Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Die hohe Lage Kiagodés gewährt einen pracht- 
vollen Rundblick. Da noch das Lager der engli- 
schen Kommission zu besuchen war, konnten wir 
uns nur einen kurzen Aufenthalt hier gestatten. 
Anfangs ging es auf der Wasserscheide zwischen 
Kongo= und Nil-Gebiet entlang; dann verließen 
wir dies schöne und klimatisch angenehme Hoch- 
plateau und stiegen in die Semliki-Ebene hinab, 
deren drückende Hitze sich nun doppelt fühlbar 
machte. Das Flußtal ist hier viele Kilometer 
breit, mit kurzem Gras und lichtem Busch be- 
standen. Der Wildreichtum ist recht bedeutend, 
der Artenreichtum aber gering. Moor-Antilope, 
Riedbock und Hirsch-Antilope sind die hauptsäch- 
lichsten Vertreter, von Wildschweinarten das 
Fluß= und Warzenschwein, von Federwild vor- 
wiegend Perlhuhn und kleine Trappe. 
In dem weitläuftig angelegten Lager angelangt, 
wurden wir vom Kommandanten Colonel Bright 
und seinen Herren aufs liebenswürdigste empfangen 
und alsbald zu einem opulenten Lunch in der 
geschmackvoll eingerichteten und dekorierten Banda 
gebeten. 
Am 26. Februar verließen wir das englische 
Lager, um, nach Norden weitermarschierend, im 
allgemeinen dem Laufe des Semliki auf dem 
linken Ufer folgend, den Albert-See zu erreichen, 
wo wir uns in Kissenyi, einem früheren Lager 
der Kommission, einquartierten. Dieser Platz hat 
jetzt insofern Bedeutung erlangt, als er, ebenfalls 
an der großen Route Irumu —Entebbe im engli- 
schen Gebiet liegend, mit dem Ostufer des Sees 
durch eine Dampfbarkasse in direkter Verbindung 
steht. Ein Goanese, Agent der Firma Hansing 
in Entebbe, regelt den Güterverkehr. Alle von 
dort für Irumu oder Kilo bestimmten Lasten 
nehmen neuerdings diesen Weg. Eine große 
Anzahl der für den letzteren, goldreichen Ort 
bestimmten Schienen und Feldbahnen wurden 
letzthin hier hinüberbefördert. Mangel an Trägern 
verhindert dann freilich meist die baldige Weiter- 
beförderung. Die Dampfbarkasse hat regelmäßigen 
Verkehr auf dem See und dem Nil zwischen 
Butiaba und Nimule. Einmal im Monat wird, 
wohl meist nur im Bedarfsfalle, Kissenyi an- 
gelaufen. 
In Mahagi, dem einzigen kongolesischen 
Platz am Nordende des Sees, liegen ferner noch 
zwei neue, zum Rudern und Segeln eingerichtete 
Stahlboote der Belgier. Weitere Verkehrsmittel 
sind die in allen Größen vertretenen Einbäume, 
deren Form von der üblichen nicht abweicht. 
Der Marsch bewegte sich hart an den West- 
bergen des zentralafrikanischen Grabens, während 
östlich sich die nach der Mündung des Semliki 
immer breiter werdende Ebene ausdehnt. Der 
Wildreichtum ist im allgemeinen mit dem am 
  
Albert-Edward nicht zu vergleichen; zumal das 
Wassergeflügel steht hier erheblich zurück. Die 
vorerwähnten Tiergattungen bilden auch hier das 
Hauptkontingent. Auf den Sandbänken des Semliki 
glückten uns mehrere Teleaufnahmen von dort in 
großen Mengen in der Mittagssonne ruhenden 
Krokodilen; es gewährte dann einen wunderbaren 
Anblick, wenn nach dem Schuß die ganze Gesell- 
schaft sich überstürzend im Flusse verschwand. 
Der Albert-See ist außerordentlich fischreich. 
Der Fang mit Netzen wird von den Eingeborenen 
mit Vorliebe betrieben. Flußpferde sieht man 
häufig, während Krokodile die Flüsse oder deren 
Mündungen mehr zu bevorzugen scheinen. 
Die Bevölkerung besteht hier aus Walegga, 
die sich bis über die westlich liegenden, ziemlich 
bedeutenden Anhöhen ausdehnen, während das 
dann weiterhin nach Westen liegende Hochplatean 
hauptsächlich Bawira= und Bawischa-Leute be- 
herbergt. Ihre Kleidung ist sehr einfach — ein 
schmaler Schurz bei den Männern, bei den Wei- 
bern eine dünne Perlenschnur um die Hüften. 
Vereinzelt sieht man etwas Schmuck, so Hals- 
bänder aus Leder mit Kaurimuscheln. Alte 
Bawira-Frauen tragen vielfach recht ansehnliche 
flache, runde Holzscheiben in der Oberlippe, die 
fast wagerecht vom Gesichte abstehen. Man nimmt 
an, daß diese Sitte sich aus der Araberzeit er- 
halten hat, da so entstellte Weiber naturgemäß 
als Sklavinnen keine Bewunderung finden konnten. 
Tatsächlich sieht man denn auch diese Verunzie- 
rungen bei jungen Mädchen nur noch ganz ver- 
einzelt. 
Über den erwähnten Bergrücken ging es dann 
in teilweise recht steilem Anstieg von Kissenyi nach 
Westen hinüber. Endlich oben angelangt, fühlten 
wir eine erfrischende Brise, die den Marsch nach 
Lydjumbo erleichterte. Hier teilen sich die Wege 
nach Irumu und Kilo. Ein Rasthaus aus 
Matete und Lehm dient Liebhabern solcher Quar- 
tiere zur Unterkunst. Ahnliche Rasthäuser sind 
neuerdings vom chef de zone im Ituri-Distrikt 
eingerichtet worden; sie bieten aber außer den 
nackten Wänden keinerlei Komfort. 
Die Bevölkerungsdichtigkeit nimmt nach Norden 
ständig zu und mit ihr die Größe der Dörfer, 
in denen wir teilweise vierzig, fünfzig und mehr 
Hütten zählten. Bemerkenswert ist die kreisrunde 
Anlage der Bawischa-Dörfer, auf deren sonst ganz 
freiem, ausgedehntem Mittelplatze sich oft eine 
Rauchhalle erhebt. 
Kartoffeln und MtamaHirse 
Nahrung, Bananen fehlen ganz. 
Die hier immer hügeliger werdende Gegend 
erinnert lebhaft an Ruandas Bergpanoramen. 
Über Kilo, dessen berühmte Goldminen ich 
in meinem nächsten Briefe behandeln werde, er- 
bilden die
	        
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