Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Die Gemüseproduktion wird sich überall nur 
in den engsten Grenzen des Lokalmarkts halten 
können, einen weiteren Markt im Innern kann 
schon der Kartoffelbau vertragen, ebenso Tabak, 
Obst, Luzerne. Körnerfrucht wird bei dem billigen 
Preis des Importguts nur im Bezirk Grootfontein 
auf Absatz gebaut werden können, wo dieser 
Anbau in weitem Umfang auf den Regen hin 
möglich und entsprechend billig ist. Es wird 
zunächst anzustreben sein, etwa bis Karibib und 
Windhuk hin den Bedarf von Mais, Hafer, Weizen 
allmählich — nötigenfalls unter Festsetzung eines 
kleinen Schutzzolls auf konkurrierendes Import= 
guts — durch das Produkt der heimischen Land- 
wirtschaft zu decken — zumal Fälle eintreten 
können, wo das Vorhandensein von Kornproduktion 
im Lande geradezu eine Existenzfrage für das 
Schutzgebiet werden kann. Die Kapkolonie hat 
bis vor kurzem einen Schutzzoll von 2 Mk. pro 
Zentner auf Getreide nicht für zu hoch gehalten, 
um ihren eigenen Ackerbau in den Sattel zu 
setzen und zur Entwicklung zu bringen. 
Der Luzernenbau in Verbindung mit Straußen- 
zucht verspricht bei der dauernden Beliebtheit des 
Artikels eine lohnende Exportwirtschaft innerhalb 
des ganzen Schutzgebiets, auch für Gegenden, 
die des Bahnanschlusses noch entbehren; denn 
die Straußenfeder wird ihres hohen Werts und 
geringen Gewichts wegen selbst durch einen 
längeren Wagentransport nicht übermäßig ver- 
teuert. In erweitertem Maße ist auch diese 
Wirtschaft in dem regenreichen Bezirk Grootfontein 
wegen der ausgedehnteren Möglichkeit des Luzernen- 
anbaus durchführbar. Das gleiche gilt vom 
Wein= und Obstbau, wie von der Baumwolle. 
Die Ausfuhr von Tafelobst und Rosinen aus 
Südwestafrika nach Deutschland wird in der 
gleichen Weise wie die aus der Kapkolonie nach 
England erfolgen können. Denn der Umstand, 
daß zur Zeit der südafrikanischen Obstreife 
(Januar bis April) die hauptsächlichen Obst- 
produktionsländer der Welt kein frisches Obst 
liefern können, trifft für beide Länder in gleich 
günstiger Weise zu und macht sie fast kon- 
kurrenzlos. 
Die Förderung des Baumwollbaues in sämt- 
lichen Kolonien liegt gleichmäßig im Interesse 
der letzteren wie der unter den willkürlichen 
Schwankungen der nordamerikanischen Baum- 
wollpreise leidenden deutschen Textilindustrie. In 
Südwestafrika verbindet der Nordostbezirk mit 
geeignetem Boden, Klima und Regenfall für den 
Baumwollbau den großen Vorteil gegenüber den 
übrigen afrikanischen Kolonien, daß hier, mangels 
Vorkommens der Tsetsefliege, die Pflugbespannung 
reichlich und billig vorhanden und deshalb die 
eigentliche Plantagenkultur bedeutend erleichtert sst. 
  
Es erscheint klar, daß die Ausnutzung aller 
dieser Exportmöglichkeiten neben der Erfüllung 
der Anforderungen des noch beschränkten inneren 
Marktes die Basis zu einer ganz beträchtlichen 
Steigerung der Befiedlungsdichtigkeit auf den 
zum Ackerbau günstigen Landstrecken bedeuten 
würde. 
Als Hauptgrundlage einer solchen Entwicklung 
muß nur noch hervorgehoben werden: die fort- 
schreitende Verbindung der Produktions= mit den 
Absatzstellen durch planmäßigen weiteren Ausbau 
des Verkehrswesens, der Eisenbahnen, Land- 
wege und Hafenanlagen. Neben der von 
Swakopmund nach Windhuk führenden Staats- 
bahn und der jetzt gleichfalls vollendeten Strecke 
Lüderitzbucht—Keetmanshoop hat die etwa 600 km 
lange Otavibahn eine besondere Bedeutung 
dadurch erreicht, daß sie neben den Kupferminen 
von Tsumeb und Otavi auch den landwirtschaft- 
lich weitaus wertvollsten Teil des Schutzgebiets 
mit der Mitte und der Küste verbindet. Eine 
weitere Förderung der Beziehungen zwischen 
den Bezug= und Absatzmärkten ist durch die 
Zweigstrecke Otavi—Grootfontein erfolgt und wird 
durch die östliche Weiterführung dieser Strecke, 
wie durch einen Eisenbahnbau von Windhuk nach 
Keetmanshoop erreicht werden. Neben den Eisen- 
bahnbauten ist die Förderung der Benutzbarkeit 
aller öffentlichen Verkehrswege durch Schaffung 
genügender Wasserstellen von großer Wichtigkeit. 
Die von der Regierung geschaffenen Versuchs- 
gärten haben neben der Anstellung wichtiger 
Versuche die Aufgabe, Sämereien, Pflänzlinge, 
Stecklinge usw. nach Möglichkeit an die Farmer 
zu Selbstkostenpreisen abzugeben und so den 
Bezug des Materials zur Anlage von Nutz- 
kulturen zu erleichtern. Daneben ist von großer 
Bedeutung die Bildung landwirtschaftlicher Ge- 
nossenschaften, mit dem Zweck, den Absatz der 
Farmprodukte, wie den Bezug von landwirt- 
schaftlichen Geräten, von Zuchtvieh, von Saatgut 
usw. durch gemeinsame Zentralen — etwa nach 
amerikanischem Vorbild — zu organisieren. Die 
ersten Ansätze zu solchen Genossenschaftsbildungen 
sind im letzten Jahre bereits gemacht worden. 
Im Anschluß daran wird die Errichtung von 
Bodenkreditbanken und die Bildung von Vieh- 
versicherungsanstalten unter entsprechender Staats- 
hilfe angebahnt werden können. 
Von der Regierung wird die Besiedlung 
ferner durch an Arzte und Hebammen gewährte 
Vorteile und Zuschüsse, durch Errichtung von 
Krankenhäusern, durch Ausdehnung der Re- 
gierungsschulen u. a. m. gefördert. 
Zuzug von deutschen Frauen in die 
ländlichen Besiedlungsgebiete hat mit auf Grund 
dieser Maßnahmen bereits in erfreulicher Weise 
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