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Die hohe Lage Kiagodés gewährt einen pracht-
vollen Rundblick. Da noch das Lager der engli-
schen Kommission zu besuchen war, konnten wir
uns nur einen kurzen Aufenthalt hier gestatten.
Anfangs ging es auf der Wasserscheide zwischen
Kongo= und Nil-Gebiet entlang; dann verließen
wir dies schöne und klimatisch angenehme Hoch-
plateau und stiegen in die Semliki-Ebene hinab,
deren drückende Hitze sich nun doppelt fühlbar
machte. Das Flußtal ist hier viele Kilometer
breit, mit kurzem Gras und lichtem Busch be-
standen. Der Wildreichtum ist recht bedeutend,
der Artenreichtum aber gering. Moor-Antilope,
Riedbock und Hirsch-Antilope sind die hauptsäch-
lichsten Vertreter, von Wildschweinarten das
Fluß= und Warzenschwein, von Federwild vor-
wiegend Perlhuhn und kleine Trappe.
In dem weitläuftig angelegten Lager angelangt,
wurden wir vom Kommandanten Colonel Bright
und seinen Herren aufs liebenswürdigste empfangen
und alsbald zu einem opulenten Lunch in der
geschmackvoll eingerichteten und dekorierten Banda
gebeten.
Am 26. Februar verließen wir das englische
Lager, um, nach Norden weitermarschierend, im
allgemeinen dem Laufe des Semliki auf dem
linken Ufer folgend, den Albert-See zu erreichen,
wo wir uns in Kissenyi, einem früheren Lager
der Kommission, einquartierten. Dieser Platz hat
jetzt insofern Bedeutung erlangt, als er, ebenfalls
an der großen Route Irumu —Entebbe im engli-
schen Gebiet liegend, mit dem Ostufer des Sees
durch eine Dampfbarkasse in direkter Verbindung
steht. Ein Goanese, Agent der Firma Hansing
in Entebbe, regelt den Güterverkehr. Alle von
dort für Irumu oder Kilo bestimmten Lasten
nehmen neuerdings diesen Weg. Eine große
Anzahl der für den letzteren, goldreichen Ort
bestimmten Schienen und Feldbahnen wurden
letzthin hier hinüberbefördert. Mangel an Trägern
verhindert dann freilich meist die baldige Weiter-
beförderung. Die Dampfbarkasse hat regelmäßigen
Verkehr auf dem See und dem Nil zwischen
Butiaba und Nimule. Einmal im Monat wird,
wohl meist nur im Bedarfsfalle, Kissenyi an-
gelaufen.
In Mahagi, dem einzigen kongolesischen
Platz am Nordende des Sees, liegen ferner noch
zwei neue, zum Rudern und Segeln eingerichtete
Stahlboote der Belgier. Weitere Verkehrsmittel
sind die in allen Größen vertretenen Einbäume,
deren Form von der üblichen nicht abweicht.
Der Marsch bewegte sich hart an den West-
bergen des zentralafrikanischen Grabens, während
östlich sich die nach der Mündung des Semliki
immer breiter werdende Ebene ausdehnt. Der
Wildreichtum ist im allgemeinen mit dem am
Albert-Edward nicht zu vergleichen; zumal das
Wassergeflügel steht hier erheblich zurück. Die
vorerwähnten Tiergattungen bilden auch hier das
Hauptkontingent. Auf den Sandbänken des Semliki
glückten uns mehrere Teleaufnahmen von dort in
großen Mengen in der Mittagssonne ruhenden
Krokodilen; es gewährte dann einen wunderbaren
Anblick, wenn nach dem Schuß die ganze Gesell-
schaft sich überstürzend im Flusse verschwand.
Der Albert-See ist außerordentlich fischreich.
Der Fang mit Netzen wird von den Eingeborenen
mit Vorliebe betrieben. Flußpferde sieht man
häufig, während Krokodile die Flüsse oder deren
Mündungen mehr zu bevorzugen scheinen.
Die Bevölkerung besteht hier aus Walegga,
die sich bis über die westlich liegenden, ziemlich
bedeutenden Anhöhen ausdehnen, während das
dann weiterhin nach Westen liegende Hochplatean
hauptsächlich Bawira= und Bawischa-Leute be-
herbergt. Ihre Kleidung ist sehr einfach — ein
schmaler Schurz bei den Männern, bei den Wei-
bern eine dünne Perlenschnur um die Hüften.
Vereinzelt sieht man etwas Schmuck, so Hals-
bänder aus Leder mit Kaurimuscheln. Alte
Bawira-Frauen tragen vielfach recht ansehnliche
flache, runde Holzscheiben in der Oberlippe, die
fast wagerecht vom Gesichte abstehen. Man nimmt
an, daß diese Sitte sich aus der Araberzeit er-
halten hat, da so entstellte Weiber naturgemäß
als Sklavinnen keine Bewunderung finden konnten.
Tatsächlich sieht man denn auch diese Verunzie-
rungen bei jungen Mädchen nur noch ganz ver-
einzelt.
Über den erwähnten Bergrücken ging es dann
in teilweise recht steilem Anstieg von Kissenyi nach
Westen hinüber. Endlich oben angelangt, fühlten
wir eine erfrischende Brise, die den Marsch nach
Lydjumbo erleichterte. Hier teilen sich die Wege
nach Irumu und Kilo. Ein Rasthaus aus
Matete und Lehm dient Liebhabern solcher Quar-
tiere zur Unterkunst. Ahnliche Rasthäuser sind
neuerdings vom chef de zone im Ituri-Distrikt
eingerichtet worden; sie bieten aber außer den
nackten Wänden keinerlei Komfort.
Die Bevölkerungsdichtigkeit nimmt nach Norden
ständig zu und mit ihr die Größe der Dörfer,
in denen wir teilweise vierzig, fünfzig und mehr
Hütten zählten. Bemerkenswert ist die kreisrunde
Anlage der Bawischa-Dörfer, auf deren sonst ganz
freiem, ausgedehntem Mittelplatze sich oft eine
Rauchhalle erhebt.
Kartoffeln und MtamaHirse
Nahrung, Bananen fehlen ganz.
Die hier immer hügeliger werdende Gegend
erinnert lebhaft an Ruandas Bergpanoramen.
Über Kilo, dessen berühmte Goldminen ich
in meinem nächsten Briefe behandeln werde, er-
bilden die