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Diese Rinde ist schon seit langer Zeit den Ein-
geborenen verschiedener tropischer Länder als
Gerbstoff bekannt und von ihnen zum Gerben
von Häuten und Fellen verwendet worden. Vor
etwa zwanzig bis dreißig Jahren hat man wieder-
holt versucht, die Rinde auf den europäischen
Markt zu bringen und sie daselbst in die Leder-
industrie einzuführen, doch ohne Erfolg. Es lag
teils daran, daß diese Angelegenheit nicht
energisch in die Hand genommen wurde, teils
an der Eigenschaft der Mangrovenrinde, dem
Leder eine ausgeprägt rote, also auf unserem
Markte unerwünschte Farbe zu geben. Vor etwa
zwölf Jahren traten die Herren Gebrüder Den-
hardt mit dem Ersuchen an mich heran, die
Mangrovenrinde, die sie auf ihren Besitzungen
in dem früher unter deutschem, jetzt unter eng-
lischem Schutze stehenden Wituland in großen
Mengen gewinnen könnten, auf ihre Verwendbar-
keit als Gerbstoff eingehend zu prüfen. Ich habe
diese Prüfung vorgenommen und bin hierbei zu
dem Ergebnis gekommen, daß in der Mangroven-
rinde hinsichtlich des Gerbstoffgehaltes zweifellos
ein sehr beachtenswerter Gerbstoff vorliegt, daß
sie allein angewendet aber dem Leder eine aus-
geprägt rote Farbe verleiht. Bei schwarzen
Ledern wirkt dies nicht störend, bei anderen
Ledern kann der Nachteil durch anteilige An-
wendung und durch geeignete Kombination mit
anderen hellgerbenden Gerbstoffen, besonders mit
Myrobalanen, vermieden werden, so daß sie, wie
eingehende Gerbversuche gezeigt haben, eine
mannigfache Verwendung in der Lederindustrie
finden kann. Die aus dem Witulande stammende
Mangrovenrinde hat einen meist zwischen 40 und
45 v. H. liegenden Gerbstoffgehalt; unter 35 v. H.
sinkt er kaum herunter, ausnahmsweise steigt er
fast bis 50 v. H. Die ersten Mitteilungen über
die Mangrovenrinde habe ich 1896 in dem Ar-
tikel „Die Mangrovenrinde als Gerbmaterial“ in
der „Deutschen Gerberzeitung“ veröffentlicht;
mehrere aus der Versuchsanstalt hervorgegangene
Arbeiten haben sich mit dem gleichen Gegenstand
beschäftigt. Es ist meinen Ausführungen von
einer Seite entgegengehalten worden, daß die
Mangrovenrinde überhaupt keine gerbenden Eigen-
schaften habe und infolgedessen als Gerbstoff nicht
in Betracht komme. Daß diese Angaben nicht
zutreffend sind, habe ich durch Gerbversuche, bei
denen ausschließlich Mangrovenrinde zur Ver-
wendung gelangte und bei denen, abgesehen von
der Farbe, ein durchaus normales Erzeugnis
erhalten wurde, und durch Rendementser-
mittlungen nachgewiesen. Der große Vorzug der
Mangrovenrinde liegt darin, daß sie niedrig im
Preise ist und daß in keinem anderen der bis
jetzt bekannten Gerbmaterialien der Gerbstoff so
wohlfeil gekauft werden kann. Nachdem der
Wert dieser Rinde als Gerbstoff bekannt geworden
war, hat sie sich dank der Bemühungen des
Handels in die Lederindustrie gut eingeführt.
Man verwendet gegenwärtig Mangrovenrinde
nicht nur aus dem Witulande (Britisch-Ostafrika),
sondern man hat auch in anderen Ländern die
Gewinnung dieser Rinde betrieben, namentlich in
Deutsch -Ostafrika. Darauf deuten die bereits
weiter oben erwähnten Zahlen für die Einfuhr
von Gerbrinde aus Deutsch-, Britisch= und Portu-
giesisch-Ostafrika im Jahre 1905 hin. Die Man-
grovenrinde wird teils als solche oder in Form
der daraus erzeugten Auszüge in der Leder-
industrie verwendet, teils aber auch in Form
von Auszügen, die unter anderen Namen in den
Handel gelangen. Die Extraktindustrie hat sich
der Mangrovenrinde in Anbetracht des niedrigen
Preises und der leichten Auslaugbarkeit sehr an-
genommen und benutzt ihre Auszüge gern zum
Verschneiden anderer Auszüge, besonders der
Quebrachoholz-Auszüge.
Ich werde, bevor ich weitere Mitteilungen
über die Mangrovenrindengewinnung in unseren
Schutzgebieten mache, zunächst erörtern, was man
eigentlich unter Mangrovenrinde zu verstehen
hat. Gewöhnlich nimmt man an, daß dieses
Material die Rinde einer bestimmten Baumart,
des Mangrovenbaumes, ist. Diese Ansicht ist
nicht richtig. Der Botaniker versteht unter
„Mangrove“ nicht eine bestimmte Baumart,
sondern eine Pflanzenformation. In allen
feuchten tropischen Gebieten ist die Meeresküste
in den Buchten und Flußmündungen, überhaupt
dort, wo die Brandung nicht stark ist, seltener
an mehr offenen Stellen, von einem Wald= oder
Buschgürtel umsäumt, der sich ganz im Gebiete
der Flutbewegung befindet, derart, daß der
Boden mit dem Wechsel von Flut und Ebbe
abwechselnd vom Meere bedeckt und trocken ge-
legt wird. Man bezeichnet die Gesamtheit der
in diesen Gebieten vorkommenden Gewächse als
„Mangrove“; der Engländer nennt sie „tidal
korest“, d. h. Flutwald. Die Mangrove setzt sich
aus sehr verschiedenen Baumarten, die wiederum
verschiedenen Gattungen angehören können, zu-
sammen. Man kann bei der Mangrove zwei
große Gebiete unterscheiden, und zwar das Ge-
biet der östlichen Mangrove, das sich von Ost-
afrika über Asien nach Australien und Mikronesien
erstreckt, und das Gebiet der westlichen Man-
grove, das die westafrikanische Küste und die
amerikanischen Küsten umfaßt. Hieraus ist zu
folgern, daß die Mangrovenrinde von sehr ver-
schiedenen Baumarten herrühren kann und daß
ihr Gerbstoffgehalt sehr von der Baumart, von
der sie abstammt, abhängig ist. Es gibt in der