Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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lichen überhaupt nicht mehr auf unsere Anrufe 
zu antworten vermochten. Es blieb uns somit 
nichts anderes übrig, als sie bis zum nächsten 
Morgen ihrem Schicksal zu überlassen. 
Völlig durchnäßt, ohne Zelt, die vor Er- 
regung und Kälte zitternden Glieder nur in eine 
Decke gehüllt und eng aneinander geschmiegt — 
so verbrachten wir eine schlaflose Nacht am 
Lagerfeuer, um bei Morgengrauen (es war wie 
zum Hohne ein prächtiger, sonniger Morgen!) 
gleich wieder an die Bergungsarbeit zu gehen. 
Ich sage Bergungsarbeit — nicht Rettungs- 
arbeit! Denn, was es nach dieser Nacht noch 
zu retten gab, war herzzerreißend wenig. Nur 
einige wenige der Unglücklichen zeigten noch eine 
Spur von Leben; sie konnten gerettet werden. 
Die anderen alle — zwanzig an der Zahl, d. h. 
nahezu die Hälfte meiner gesamten Ka- 
rawane — lagen als Leichen im Schnee, 
die Finger tief in den sumpfigen Boden einge- 
graben, die Gesichter im Todeskampfe gräßlich 
verzerrt. Ein furchtbarer Anblick für uns andere, 
die wir zu ihrer Rettung zu spät kamen! 
Die Lasten mußten liegen bleiben, darunter 
das gesamte photographische Material und meine 
wissenschaftlichen Sammlungen. Wer sollte sie 
schleppen? Wir selber waren ja halbe Leichen. 
Später haben sie dann die Träger geholt. Ich 
selbst konnte mich an dieser Arbeit nicht mehr 
beteiligen. Ein schweres Fieber hielt mich ans 
Bett gefesselt.“ 
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Dieser bedauerliche Vorfall gibt ein krasses 
Beispiel für den Fatalismus und die hierdurch 
erzeugte Energielosigkeit des Negers in Situa- 
dionen und Gefahren, in denen er den Ausgang 
nicht übersieht oder wo ihn nur schnelles Erfassen 
der Situation und besonnenes eigenes Handeln 
renen können. „Amri yo mungu"“ (Gottes Fü- 
gung) ist dann die Parole, die ihn jeder Üüber- 
redungskunst und jedem Versuche, ihn aus seiner 
Lethargie aufzuwecken, trotzen läßt. „Amri yo 
mungu“, es ist göttlicher Wille, daß wir sterben 
sollen, also sterben wir. Der Laie könnte dies 
für fromme Regung oder Unterwerfung unter 
göttlichen Willen halten; dem ist aber durchaus 
nicht so. Die angewandte Formel ist lediglich 
eine von Jugend auf gehörte und von Urväter- 
zeit überkommene Redensart, in die sich der 
Stumpffinn des Negers in ähnlichen Fällen wie 
dem oben genannten kleidet, wo nur eigene 
Initiative helfen kann. Daß dieser Stumpfsinn 
durch sachgemäße Behandlung, unter der ich Ge- 
rechtigkeit gepaart mit Strenge verstehe, sehr wohl 
überwunden werden kann, zeigt das mustergültige 
energische Vorgehen der beiden Askari, von denen 
ich — das trifft auf die Mehrzahl der Askari 
  
zu, die uns fast ein Jahr begleiteten — manch 
schönen Zug von Besonnenheit und mutvollem 
Vorgehen in der Gefahr erzählen könnte. 
Ich sandte Kirschstein sofort einen Brief über 
Mowambi nach Beni, um ihn zu veranlassen, 
von dort auf direktem Wege zu uns zu stoßen. 
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Doch zurück zu unserer Route. 
Eine für Urwaldverhältnisse gut gehaltene 
Straße führt von Etappe zu Etappe, wie sie 
über die ganze Länge des Weges von Irumu 
nach Stanleyville in wechselnden Abständen von 
15 bis 29 km angelegt sind. Eine endlose 
Menge mehr oder minder zusammengebrochener 
Brückengebilde, die die Passage über Flußläufe 
und sumpfige Stellen erleichtern sollen, zwingen 
den nervös werdenden Reiter, sein Maultier 
immer wieder zu verlassen und ebenso oft zu 
besteigen, da ein sicheres Passieren für die Tiere 
meist nur neben den Brückenstegen möglich ist 
oder ein umgestürzter Baumriese den Weg ver- 
sperrt. 
In allen Etappen wohnen sogen. Arabisés, 
von den Leuten Munguana genannt, von Arabern 
„trainierte"“, vielfach aus Mangana oder von der 
Ostküste stammende Leute, die noch mit Arabern 
oder Indern jenseit der Grenze in mehr oder 
minder inoffizieller „Beziehung“ stehen, d. h. auf 
kaum sichtbaren Pfaden manchen Elfenbeinzahn 
und manche Last Kautschuk über die Grenze 
gehen heißen, ohne daß es der Regierung bei 
der ungeheuren Ausdehnung des Waldes möglich 
ist, diesem Schmuggel wirksam zu steuern. Offiziell 
liegt ihnen die Proviantausgabe bei durchziehen- 
den Karawanen und die Leutegestellung für den 
Karawanenverkehr von Irumu zum Kongo und 
zurück ob. Infolgedessen find bei allen Etappen 
Bananenpflanzungen angelegt, die zur Ernährung 
dienen und ständig vergrößert werden. Die all- 
abendlich austretenden Elefanten stiften hier 
großen Schaden, so daß der Chef der Etappe 
gezwungen ist, jede Nacht durch eine Wache die 
Dickhäuter mit lautem Geschrei verscheuchen zu 
lassen. Der Reichtum an diesen Tieren muß 
ganz ungeheuer sein und ist bei einem Territorium 
von der vielfachen Größe des Deutschen Reiches 
wohl nach Hunderttausenden zu schätzen. 
Der Wald steckt auch voll der Pygmäêen, 
der diebischen kleinen Mombutti, die den Mun- 
guana viel zu schaffen machen und sich mit einer 
Dreistigkeit sondergleichen ihrer Reisvorräte be- 
mächtigen. Mörderische lberfälle wie früher sind 
neuerdings nicht mehr vorgekommen. 
In Songola gelang es uns nach längerem 
Schauri, ein weiteres Okapi-Fell zu erhalten, 
dessen Träger ebenfalls von den Mombutti erlegt 
wurde. Die Ausdrücke für diese große Antilope
	        
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