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AKus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten.
[Oaterialien zur afrikanischen Eingeborenen- und Krbeiterpolitik.
Die neue Holonlalpolitik Frankreichs)
II.
Die Durchführung der Eingeborenenpolitit.
Das amtliche Versprechen, daß die Assimilations-
politik endlich aufhören soll, ist von allen denen
mit Freude begrüßt worden, die an der sittlichen
und wirtschaftlichen Entwicklung unserer Kolonien
Anteil nehmen. Es ist Zeit, ein für alle Mal
und auf allen Anwendungsgebieten mit dieser
Politik zu brechen. Die Assimilation ist ein po-
litischer und wirtschaftlicher Irrtum. Als die
Revolution erklärte, daß die Kolonien fortan einen
integrierenden Teil Frankreichs bilden sollten, in-
dem die Eingeborenen förmlich mit den Rechten
und den Pflichten französischer Bürger ausgestattet
würden, dachte sie nicht daran, daß sich diese
„Assimilation“, aus der man ein bürgerliches
Ideal machte, in Wirklichkeit gegen diejenigen
wenden würde, die davon Vorteil haben sollten.
Der Grundsatz, edel in seiner Absicht, wurde
selbstsüchtig in seiner Anwendung. Die Meere,
die die Menschen trennen, machen sie unterschiedlich,
geben ihnen verschiedene geistige Fähigkeiten. Ihre
Art zu denken, zu leben ist nicht dieselbe. Was
hier gut ist, ist da unten schlecht, und was in
einer gewissen Umgebung und unter gewissen Um-
ständen eine Wahrheit ist, kann anderswo ein
Irrtum werden. Die Assimilation war einer.
Entschuldbar für die Männer der Revolution, die
das Uberseegebiet nur unvollkommen kannten, war
und ist sie mehr als je unentschuldbar für uns,
die wir es kennen gelernt haben.
Durch
Assimilationspolitik unsere absolute Überlegenheit
als Grundsatz aufgestellt — in der Verwaltung,
im Recht, in staatlicher, selbst in religiöser Be-
ziehung. Außerhalb kein Heil! So haben wir
bis heute, von einigen glücklichen, aber seltenen
Ausnahmen abgesehen, die Einrichtung unseres
Kolonialreiches aufgefaßt. Planmäßig haben wir
den Grundsatz abgelehnt, daß Länder, die in der
Rasse ihrer Bewohner und im Klima, die durch
den Grad der geistigen Fähigkeiten und der Ge-
sittung durchaus voneinander abweichen, ver-
schiedene Gesetze und Vorschriften nötig haben.
)] Aus den Druckschriften der Depuriertenkammer.
Session 1906, Nr. 311:
2° Anncxe au Rappor fait nu nom de la Com-
mission du Budget chan##c d'examiner le projet de loi
Portant fixation du Budget général de T’exercicc 1907.
(Alinistre des Colonies.) Pur N. A. (iervais, Dépmé.
ihren Verallgemeinerungsgeist hat die
Unser Starrsinn hat uns verhindert, zu fassen,
daß es gleich schwierig und gegen die Natur ist,
ob wir unsere Einrichtungen in die Seele der
Eingeborenen versenken oder ob wir auf unsern
Boden die Pflanzenwelt des fremden Landes
übertragen wollen. Wie es Herr Leygues vor-
züglich gesagt hat: „Es gibt in der geistigen An-
lage der verschiedenen Rassen, die die Erde be-
völkern, Gleichwertigkeiten, aber es gibt kein
Einerlei. Warum demnach unsere Geistesgewohn-
heiten, unsern Geschmack, unsere Sitten und unsere
Gesetze Völkern aufdrängen, für die die Worte
Familie, Gesellschaft, Eigentum verschiedene Be-
deutungen haben? Das hieße ein Werk versuchen,
unnütz, weil es nicht gelingen, und gefährlich, weil
es gegen uns nur Mißtrauen und Unwillen auf-
rühren könnte.“
Man darf sich in der Tat die Wahrheit nicht
verbergen. Die Assimilationspolitik hat dem kolo-
nisierenden Frankreich den größten materiellen und
sittlichen Nachteil zugefügt. Durch den Geist der
Umständlichkeit, durch den Hang zur Gleichmacherei
hat es die Bedürfnisse verkannt, die jeder unserer
Kolonien eigen sind, indem es ihnen so die Vor-
teile aller Art entzog, die wir ihnen versprochen
hatten und die sie berechtigt waren, von uns zu
erwarten.
Aus Herrschsucht haben wir — zuweilen roh —
von heute auf morgen eine Jahrhunderte alte
Einrichtung umgestürzt, was in dem geschädigten
Kreise nur Haß und Aufruhr erzeugt hat. In
der Sucht nach einer ausschließlich unmittelbaren
Verwaltung haben wir endlich jede unserer Be-
sitzungen mit einem überaus verwickelten Räder-
werk versehen, dessen größtes Verdienst zum guten
Teil eine Belastung des Haushaltes mit neuen
und drückenden Ausgaben gewesen ist.
Den Kolonien mit Ausbentewirtschaft muß eine
Eingeborenenpolitik entsprechen. Da sich die
meisten unserer Besitzungen in den Tropen befin-
den, erlauben uns die Schwierigkeiten des Klimas
und, als unmittelbare Folge, die schwache Aus-
wanderungsbewegung die Hoffnung auf Besied-
lungskolonien nicht. Sie sind und müssen Aus-
beutungskolonien bleiben, das heißt Besitzungen,
wo der kolonisierende Bestandteil nur einen
schwachen Teil in der Gesamtzahl der Bevölkerung
bildet.
Unsere Lage ist sehr klar: allein vermögen
wir nichts. Mit dem Eingeborenen können
wir alles. Er ist bei sich daheim Herr des
Bodens und seiner Reichtümer. Also als „Teil-