Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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die Krankheit an die tropische Erde gebunden sei 
und durch Ausdünstungen der Erde, durch Miasmen, 
mit der Atmung in den Körper gelange. Diesen 
Miasmen konnte man nicht entgehen, und wenn 
auch der einzelne Fieberanfall durch Chinin ge- 
heilt werden konnte, mußte doch die stetige Neu- 
ansteckung die Widerstandskraft des Körpers schließ- 
lich aufzehren. Bei solchen Anschauungen war 
es nur eine logische Schlußfolgerung, wenn man 
die Akklimatisation des Europäers in den Tropen 
für ausgeschlossen erklärte. 
Heute wissen wir, daß die fieberhaften Er- 
krankungen in den Tropen, die in der Regel als 
die Erscheinung einer bestimmten Krankheit, der 
Malaria, zu betrachten sind, nicht etwas von 
dem Klima Untrennbares sind. Die Malaria 
wird durch Parasiten hervorgerufen, welche im 
Blute des Menschen leben; die Übertragung von 
einem Menschen auf den anderen geschieht durch 
bestimmte Stechmücken, in den Tropen gewöhnlich 
Moskitos genannt. Die Erkenntnis dieser Tat- 
sachen hat uns zugleich die Möglichkeit gegeben, 
in den Tropen zur Ansiedlung für Europäer 
solche Gegenden auszusuchen, die frei von Malaria 
sind. Wenn die übertragenden Moskitos in einer 
tropischen Gegend fehlen, so sind die Europäer, 
die sich dort ansiedeln, von Malaria nicht ge- 
fährdet. Nun ist es allerdings nicht immer leicht, 
die Anwesenheit oder Abwesenheit der gefährlichen 
Moskitos an einem bestimmten Orte festzustellen, 
da sie je nach der Jahreszeit zahlreich oder sehr 
selten sein können. Aber Robert Koch hat uns 
in der Blutuntersuchung der Kinder der 
Eingeborenen einen Weg gezeigt, auf dem wir 
in kürzester Zeit und mit Sicherheit zu erkennen 
vermögen, ob in einem tropischen Orte Malaria 
herrscht oder nicht. Haben die Kinder der Ein- 
geborenen keine Malariaparasiten in ihrem Blute, 
so dürfen wir sicher sein, daß diese Tropengegend 
frei von Malaria ist. Solche Untersuchungen 
sollten besonders bei Neuanlage von Stationen 
in malariaverdächtigen Ländern nie versäumt 
werden. Was eine solche Feststellung bei der 
Auswahl eines Platzes für eine Ansiedlung in 
den Tropen zu bedeuten hat, können wir daraus 
ersehen, daß noch vor wenigen Jahren an der 
Kamerunküste 80 bis 90 v. H. aller Erkrankungen 
der Europäer durch Malaria bedingt waren. 
Aber auch da, wo wir einen malariafreien 
Ort zur Anfiedlung nicht finden, wie z. B. im 
Bereich der meisten Küstenstriche des tropischen 
Afrikas, stehen wir dieser Krankheit nicht mehr 
so machtlos gegenüber wie früher. Durch ver- 
schiedene Maßnahmen, die im einzelnen zu er- 
läutern hier zu weit führen würde, ist es schon 
an zahlreichen Orten gelungen, die Malaria aus- 
  
zurotten oder sie wenigstens auf ein erträgliches 
Maß herabzudrücken. 
Diese Erfolge haben der früher so berechtigten 
Furcht vor dem tropischen Klima zum großen 
Teil den Boden entzogen und unsere Anschau- 
ungen gründlich geändert. Bei weitem die meisten 
Todesfälle waren früher direkt oder indirekt durch 
Malaria verursacht. Außer dieser Krankheit bleiben 
in den Tropen nur noch wenige Krankheiten, 
welche uns Europäer gefährden. Es ist haupt- 
sächlich die Ruhr zu nennen, aber auch sie läßt 
sich durch hygienische Maßregeln nicht allzu schwer 
vermeiden. Im übrigen fehlen aber in den 
Tropen ganz oder nahezu viele Krankheiten, von 
denen wir in der Heimat gefährdet sind, wie 
Tuberkulose, Lungenentzündung, Diphtherie und 
andere. Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn 
ich behaupte, daß der Europäer in den Tropen 
bei Auswahl eines malariafreien Ortes und bei 
hygienischer Lebensweise weniger von Krankheiten, 
insbesondere von Infektionskrankheiten gefährdet 
ist als in seiner Heimat. Unter diesen veränderten 
Verhältnissen mußten notwendig auch die früheren 
Ansichten über die Möglichkeit der Akklimatisation 
von Europäern in den Tropen neu geprüft 
werden, und die Freude an dem errungenen 
schönen Erfolg mag vielleicht den einen oder 
anderen verleitet haben, allzu enthusiastisch an 
einen bereits endgültigen Sieg gegenüber dem 
europäerfeindlichen tropischen Klima zu glauben. 
Wir dürfen nicht vergessen, daß, abgesehen 
von den tropischen Krankheiten, auch das tro- 
pische Klima an und für sich ungünstig auf 
unseren Körper einwirkt und daß wir diese 
Wirkung des Klimas vorläufig noch nicht aus- 
schalten können. Das tropische Klima veranlaßt 
allerdings, abgesehen von dem Sonnenstich, der 
sich durch zweckmäßige Kopfbedeckung leicht ver- 
hindern läßt, keine plötzlichen Todesfälle, aber es 
verursacht in dem feinen Mechanismus unseres 
Körpers nicht unbedeutende Veränderungen. Die 
Wärmeabgabe und damit die Festhaltung der für 
unseren Körper notwendigen konstanten Tem- 
peratur von etwa 36½ C ist im tropischen 
Klima erschwert. Die Schweißdrüsen müssen 
dauernd in angestrengte Tätigkeit treten, um 
durch Wasserverdunstung an der Körperoberfläche 
die Wärmeabgabe zu erleichtern. Die verdunstete 
Körperflüssigkeit muß wieder ersetzt werden; das 
Herz, welches die Flüssigkeitsmenge in dem bald 
stark gefüllten, bald halbleeren Blutgefäßsystem 
in steter Bewegung halten muß, ermüdet unter 
dieser gesteigerten Arbeit. Auch das Verdau- 
ungssystem leidet unter der unregelmäßigen 
Wasserentziehung. Kurz eine ganze Reihe unserer 
Körperorgane haben eine vermehrte Arbeit zu 
leisten, während andere Organe, z. B. die Schleim-
	        
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