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Michtamtlicher Teil
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Deutsch-englische Interessengemeinschaft in den Kolonien.
zwei Reden Seiner Erzellenz des Herrn Staatssekretärs des Reichs-Kolonialamts Dernburg.
J.
Medc, gehalten vor der Aftican Soecietr in London
am 5. November 190)9.
Es ist mir ein Vergnügen, der freundlichen
Aufforderung Folge zu leisten, die soeben von
dom Herrn Präsidenten aus an mich ergangen ist,
und ich bin Sir George Goldie und der African
Societ### dankbar für die Gelegenheit, mit Ihnen
allen zusammentreffen und einige Ansichten über
Dinge austanschen zu können, die für uns alle
von hohem Interesse sind.
Die Tatsache, daß eine so große Anzahl her-
vorragender Engländer sich hier eingefunden hat,
im einen ausländischen Kolonialbeamten zu hören,
ist an sich Beweis genug, daß gemeinfsames In-
teresse an der Arbeit, die wir in Afrika vollführen,
uns alle verbindet. Aber wie weit geht dieses
IJnteresse" Ist es ein rein ethisches Interesse, das
beine große Nation an der Kolonisationsarbeit
einer andern nuimmt? Ist es lediglich ein wissen-
schaftliches Interesse des einen Volkes an den
Taten des andern? Sind etwa besondere Berufs-
arten — Kauflente oder Gelehrte, Staatsmänner
oder Missionare — mehr an diesem gemeinsamen
Interesse beteiligt als andere? Es dürfte sich
verlohnen, diesen Fragen einiges Nachdenken zu
widmen. Lasson Sie uns untersuchen, welche
Antwort wir auf diese Fragen im Lichte der
beostehenden TatJachen finden.
Die meisten Gebiete Afrikas, die jetzt unter
britischer oder deutscher Herrschaft stehen, sind
nicht durch Waffengewalt erobert worden, sondern
mehr oder minder durch gegenseitiges Einver-
ständnis der enropäischen Nationen und durch
mehr oder weniger vollständig freiwillige Unter-
werfung oder Einwilligung der Eingeborenen.
Die Herrschaft der weißen Kolonisatoren beruht
auf der Ubergeugung der Eingeborenen, daß jene
ihnen in bezug auf Kraft und Wissen überlegen
sind. Da ihre Macht überall auf der gleichen
Grundlage beruht, so liegt es im gemeinsamen
Interesse aller kolonisierenden Völter in Afrika,
diese Uberzeugung aufrechtzuerhalten. Die Ent-
wicklung tropischer Länder, in denen der Weiße
nur unter ganz besonderen Vorsichtomaßregeln
leben kann, und in denen die Eingeborenen-
bevölkerung auf ziemlich roher und niedriger
Stufe steht, kann naturgemäß nur eine langsame
sein, und das Geld, das der Kolonisator zur
wirtschaftlichen Erschließung in das neue Land
hineinsteckt, kann ihm für eine beträchtliche Zeit
keine Zinsen bringen. Es liegt deshalb in seinem
Interesse, möglichst wenig Kapital anzulegen.
Aber namentlich wenn er gezwungen wird, sein
anfänglich ohne weiteres behauptetes Ansehen
durch Aufwand von Gewalt zu ersetzen, ist es
wohl möglich, daß eine derartige Anlage sich
niemals rentieren wird. Es ist daher unbedingt
nötig, das Ansehen des Kolonisators unter allen
Umständen zu wahren. Und da der Schwarze
keinen Unterschied zwischen den europäischen Na-
tionen macht, sondern nur die weiße Rasse an
sich als herrschende kennt, finden sich alle koloni-
sierenden Nationen Afrikas in diesem höchsten und
gleichen Interesse zusammen. Es besteht also eine
Gemeinsamkeit der Interessen. Die Beziehungen
und Gewohnheiten des Verkehrs der verschiedenen
afrikanischen Völkerstämme untereinander sind bis-
lang nur wenig betanm geworden, aber daß
solche Beziehungen vom Norden bis zum Süden
hinumer bestehen, darüber kann kein Zweifel sein.
Ungehorsam und Aufruhr in der einen Kolonie
machen sich sofort in der benachbarten und noch
weiter darüber hinaus bemerkbar. Zede erfolg-
reiche Kolonisation betrachtet es als ihre erste
Aufgabe, Frioden und Gerechtigkeit im Lande
herzustellen und die Par Britannica in einer
britischen Kolonie ist ihrem deutschen Nachbar
obenso wichtig wie die Pax Germanica dem be-
nachbarten englischen Gebiet. Die Richtigkeit
dieser Bestrebungen ist glücklicherweise von den
beiden hier vertretenen Nationen in einer Anzahl
praktischer Fälle anerkannt worden. Lassen Sie
mich deren einige erwähnen. Vor nicht langer
Zeit wurde von dem Gonverneur des Britisch-
Ostafrika-Protektorats der Vorschlag gemacht, einen
regelmäßigen Nachrichtenaustausch über die Be-
wegungen der Eingeborenen in den beiden be-
nachbarten Gebieten einzurichten. Afrita ist zwischen
den europäischen Nationen nicht nach geographi-
schen oder ethnologischen Grenzen, sondern unter
Verwendung eines Lineals auf sehr unvollstän-
digen Karten aufgeteilt worden; in vielen Fällen