Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

W 538 e 
Diese Rinde ist schon seit langer Zeit den Ein- 
geborenen verschiedener tropischer Länder als 
Gerbstoff bekannt und von ihnen zum Gerben 
von Häuten und Fellen verwendet worden. Vor 
etwa zwanzig bis dreißig Jahren hat man wieder- 
holt versucht, die Rinde auf den europäischen 
Markt zu bringen und sie daselbst in die Leder- 
industrie einzuführen, doch ohne Erfolg. Es lag 
teils daran, daß diese Angelegenheit nicht 
energisch in die Hand genommen wurde, teils 
an der Eigenschaft der Mangrovenrinde, dem 
Leder eine ausgeprägt rote, also auf unserem 
Markte unerwünschte Farbe zu geben. Vor etwa 
zwölf Jahren traten die Herren Gebrüder Den- 
hardt mit dem Ersuchen an mich heran, die 
Mangrovenrinde, die sie auf ihren Besitzungen 
in dem früher unter deutschem, jetzt unter eng- 
lischem Schutze stehenden Wituland in großen 
Mengen gewinnen könnten, auf ihre Verwendbar- 
keit als Gerbstoff eingehend zu prüfen. Ich habe 
diese Prüfung vorgenommen und bin hierbei zu 
dem Ergebnis gekommen, daß in der Mangroven- 
rinde hinsichtlich des Gerbstoffgehaltes zweifellos 
ein sehr beachtenswerter Gerbstoff vorliegt, daß 
sie allein angewendet aber dem Leder eine aus- 
geprägt rote Farbe verleiht. Bei schwarzen 
Ledern wirkt dies nicht störend, bei anderen 
Ledern kann der Nachteil durch anteilige An- 
wendung und durch geeignete Kombination mit 
anderen hellgerbenden Gerbstoffen, besonders mit 
Myrobalanen, vermieden werden, so daß sie, wie 
eingehende Gerbversuche gezeigt haben, eine 
mannigfache Verwendung in der Lederindustrie 
finden kann. Die aus dem Witulande stammende 
Mangrovenrinde hat einen meist zwischen 40 und 
45 v. H. liegenden Gerbstoffgehalt; unter 35 v. H. 
sinkt er kaum herunter, ausnahmsweise steigt er 
fast bis 50 v. H. Die ersten Mitteilungen über 
die Mangrovenrinde habe ich 1896 in dem Ar- 
tikel „Die Mangrovenrinde als Gerbmaterial“ in 
der „Deutschen Gerberzeitung“ veröffentlicht; 
mehrere aus der Versuchsanstalt hervorgegangene 
Arbeiten haben sich mit dem gleichen Gegenstand 
beschäftigt. Es ist meinen Ausführungen von 
einer Seite entgegengehalten worden, daß die 
Mangrovenrinde überhaupt keine gerbenden Eigen- 
schaften habe und infolgedessen als Gerbstoff nicht 
in Betracht komme. Daß diese Angaben nicht 
zutreffend sind, habe ich durch Gerbversuche, bei 
denen ausschließlich Mangrovenrinde zur Ver- 
wendung gelangte und bei denen, abgesehen von 
der Farbe, ein durchaus normales Erzeugnis 
erhalten wurde, und durch Rendementser- 
mittlungen nachgewiesen. Der große Vorzug der 
Mangrovenrinde liegt darin, daß sie niedrig im 
Preise ist und daß in keinem anderen der bis 
jetzt bekannten Gerbmaterialien der Gerbstoff so 
  
wohlfeil gekauft werden kann. Nachdem der 
Wert dieser Rinde als Gerbstoff bekannt geworden 
war, hat sie sich dank der Bemühungen des 
Handels in die Lederindustrie gut eingeführt. 
Man verwendet gegenwärtig Mangrovenrinde 
nicht nur aus dem Witulande (Britisch-Ostafrika), 
sondern man hat auch in anderen Ländern die 
Gewinnung dieser Rinde betrieben, namentlich in 
Deutsch -Ostafrika. Darauf deuten die bereits 
weiter oben erwähnten Zahlen für die Einfuhr 
von Gerbrinde aus Deutsch-, Britisch= und Portu- 
giesisch-Ostafrika im Jahre 1905 hin. Die Man- 
grovenrinde wird teils als solche oder in Form 
der daraus erzeugten Auszüge in der Leder- 
industrie verwendet, teils aber auch in Form 
von Auszügen, die unter anderen Namen in den 
Handel gelangen. Die Extraktindustrie hat sich 
der Mangrovenrinde in Anbetracht des niedrigen 
Preises und der leichten Auslaugbarkeit sehr an- 
genommen und benutzt ihre Auszüge gern zum 
Verschneiden anderer Auszüge, besonders der 
Quebrachoholz-Auszüge. 
Ich werde, bevor ich weitere Mitteilungen 
über die Mangrovenrindengewinnung in unseren 
Schutzgebieten mache, zunächst erörtern, was man 
eigentlich unter Mangrovenrinde zu verstehen 
hat. Gewöhnlich nimmt man an, daß dieses 
Material die Rinde einer bestimmten Baumart, 
des Mangrovenbaumes, ist. Diese Ansicht ist 
nicht richtig. Der Botaniker versteht unter 
„Mangrove“ nicht eine bestimmte Baumart, 
sondern eine Pflanzenformation. In allen 
feuchten tropischen Gebieten ist die Meeresküste 
in den Buchten und Flußmündungen, überhaupt 
dort, wo die Brandung nicht stark ist, seltener 
an mehr offenen Stellen, von einem Wald= oder 
Buschgürtel umsäumt, der sich ganz im Gebiete 
der Flutbewegung befindet, derart, daß der 
Boden mit dem Wechsel von Flut und Ebbe 
abwechselnd vom Meere bedeckt und trocken ge- 
legt wird. Man bezeichnet die Gesamtheit der 
in diesen Gebieten vorkommenden Gewächse als 
„Mangrove“; der Engländer nennt sie „tidal 
korest“, d. h. Flutwald. Die Mangrove setzt sich 
aus sehr verschiedenen Baumarten, die wiederum 
verschiedenen Gattungen angehören können, zu- 
sammen. Man kann bei der Mangrove zwei 
große Gebiete unterscheiden, und zwar das Ge- 
biet der östlichen Mangrove, das sich von Ost- 
afrika über Asien nach Australien und Mikronesien 
erstreckt, und das Gebiet der westlichen Man- 
grove, das die westafrikanische Küste und die 
amerikanischen Küsten umfaßt. Hieraus ist zu 
folgern, daß die Mangrovenrinde von sehr ver- 
schiedenen Baumarten herrühren kann und daß 
ihr Gerbstoffgehalt sehr von der Baumart, von 
der sie abstammt, abhängig ist. Es gibt in der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.