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welche uns unser Aufenthalt in Englisch-Südafrika
gegeben hat. Dort ist uns mit einer außerordent-
lichen Liberalität und warmem Entgegenkommen
alles das gezeigt worden, was für ein Ver-
ständnis dieser Länder erforderlich erschien. Ich
will an dieser Stelle nicht verfehlen, bei der ersten
Gelegenheit, bei welcher ich mich öffentlich aus-
spreche, den englischen und kolonialen Behörden
für ihr großes Entgegenkommen meinen warmen
Dank auszusprechen. Ich habe die Genugtuung,
daß in allen denjenigen Dingen, bei denen ein
gemeinschaftliches Interesse der in Südafrika koloni-
fierenden Völker besteht, wie bei dem Schutz der
Grenzen, der Niederhaltung unruhiger Grenzbe-
völkerung, dem Kampf gegen die Landplagen Süd-
afrikas, insbesondere die Heuschrecken, bei dem
Studium und der Bekämpfung der den nationalen
Reichtum bedrohenden Viehseuchen, dem Studium
und der Feststellung der geeignetsten Produktions=
methoden, ein freundnachbarliches Verhältnis hat
hergestellt werden können, dessen erste Früchte ich
kürzlich durch die Presse bekannt geben durfte.
Dieser Dank gebührt nicht minder den englischen
Zentralbehörden in London wie auch jedem ein-
zelnen der britischen und kolonialen Funktionäre,
die uns, zum Teil mit erheblicher Unbequemlich=
keit für sie selbst, nahezu zwei Monate lang mit
königlicher Gastfreundschaft ihre Einrichtungen zur
Verfügung gestellt haben.
Den zentralen und besonders westlichen Teil
der Kapkolonie bildet die sogenannte Karoo,
ein hügeliges, zum Teil bergiges Grasland von
dürftiger Vegetation und schwacher Besiedlung.
In ganz Britisch-Südafrika, welches mit ungefähr
674 000 qkm etwa um die Hälfte größer ist als
der zunächst als besiedlungsfähig geltende Teil
unseres Schutzgebiets, gibt es nach dem Zensus
von dem Jahre 1904 nur 72 000 im Ackerbau
bzw. in der Viehzucht tätige selbständige Weiße.
Auch über die Dichtigkeit der in deren Diensten
stehenden einheimischen Bevölkerung sind durch-
aus irrtümliche Ansichten verbreitet. Von den
1 600 000 Eingeborenen der Kapkolonie sitzen
nur etwa 250 000 auf Farmen, die weißen Be-
sitzern gehören, über 1 Million bewohnen Reser-
vate, von denen die Weißen ausgeschlossen sind.
Der Rest ist die Mischlingsbevölkerung, die im
wesentlichen in den großen Städten ihren Unter-
halt findet.
In der Kapkolonie wurden nach dem Zensus
des Jahres 1906 gezählt — hierbei schließe ich
die in Eingeborenen-Reservaten befindlichen Tiere
aus —:
1906: 12350000 Schafe, 2958000 Angora-
ziegen, 3350000 andere Ziegen, im
wesentlichen die als bockies bezeichneten
Schlachttiere.
Nach dem Zensus von
553000 Rinder, 96000 Pferde, Maul-
tiere und Esel, 240000 Schweine,
357000 Strauße.
Die gesamte weiße Bevölkerung betrug nach
200 jähriger Kolonisation 579000 Menschen, davon
174 820 erwachsene männliche Weiße. Neben den
schon erwähnten Ackerbauern gab es 24000 Hand-
werker, 4600 männliches Hausgesinde, 43000 im
Handel beschäftigte und 61000 in der Industrie
tätige Personen. Auf die Bedeutung dieser
Ziffern für die vermutliche Aufnahmefähigkeit
unseres Schutzgebietes komme ich zurück.
Dem großen Karoo-Gebiet ähnlich ist nun
durchaus der Süden unseres Schutzgebietes, d. h.
derjenige Teil, welcher begrenzt wird durch die
Kapkolonie, die Nordgrenze des Bezirks Gibeon,
die Namib im Westen und den Oranjefluß im
Süden, mit dem Unterschied, daß, wenn schon in
der Karoo die Wirtschaft eine durchaus extensive
ist, in unserem Schutzgebiet die für die Unter-
haltung einer Familie in mäßigem Wohlstande
erforderliche Fläche teilweise noch erheblich größer
sein muß. Dies hängt zusammen mit dem
durchschnittlichen Regenfall, der, wenn man den
Ort Lüderitzbucht, der unter Umständen jahrelang
keinerlei Niederschläge verzeichnet, als Nullpunkt
annimmt, sich in bogenförmig verlaufenden Linien
von Nordwesten nach Südosten durch das ganze
Schutzgebiet derartig verstärkt, daß er im Bezirk
Grootfontein schon eine der deutschen Nieder-
schlagsmenge ähnliche Stärke erreicht und im
weiteren Norden, am Okawango und nach dem
Caprivi-Zipfel hin, den Charakter tropischer Nieder-
schläge erhält. Daraus folgt aber auch, daß der
östliche Süden unseres Schutzgebietes, besonders
das Vilander-Gebiet, erheblich wertvoller ist als
ein Teil des Kapschen Karoo. Da das Wachs-
tum der Futterkräuter im direkten Verhältnis
zu der Niederschlagsmenge steht, so wachsen auf
einem Hektar unseres Schutzgebietes also ver-
hältnismäßig weniger Futterkräuter; es muß deshalb
eine größere Farmenfläche angesetzt werden.
Dies bleibt natürlich nicht ohne Rückwirkung auf
die Bodenpreise, die selbst im östlichen Teil der
Kapkolonie etwa das 20 fache des in Südwest-
afrika Verlangten bilden. Daraus ist aber der
Schluß gerechtfertigt, daß auch in unserem Schutz-
gebiet bei geordneten Zuständen und etwas
dichterer Besiedlung höhere Bodenwerte ent-
stehen müssen. Die zunächst auf der Hand
liegende Besorgnis, daß mangels der Nieder-
schlägee auch das für eine Viehzucht unentbehr-
liche Tränkwasser in unserem Schutzgebiet nicht
in hinreichendem Umfange beschafft werden könne,
hat sich als nicht richtig herausgestellt. Die
Erfolge der Bohrkolonne „Süd“ sind im Gegen-
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1904: