Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr. 19
haben. Die Wege, welche die Spionage geht, sind so vorsichtig erkundet
und sorgsam verdeckt, daß es der Abwehr nur schwer gelingt, zur gericht-
lichen Aburteilung ausreichende Beweise beizubringen. Die Zahl der
Verurteilungen ist der einzige positive Beweis, der angeführt werden
kann. Sie gibt einen Anhalt über den Gesamtumfang der feind-
lichen Spionage, erschöpft sie aber keineswegs. Daneben her geht eine
große, zweifellos weit größere Zahl nicht aufgedeckter oder nicht zum ge-
richtlichen Abschluß reifer Fälle und ein reiches Material sonstiger Fest-
stellungen.
Soweit der feindliche Nachrichtendienst in Deutschland vor dem
Kriege festgestellt werden konnte, ergibt sich im ganzen das Bild, daß
der französische der älteste und gewiegteste war. Er wurde vom
II. Bureau des Generalstabs in Paris geleitet und erreichte seinen Höhe-
punkt vor dem Kriege unter der Leitung des Obersten, jetzigen Generals
Dupont. Er zeichnete sich durch Anwendung radikalster Mittel aus und
schreckte vor der Anwendung von Gewalt zur Erreichung seiner Ziele nicht
zurück. Seine wesentlichsten Träger waren Nachrichtenoffiziere an der
französischen Ostgrenze, Nachrichtenbureaus in den neutralen Grenzländern
und die über ganz Frankreich verteilte police spéciale. Von den Nach-
richtenbureaus traten als besonders tätig die in Genf, Lausanne und
Basel sowie die in Brüssel, Lüttich und Luxemburg hervor. Das größte
war das in Genf. Unterstützt wurde der französische Nachrichtendienst im
Frieden durch die Militärattachés, vor allem aber durch die länger in
Deutschland anwesenden Konsuln, was besonders in Bremen und Nürnberg
festgestellt wurde. Im Ausland trat das französische Konsulat in Malmö
hervor.
Der umfangreichste und mit den größten Geldmitteln arbeitende Nach-
richtendienst war der russische. Die Leitung lag beim Generalstab in
Petersburg. Von dort aus erfolgte die Arbeit über das neutrale Ausland,
an der sich die Militärattachés in Stockholm, Kopenhagen, Brüssel, Paris
und Bern lebhaft beteiligten. Auch die russische Ochrana, die in ganz
Europa ihre Agenten unterhielt, unterstützte den russischen Dienst in
jeder Weise. Über die deutsch-russische Grenze arbeitete der Nachrichten-
dienst der Militärbezirke, bei deren Stäben sich Nachrichtenabteilungen
befanden. Die in Petersburg, Wilna und Warschau richteten sich haupt-
sächlich gegen Deutschland, die in Warschau und Kiew gegen Österreich-
Ungarn. Besondere Erfolge gegen Deutschland sind der Nachrichtenabtei-
lung in Warschau unter dem Obersten im Generalstab Batjuschin nachzu-
weisen. An der Grenze stand die gesamte Grenzwache und an den Haupt-
übergangspunkten die Gendarmerie zur Verfügung. Sie erhielt ihre Wei-
sungen durch in langjähriger Tätigkeit ausgebildete Nachrichtenoffiziere.
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