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Awakubi ist wohl der größte Posten am
Iluri-Aruwimi, in einer der reichsten Kautschuk-
gegenden gelegen. Eine gewisse „Kautschuk-
Müdigkeit"“ der Bevölkerung, deren nachgerade
drohender Charakter die Entsendung von Truppen
in die nördlichen Gebiete notwendig gemacht hat,
brachte jedoch seine reichen Einnahmen in letzter
Zeit erheblich zurück. Der Ort zählt mehrere
tausend Einwohner und auch einige Araber als
letzte Repräsentanten dieses einst Afrika beherr-
schenden Volkes. Eine hohe, schattige Palmen-
allee führt zur nahen Mission der Sacré Coeur,
auf deren geräumigem Grundstück sich ein nettes, in
den Urwald eingebautes, noch unfertiges Wohnhaus
und eine überraschend stattliche Kirche erheben.
Auf dem Wasserwege besuchten wir ferner
eine größere Fantumiaplantage. Wie überall
am Kongo das Kautschukplantagenwesen noch in
den Kinderschuhen steckt, so ist auch diese Pflan-
zung sehr jung; ihre Zukunft liegt noch völlig
im Dunklen und über ihren Nutzwert wird in
frühestens sieben bis acht Jahren zu reden sein.
Doch in Voraussicht des später notwendig ein-
tretenden Rückschlages auf den verderblichen, jetzt
noch allgemein üblichen Raubbau hat der Kongo-
staat durch zahlreiche Neupflanzungen rechtzeitig
energische Maßregeln gegen eine gänzliche Ver-
wüstung und Ausbeutung des Waldes getroffen.
Bald darauf traten wir die Bootreise auf dem
Aruwimi an. Ein kurzer Ritt brachte uns durch
das lange Dorf bis unterhalb der hier starken
Stromschnellen, wo die Boote lagen. Eine viel-
lausendköpfige Menge krönte das terrassenförmige
Ufer und bot im glitzernden Sonnenlicht ein
glänzendes Bild.
Die Boote gleichen in der Form den auf
dem Kivu und den nördlichen Seen gebräuch-
lichen, sie sind aber bedeutend größer und ge-
währen Raum für den Europäer, etwa 20 Lasten,
die Boys, einige Askari und noch für 20 Ru-
derer. Als die kleine Flottille von 17 Booten
endlich abstieß, gab es einen Moment unglaub-
lichster Unordnung. Boote stießen aneinander,
Menschen wurden gequetscht, falsch eingeteilte
Ruderleute übersprangen eine Menge Boote, das
ihnen zugeteilte mit wilden Gesichtern suchend,
Europäer dirigierten und Schwarze taten in der
allgemeinen Verwirrung das Gegenteil von dem
Befohlenen, während ohrenbetäubendes Geschrei
vom Ufer her die Luft erfüllte. Dann löste sich
das Chaos. Es gewährte einen herrlichen An-
blick, die muskulösen, fettglänzenden Gestalten,
deren Kopf eine mit Rotholz bemalte Kappe oder
eine hohe Affenfellmütze schmückte, im Gleichtakt
ihre schön geschnittenen, kupferverzierten Ruder
durch das Wasser ziehen zu sehen, während das
Boot pfeilschnell über die glatte Fläche des tief-
dunklen Wassers dahinglitt. Die Arbeit begleitet
meist ein überaus melodischer Gesang, in dem alle
möglichen Variationen wiederkehren; es war mir
stets ein hoher Genuß, während die üppige tropische
Waldszenerie in stetem Wechsel an dem Auge vor-
überglitt, im dolce kar niente dem Wohlklang
dieser oft fast schwermütigen Melodien zu lauschen.
Der erste Tag brachte uns nach sechsstündigem
Rudern bis an die Fälle von Bosubangi. Hier
wurden alle Lasten ausgeladen und die Fälle
auf dem Landwege umgangen, während die leeren
Boote einzeln, nur mit zwei Mann besetzt, den
Fall passieren mußten. Wenn auch die Tiefe des
Falles durch den hohen Wasserstand gemildert
wurde, so war diese Passage doch durchaus nicht
gefahrlos. Einzelne Boote verschwanden fast im
Gischt, doch verhinderte die Geschicklichkeit der
Bootsführer eine Katastrophe.
Weniger gut ging es am nächsten Tage, an
dem sich ein bedauerlicher Unfall ereignete. In
einer an sich unbedeutenden Stromschnelle kenterte
infolge Aufstoßens auf einen Felsen das Boot
des Unteroffiziers Czeczatka; die Insassen ver-
schwanden sofort in der starken Strömung. Einigen
gelang es zwar, sich an Felsstücke anzuklammern,
Ceczatka konnte durch Zufall die Hand eines
Mannes erfassen, der den Kiel des festgeklemmten
Bootes erklettert hatte; ein Soldat aber und vier
Ruderer fanden ihren Tod in den Wellen. Ein
Zelt, ein Gewehr, Munition und ein Blechkoffer
waren ebenfalls verloren. Die Bergungsarbeiten
der Überlebenden nahmen dann noch längere
Zeit in Anspruch. Da die folgende Schnelle für
beladene Boote völlig unpassierbar war und das
Aus= und Einladen der Lasten sowie die Um-
gehung der gefährlichen Passage viel Zeit er-
forderte, lagerten wir im Walde hart am Fluß,
an einem Platz mit prachtvollem Blick auf den
gewaltigen Strom. An diesem Tage sahen wir
mehrere Elefanten. Da es meist geringere Tiere
waren, wollte ich nicht schießen, sondern fuhr
dicht an einen Einzelgänger heran, den ich mit
Tele-Apparat mehrmals photographierte. Große
Mengen fliegender Hunde zogen abends kreisend
über das Lager. Die erlegten Exemplare zeigten
dieselbe Form wie am Kivu.
Die Ankunft in Bonili am Tage darauf
trennte uns von unserem bisherigen Begleiter,
Kommandant Engk, der auf seinen Posten nach
Awakubi zurückkehrte. Die Europäerposten am
Aruwimi bestehen alle aus mehr oder weniger
geschmackvollen Ziegelhäuschen und sind durch-
schnittlich mit einem bis zwei Beamten besetzt.
Ihr Zweck ist die Gewinnung von Kautschuk und
Elfenbein. Auf den größeren wird eifrig Plan-
tagenbau getrieben. Während die Kaffceernte
lediglich für den Selbstverbrauch in Frage kommt,
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