Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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gierung gestärkt wird. Deswegen habe ich 
mich grundsätzlich um die Rechtspflege im Schutz- 
gebiet gekümmert. In der Natur der Neger liegt 
es, daß die bestehende Rassenjustiz auf längere 
Zeit nicht wird geändert werden und daß gewisse 
Züchtigungsmittel, welche die Heimat perhorresziert, 
auch nicht abgeschafft werden können. Ich habe 
mich nach dieser Richtung ganz besonders um- 
geschaut. Um so wichtiger ist es aber, daß diese 
Rechtslage mit Garantien umgeben bleibt, die 
eine willkürliche und unüberlegte Handhabung 
der Strafmittel durch die mit richterlichen Be- 
fugnissen ausgestatteten Personen ausschließen. Ich 
habe mich bereits in einer in Oldenburg ge- 
haltenen Ansprache damit beschäftigt, wie es in 
den Negergerichten zugeht und ich kann mich hier 
darauf beschränken, zu sagen, daß ich sehr viel 
positives Recht gefunden habe, das zur Beilegung 
von Rechtsstreitigkeiten und zur Ahndung von 
Rechtsbrüchen in der Bevölkerung gesprochen wird. 
Das ist zu erkennen auch an der Haltung der 
Schwarzen. 
Dagegen ist bei einem Streit zwischen einem 
Schwarzen und einem Weißen die Lage des 
Schwarzen ungünstig. Hat ein Weißer gegen 
einen Schwarzen etwas vorzubringen, so schreibt 
er einen Zettel, und die Sache wird durch ein 
Schauri abgemacht. Hat ein Schwarzer eine 
Klage gegen einen Weißen, so muß er hingehen 
zum Gericht, muß Vorschuß zahlen; er wird mit 
den in der Heimat üblichen Formalitäten be- 
lastet, er bekommt schließlich ein Urteil oder einen 
vollstreckkaren Titel in die Hand, mit dem er 
nichts anzufangen weiß, mit laufenden Terminen 
und Fristen. (Heiterkeit.) 
Sie dürfen nicht vergessen, daß es in dem 
ganzen Schutzgebiet (es ist zweimal so groß wie 
Deutschland) drei Gerichte gibt, wo der Schwarze 
gegen den Weißen etwas vorbringen kann. Wenn 
ein Schwarzer eine Klage gegen einen Weißen 
in Tabora hat, so muß er sich in 17 Tagereisen 
nach Muansa begeben; wenn einer in Morogoro 
oder in Mombo oder in dem Hinterlande wohnt, 
das zu dem Daressalamer= oder Tanga-Gebiet 
gehört, muß er mit der Eisenbahn einen Tag lang 
fahren. 
Nun will ich versuchen, an einem einfachen 
Beispiel festzustellen, wie diese Rechtslage wirkt. 
Angenommen, der Weiße A. hat den Schwarzen B. 
als Plantagenarbeiter angeworben. Er hat ihm 
einen Kontrakt vorgelesen, wonach der Schwarze 
so und so viel Tage zu arbeiten hat; der 
Schwarze hat sich einverstanden erklärt. Nach 
vierzehn Tagen läuft der Schwarze wegen schlechter 
Behandlung oder aus einem sonstigen Grunde weg. 
Der Weiße macht eine Anzeige, der Schwarze 
wird ergriffen und wegen Kontraktbruchs bestraft 
  
— mit Prügel natürlich — und zwangsweise 
wieder zurückgeführt. Unmittelbar darauf kommt 
der Weiße in Konkurs; das ist schon öfter vor- 
gekommen und wird immer wieder vorkommen. 
Nun hat der Schwarze zu klagen. Es wird 
Termin angesetzt. Er hat die Forderung im 
Konkurs anzumelden, hat dem Termine beizu- 
wohnen, er bekommt ein vollstreckbares Urteil und 
wartet — und wenn die Konkursmasse nach zwei 
oder drei Jahren ausgeschüttet wird, weiß man 
nicht, wo der Gläubiger überhaupt geblieben ist. 
Das sind Dinge, die es den Schwarzen un- 
möglich machen, Recht zu finden. Es ist ein Ge- 
bot einfachster Gerechtigkeit, daß das geändert 
wird. Dies kann durch die Einsetzung von weißen 
Eingeborenenkommissaren mit schiedsrichter- 
li mit richkerlicher Befugnis geschehen. 
Die Einrichtung würde dort zu treffen sein, wo 
die Reibflächen zwischen Schwarz und Weiß er- 
beblich sind. Es sind erhebliche Reibslächen vor- 
handen im Norden, wo es etwa 15 000 Sachsen- 
gänger gibt und wo mancherlei übergriffe 
vorkommen — nicht nach den Wünschen der 
Plantagenleiter, aber aus dem dort vielfach 
wechselnden Personal und aus Lederstrumpfideen 
heraus, die jüngere Leute mitbringen und für 
welche die Plantagenleiter selbst nachher einzu- 
treten haben. 
Solche UÜbergriffe kamen oft genug aus Denk- 
faulheit und auch Eigennutz vor. Ich spreche 
mit Ehrlichkeit und sage alles, was zu sagen ist. 
Ich werde auch den Weißen, die dort sind, alle 
Gerechtigkeit widerfahren lassen. 
An der Küste macht es einen unangenehmen 
Eindruck, daß so viele Weiße mit der Peitsche 
spazieren gehen. Auf dem Tische der Hauptkasse 
in Daressalam habe ich eine vorgefunden. (Be- 
wegung.) Es ist heute noch stark üblich, und 
die Herren, die dort gewesen sind, werden es 
mir bestätigen. Jeder Weiße hat ein gewisses 
Züchtigungsrecht gegenüber seinen Dienstboten, 
Arbeitern usw. (Zuruf.) Sie üben es nicht 
überall aus, wie ich gern bestätigen will, sondern 
schicken ihre Sachen nach dem Gericht. 
Nun kommt es vor, daß mancherlei Fehler 
gemacht werden. Das liegt vielfach daran, daß 
der Weiße, der hinauskommt, sich nicht die Mühe 
gibt, die Landessprache zu erlernen und daß er 
dann mancherlei für Bösartigkeit oder Schlechtig- 
keit ansieht, was es tatsächlich nicht ist. 
Daneben steht noch weiter auf Grund von 
Verordnungen den Plantagenleitern und den Kara- 
wanenführern ein Züchtigungsrecht zu. 
M. H.! Ich gebe diese ganzen Auseinander- 
setzungen nur zu dem ausschließlichen Zweck, damit 
Sie sehen, wie schwer es sein muß, Schwarze, 
die im Innern als freie Bauern ein Leben nach
	        
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