderung waren er und der Kapitän
Möller sogleich bereit, die Reise nach dem Süden
anzutreten. Am 14. Dezember dampften wir mit
den von Merir mitgebrachten Leuten ab, landeten
diese am 15. in Palan, wo sie angesiedelt werden
sollen, liefen am 16. Sonsol und Pulo-Anna an
und nahmen von jener Insel 59 Leute, von
dieser alle zurückgebliebenen 43 mit und trafen
am 17. vor Tobi ein. .
Auch Tobi ist eine Riffinsel, bestehend aus