Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Stelle des vielfach (bei rückfälligen Verbrechern 
sfast immer) wirkungslosen, Millionen kostenden, 
Körper und Geist schwächenden Systems der Ein- 
sperrung in jahrelange Zellenhaft in zahlreichen 
Fällen ein anderes treten müsse, das durch 
straffes Anhalten zu nützlicher Tätigkeit in 
freier Luft und durch die Aussicht auf spätere 
Verwendung des Gelernten in der Freiheit allen 
Büßern einen Ansporn zur Besserung bietet und 
in ihre Seelen den Hoffnungsstrahl leuchten läßt 
auf ein neues und geachtetes Leben. 
Er wendet sich ferner an die, welche die 
große Masse unseres Volkes davor schützen wollen, 
daß dauernd aus den Gefängnissen heraus, in 
denen man trotz aller neueren hygienischen Ein- 
richungen die Entwicklung der verderblichsten 
Krankheiten, insbesondere der Tuberkulose, nicht 
hindern kann, die Infektionskeime durch die ent- 
lassenen langjährigen Sträflinge in seine Mitte 
getragen werden. 
Er wendet sich auch an die, welche den un- 
liebssamen Wettbewerb der preisdrückenden 
Sträflingsarbeit gemindert sehen möchten, und 
endlich an die, welche die nützliche Verwendung 
eines Teiles unseres Kolonialbesitzes, der sonst 
noch lange seiner Entwicklung harren müßte, 
nicht nur billigen, sondern auch im Hinblick auf 
das Beispiel Australiens willkommen heißen. 
Der Deportations-Verband kennt und würdigt 
zwar die Verdienste jener Vereine und Männer, 
die sich mit der Fürsorge für die entlassenen 
Sträflinge befassen, und es liegt ihm fern, jenen 
rrgendwie hindernd in den Weg treten oder ihre 
Leistungen bemängeln zu wollen, er glaubt aber, 
daß deren Wirken nicht zureichend sein kann, weil 
das System und die Prinzipien unseres Straf- 
vollzuges wie unsere sozialen Verhältnisse jenem 
Wirken vielfach im Wege stehen. 
Nach der Uberzeugung der dem Verbande 
angehörenden und ihm nahestehenden Sachkenner 
haben die Mißstände, die durch das Anwachsen 
der rückfälligen Kriminalität eingetreten sind, 
so bedenkliche Dimensionen angenommen, daß 
wir nicht mehr zögern,dürfen, das einzig mögliche 
und heilende Mittel, die Strafverschickung, 
anzuwenden und mit diesem dem drohenden 
inneren Gegner entgegenzutreten. Deshalb rufen 
wir dem deutschen Volke zu: 
Baut Schulen, Bahnen, Kanäle und Schiffe 
statt weiterhin Strafanstalten, deren Trümmer 
emst der Nachwelt einen traurigen Beweis für 
die mangelnde Erkenntnis unserer Zeit liefern 
würden! Lähmt nicht weiterhin Geist und Körper, 
ergie und Arbeitsfähigkeit von gesunden 
Venschen durch ein jahrelanges Käfigdasein, 
sendern stellt den Verbrecher in den Dienst unserer 
kolonialen 
Erschließung und zwingt ihn zu nutz- 
  
bringender Tätigkeit, die allein imstande ist, ihn 
wieder auf den Weg einer sittlichen Weltanschauung 
zu führen!“ 
Unruhen in Nord-UMigeria. 
Bei der unmittelbaren Nachbarschaft Britisch- 
Nigerias und Deutsch-Adamauas, des Schau- 
platzes der letzten Unruhen in Kamerun, ver- 
dienen die Vorgänge in Nigeria unsere besondere 
Aufmerksamkeit. Schon früher (Kol. Bl. 1907, 
Nr. 18) haben wir einen Aufsatz des Capt. Rud-= 
kin aus dem United Service Magazine über 
eine Strafexpedition britischer Truppen in Süd- 
Nigeria (Juni bis August 1906) abgedruckt. Ein 
im Herbst letzten Jahres dem englischen Parlament 
vorgelegtes Blaubuch zeigt, daß jene Expedition 
im Süden Nigerias nicht vereinzelt dasteht, 
sondern daß auch Nord-Nigeria unter Unruhen 
der — ebenso wie in Adamaua — stark unter 
mohammedanischen Einflüssen stehenden Stämme 
zu leiden hatte. Diese Unruhen sind teils rein 
lokaler Natur, teils haben sie politische und 
religiöse Ursachen. 
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Zunächst ereignete sich in den letzten Tagen 
des Jahres 1905 aus geringfügigem Anlaß ein 
Zwischenfall in Abinsi am mittleren Benus. 
Ein Haussa-Weib und ein Jukum-Mann hatten 
Streit, in dessen Verlauf der Jukum das Weib 
erschlug. Der Jukum-Häuptling ordnete die Ver- 
haftung des Mannes an, um die Sache vor das 
Provinzialgericht zu bringen. Die Jukums ver- 
weigerten aber ihrem Häuptling den Gehorsam; 
die Haussa ihrerseits suchten die Verhaftung zu 
erzwingen. So entstand ein förmliches Gefecht. 
Die Haussa besetzten die Gebäude der Niger 
Company Faktorei, die Jukums stürmten die 
Faktorei, unterstützt von den Munshis der um- 
liegenden Dörfer. 
Schließlich wurden die Haussa überwältigt, 
etwa 80 Mann feielen, die übrigen gerieten in 
die Sklaverei. 
Am 4. Januar 1906 rückte eine Kompagnie 
mit einem Geschütz unter Capt. Short von 
Lokoja auf Abinsi mit dem Auftrag, die Schiff- 
fahrt auf dem Benus bis Ibi freizuhalten und 
Abinsi zu besetzen. Capt. Short fand Abinsi 
verlassen, beerdigte etwa zwanzig Tote, die er 
auf dem Platz der ehemaligen Faktorei vorfand — 
zahlreiche Leichen hatte er auf dem Benus 
treiben sehen — und sicherte durch Patrounillen 
bis Ibi. 
Vierzehn Tage darauf erreichte dann Oberst- 
leutnant Hasler mit fünfhundert Mann und 
zwei Schnellfeuergeschützen Abinsi. Die nachweis-
	        
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