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land: unglücklicherweise befindet sich hier ein
70 bis 100 Kilometer breiter Landstreifen, der
es verhindert, daß man von der Küste in das
Land hineinkommen kann, infolgedessen konnte
der Weg dahin nur zurückgelegt werden entweder
vom Süden aus durch das Kapland über den
Oranjefluß oder — nach den 50er Jahren —
von der Walfischbai aus, vom Norden her, durch
das Tal des Swakop über Otjimbingne und
Windhuk. Der Weg von der Lüderitzbucht aus
ist eine Sandwüste, der nur mit Gefahr des
Verlustes des Zugviehs und des Verdurstens der
Reisenden betreten werden kann. Die ersten
wissenschaftlichen Reisenden, auch die ersten
Missionare aus London und von der Rheinischen
Mission — zu den letzteren gehörte auch mein
seliger Vater — sind vom Süden her hinein-
gekommen. Später fuhren die Missionare und
Händler vielfach vom Kaplande herauf nach
Walfischbai und traten vom Norden her in das
Land hinein.
Das ist die einzige Ursache, weshalb das
Land so zurückgeblieben ist. Es ist geradezu
eine Ironie des Schicksals, daß an dieser Küste,
von der man nicht in das Land hineinkommen
kann, einer der besten Häfen Südafrikas
sich besindet, die Lüderitzbucht. Aber der breite
Sandgürtel macht es eben unmöglich, in das
Land hineinzukommen, und ohne glatte Ver-
bindung mit der Küste, ohne eine leichte Ver-
bindung mit der Außenwelt ist in den über-
seeischen Gebieten eine Kolonie absolut ent-
wicklungsunfähig; wenn nicht eine Verbindung
zur See besteht, ist mit dem Lande nichts an-
zufangen; ohne eine solche Verbindung wird das
Namaland bleiben, was es ist, ein von Ansiedlern
gemiedenes Land, aus welchem aber dasselbe
gemacht werden könnte, was im Kapland aus
der Karoo gemacht worden ist.
Der mittlere Teil von Südwestafrika, das
Hereroland, ist vom Namaland durchaus ver-
schieden; dort gibt es Graswuchs, und es wachsen
dort auch sehr viele Bäume, daher ist es be-
sonders für die Viehzucht geeignet. Ich weise
hierfür auf das hin, was in den Berichten
der englischen Kommissare sich findet über den
Viehreichtum des Landes, und möchte nur einige
wenige Angaben machen aus meinen eigenen
Erfahrungen.
Bis vor 25 Jahren wurde regelmäßig das
Vieh nach dem Süden von Kapland gebracht
über Groß-Namaland. Dort wurden in der Nähe
von Kapstadt regelmäßig Auktionen des Damara=
landviehes abgehalten. Der Bauer kaufte das
Vieh und trieb es einige Monate auf die Weide,
und dann wurde es als Schlachtvieh in den
Städten und Dörfern des Kaplandes verkauft.
Afrikaner,
*
Bis zu der Zeit, als der Bau der Eisenbahn
nach dem Freistaate zu ausgeführt wurde, kam
viel Vieh von dort her nach dem Kaplande,
weniger von Damaraland, weil dort der Jonker
der räuberische Häuptling der Hotten-
totten, es unmöglich machte, daß die Zufuhr sich
regelmäßig vollziehen konnte. Zu jener Zeit ging
das Vieh nicht mehr nach dem Süden, sondern
nach Transvaal. Es gab eine ganze Menge
Händler, welche das Vieh aufkauften, es hinüber-
trieben nach Trausvaal, und dort wurde es ver-
kauft. Viele haben häufig diesen Rundgang ge-
macht. Der Herr Gouverneur v. Lindegquist
wird sich besonders des Herrn Schmerenbeck in
Windhuk erinnern, der dort noch heute wohnt.
Ich habe ihn öfter getroffen, und er hat mir
über die Verhältnisse in den durchreisten Ländern
sehr wertvolle Aufschlüsse gegeben. Vor etwa
vier Jahren habe ich dann in Windhuk einen
Herrn Riesle aus dem Betschnanalande getroffen.
Dieser hatte 500 Ochsen gekauft und ließ sie
hinübertreiben nach Mafeking in dem Betschuana-
lande. Die Sache hat auf mich einen großen
Eindruck gemacht. Am Kap haben wir auch
eine Fleischnot, und zwar viel bitterer, als wie
sie augenblicklich in Deutschland nach den An-
gaben der Zeitungen bestehen soll. Unsere Fleisch=
not besteht darin, daß wir jetzt 80 bis 100 Pro-
zent mehr für gefrorenes Fleisch zahlen müssen.
Durch den Burenkrieg ist der Viehbestand in der
Kolonie ungeheuer reduziert worden. Nach meiner
Rückkehr traf ich den Direktor einer großen Fleisch-
versorgungsgesellschaft, der mir sagte, daß damals
monatlich ins Kapland an gefrorenem Fleisch
eingeführt wurden: 70 000 Schafe und 8000
Ochsen, wofür ein hoher Preis gezahlt wurde.
Ich machte darauf aufmerksam, daß es wohl der
Mühe wert wäre, zu sehen, ob es nicht möglich
sei, den früheren Viehhandel von Damaraland
nach dem Kapland wieder ins Leben zu rufen.
Ich veranlaßte ihn, einen Vertreter nach Deutsch-
Südwestafrika zu schicken, um das Land auszu-
kundschaften, wie es dort mit dem Viehbestande
bestellt sei. Dieser Vertreter kam nach 3 bis
4 Monaten zurück und berichtete, daß die Menge
von Vieh nach der großen Rinderpest noch nicht
derart sei, daß man daran denken könnte, so
große Massen wieder nach Kapstadt zu bringen,
wie es früher der Fall war. Zudem glaubte
er, daß Leben und Eigentum nicht so sicher sei,
um größere Anlagen zu machen. Ich bin aber
der festen Uberzeugung, sobald wieder die Vieh-
zucht auf der Höhe steht wie früher, dann brauchen
wir nicht Sorge zu tragen, wohin das Vieh ver-
kauft werden kann; an Käufern wird es aufs
allen Seiten genug geben, die werden aus ganz
Südafrika nach Damaraland kommen.