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hatte warten können. Ich gedenke übermorgen
wieder nach Süden aufzubrechen, bei Nakudukudu
die Insel zu durchqueren und hoffe Professor
Sapper in Ssüratil zu treffen.
Heute war ich am Grabe von Stabsarzt
Dr. Stephan, das mitten im Urwalde, etwa
3¾ km von der Station entfernt, etwas links vom
Wege liegt, der quer über die Insel zum Maria-
num führt. Es ist gut gehalten und zeigt, wie
erschreckend schnell die Natur in den Tropen
arbeitet — zur Entwicklung wie zur Vernichtung.
Das Grab, das nicht viel mehr als zwei Monate
alt ist, sieht aus wie ein altes Grab. Die Ge-
wächse und Zierpflanzen stehen hoch, die Inschrift
auf dem einfachen Kreuz fängt an zu verblassen
und die Ameisen werden mit seinem Holz bald
fertig sein. Hier nimmt man an, daß Dr. Stephan
am Schwarzwasserfieber gestorben, das im Archipel
leider keine vereinzelte Erscheinung mehr ist.
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Im Anschluß an die vorstehenden Mitteilungen
Dr. Friedericis ist noch der folgende, vom
9. September d. Is. datierte Schlußbericht Pro-
fessor Sappers eingetroffen:
Am 4. d. Mts. verließ ich Herbertshöhe, um
die Heimreise anzutreten. Ich habe von Bord
des „Seestern“ Anfang August mitgeteilt, daß ich
Anir und Lir kurz besuchte und in Namatanai
war, um mit Dr. Friederici zusammenzutreffen.
Inzwischen hat derselbe selbst mitgeteilt, daß er
mich dort verfehlte (siehe oben). Er ist deshalb
bald darauf über Nakudukudu und Saevalil nach
Watpi und Lamassa gereist, um dort Sprachauf-
nahmen zu machen. Von dort aus soll er durch
den Dampfer „Sumatra“ Anfang September ab-
geholt werden, der ihn nach Bougainville führen
wird.
Ich selbst war am 4. August mit Polizeimeister
Adelmann, 7 Soldaten und 16 Trägern in
Dacheron an der Ostküste Süd-Neu-Mecklen-
burgs an Land gesetzt worden und ging alsbald
den Tamulfluß aufwärts, wo bald ein großer
Kohlenblock gefunden wurde. Von diesem nahmen
wir einige Säcke voll Proben mit und sandten
sie mit dem „Seestern“ nach Herbertshöhe, damit
in Berlin später eine eingehende Untersuchung
der Kohlen vorgenommen werden kann. Hierauf
zogen wir einige Kilometer flußaufwärts, dann
nach dem benachbarten Timaifluß hinüber, um
ihm bis zur Mündung zu folgen. Obgleich ich
neben kleineren Bänkchen sowohl am Tamul wie
am Timai je ein Flöz von 2 m Mächtigkeit fand,
glaube ich doch nicht, daß eine wirtschaftliche
Verwertung der Kohle möglich sein wird. Die
genannten, in nächster Nachbarschaft des Flusses
befindlichen Flöze fallen sehr steil ein und die
Flüsse sind wasserreich, so daß man des Wassers
bei versuchtem Abbau wohl nicht Herr werden
könnte. Dazu kommt, daß das ganze tonige
Gebirge infolge des sehr reichlichen Regenfalls
völlig durchweicht und fließend ist, also ein
Bergbau auch aus diesem Grunde ausgeschlossen
sein dürfte.
Von Dacheron wandten wir uns südwärts
der Küste entlang, um den Weg von Siar nach
Lamassa zu gehen, der quer über die Insel führen
sollte. Es stellte sich aber in Siar heraus, daß
ein solcher Weg nicht besteht noch bestand, und
so mußten wir denn der Küste entlang nach
Süden weitergehen und bei Likkolikki den äußersten
Vorsprung der Insel durchqueren, wobei ungemein
schlechte Wege passiert wurden. Nach den Inseln
Lambom und Lamassa mußten wir in Ausleger-
Kanus übersetzen, da längs der Küste kein Pfad
besteht; dann ging's wieder zu Fuß die Küste
entlang nordwärts bis Kait, von wo ein Weg
ins Innere führen sollte. Nach längerem Suchen
entdeckten wir auch diesen Weg; er war aber seit
langer Zeit nicht mehr begangen und führte nur
an alten verlassenen Pflanzungen vorbei; die Be-
völkerung war in den letzten Jahren infolge
Dysenterie ausgestorben. Kümmerliche Reste
hatten sich nach der Küste gerettet.
Schwere Regengüsse und starkes Hochwasser
nötigten uns schon am zweiten Tage zur Heim-
kehr, die dadurch erschwert wurde, daß der Fluß
nicht mehr passiert werden konnte, wir also strecken-
weise, da der Weg öfters auf das andere Ufer
geführt hatte, uns erst einen Weg schlagen mußten.
Da das Gelände sehr unangenehm war, ins-
besondere steile Felswände nahe an den Fluß
herantraten, war der Marsch manchmal sehr
schwierig. Einmal gab auch ein Tritt etwa 40 m
über der Talsohle unter meinem Fuß nach und
ich stürzte abö; aber die Liane, an der ich mich
hielt, brach glücklicherweise nicht, so daß ich mich
wieder hinaufarbeiten konnte. Ich habe dann
mich, die Leute und das Gepäck an der schlimmsten
Stelle anseilen lassen. Zu guter Letzt kamen wir
glücklich wieder in Kait an. Einen erneuten
Versuch einer wegelosen Durchquerung haben wir
nicht unternommen, denn schon dieser kleine Vor-
stoß (8½ km) hatte gezeigt, daß unsere Aus-
rüstung für ein solches Unternehmen bei den
herrschenden ungünstigen Witterungsverhältnissen
ungenügend war. War doch schon bei dem zwei-
tägigen Marsch unser ganzer Reisvorrat naß ge-
worden, obwohl wir ihn in „wasserdichten“ Säcken
und diese in ebenso „wasserdichten“ Rucksäcken
trugen! In solchen Gebieten können m. E. nur
Gummisäcke verwendet und statt Reis müssen
andere Nahrungsmittel genommen werden, die
im Verhältnis zu ihrem Gewicht mehr Nährwert