Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Recht jedes Farmeigentümers, Eingeborene zu 
kontrollieren, die sich auf seinem Grund und 
Boden aufhalten. 
Größere Schwierigkeiten macht die Einrich- 
tung von Reservoten. Ein solches existiert 
bei der Gouvernementsfarm in Neudamm, ist 
aber von Eingeborenen bisher nicht bezogen. 
Reservate an sich bilden das Rehobother Gebiet 
und das Bethanier Gebiet. Im Osten von Keet- 
manshoop existieren größere Eingeborenen-Reser- 
vate, und die Hottentotten sind in der Nähe von 
Warmbad bekanntlich auf sehr großen Flächen 
interniert. Die Regierung wird weitere größere 
Flächen in Reserve halten müssen. Die weiße 
Bevölkerung befürchtet, daß die Reservate sich 
als Brutherde neuer Aufstände erweisen könnten. 
Dem wird durch eine geeignete Organisation und 
polizeiliche Bewachung abzuhelfen sein. Ferner 
befürchtet die weiße Bevölkerung durch die Reser- 
vate eine Verminderung ihrer Arbeiter, der die 
absolute Mittellosigkeit der Eingeborenen zur Zeit 
aber durchaus entgegenwirken wird. Sie sind 
in der Tat nicht in der Lage, sich auf Reservaten 
zu ernähren. Wenn auch hiermit sehr langsam 
vorgegangen wird und der Arbeiterabzug nach 
Reservaten keineswegs encouragiert werden darf, 
so wird doch nach und nach im Schutzgebiet 
auch die üUberzeugung durchgreifen, daß der 
gegenwärtige Zustand keineswegs ungefährlich 
ist, daß in den zahlreich heranwachsenden Halb- 
weißen, die von der weißen Bevölkerung aus- 
gestoßen sind und sich den Schwarzen über- 
legen fühlen, ein gefährliches Zwischenglied vor- 
handen ist, und daß gegen die Unmöglichkeit, 
eine eigene Existenz zu gründen, ein Sicherungs- 
Ventil geschaffen werden muß, wenn bei einer 
stärkeren Vermehrung der schwarzen Bevölkerung 
gefährliche Konvulsionen verhindert werden sollen. 
Ich bin aber der Ansicht, daß bei verständiger Be- 
handlung die Leute auch gern auf den Farmen 
bleiben werden und unzuträgliche Herren bei der 
großen Konkurrenz um Arbeiter unschwer mit 
besseren vertauschen können. Der Schwarze in 
Südwestafrika, mit Ausnahme der Hottentotten, 
wünscht eine Autorität über sich, die ihn dirigiert 
und leitet, und es liegt im eigenen Interesse der 
weißen Bevölkerung, ein verständiges Verhältnis 
herzustellen und zu erhalten. Die Stellung des 
Gouvernements ist hier eine schwierige; es wird 
nach Kräften bemüht sein, die gegenwärtige Ent- 
wicklung nicht zu stören. Es muß aber im 
Interesse der großen, noch unverkauften Land- 
flüächen und der für eine finanzielle Entwicklung 
des Schutzgebietes nötigen stärkeren Besiedlung 
auch dafür sorgen, daß die Zukunft nicht kom- 
promittiert wird. Da die Siedler Südwestafrikas, 
im Gegensatz zu anderen Kolonien, in dem Lande 
  
ihre dauernde Heimat und eine Wohnstätte für 
Kinder und Kindeskinder suchen, demnach für die 
Ausgleichung der Einzelinteressen mit den Interessen 
der Entwicklung des Schutzgebietes als eines Ganzen 
Sinn haben, so wird eine sorgfältige Behandlung 
dieser schwierigsten aller Fragen mit der Zeit 
sicherlich auch zu einer befriedigenden Lösung führen. 
Ein gewisser Zuzug von Arbeitern wird in 
erhöhtem Maße aus dem Ovambolande kommen, 
sobald die Residentur dort eingerichtet ist. Die 
Ovambo, welche ich gesehen habe, sind allerdings 
ziemlich rohe und ungeschickte Arbeiter und den 
Herero und den im Dienste der Weißen gewöhnten 
Namaleuten in bezug auf Intelligenz und Ar- 
beitsfähigkeit unterlegen. Für die Küstenorte 
wird der Zuzug von Kapboys in Frage kommen, 
die für den Farmbetrieb allerdings zu teuer sind. 
Die Hottentotten des Südens gewöhnen sich lang- 
sam an den Bahnbau und an eine regelmäßige 
Beschäftigung; sie wird allerdings ihrem wilden 
und ungezähmten Temperament offenbar äußerst 
schwer. 
Ich gehe jetzt auf die weiße Bevölkerung und 
ihre Wünsche über. Bei ihrer Beurteilung wird 
man sich vor Augen halten müssen, daß der 
Deutsche, welcher nach Südwestafrika zieht, 
vielerlei aufgibt, was in der Heimat als ein 
selbstverständliches Gut angesehen wird. Vielfach 
fehlt die Familie. Der Zuzug weißer Frauen 
ist äußerst erwünscht, aber doch nur da möglich, 
wo eine entsprechende Eristenzbasis vorhanden 
ist. Gesinnungsgenossen und Freunde sind 
selten. Der Kampf um das eigene Interesse 
steht meistens im Zentrum der Gedanken, weil 
staatliche Rechte und die Beteiligung an der 
Gestaltung des Gemeinwohls nur in geringem 
Maße existieren. Was in der Heimat erfrischt 
und belebt, ein geistiger Verkehr, Bildungsan- 
stalten, wie Theater und Konzerte, Erbauungs- 
möglichkeiten, eine regelmäßige Seelsorge, fehlt 
dort ganz. Der einzige Ort, in dem ein Aus- 
tausch der Interessen und Empfindungen statt- 
finden kann, ist oft nur das Wirtshaus. Für 
diese Dinge bietet die Freiheit der Bewegung, 
das Recht und die Möglichkeit größerer Selb- 
ständigkeit, das Leben in der Natur, einen ge- 
wissen, aber nicht vollwertigen Ersatz. In wolchem 
Umfange dieser Satz wahr ist, beweist der enorme 
Alkoholkonsum im Lande, der bei hoöchstens 
10 000 Weißen, vielleicht 7000 Männern, ab- 
gesehen von allen Spirituosen und Weinen, 
im Jahre 1907 35000 hl Bier ausmacht. Zum Ver- 
gleich möchte ich bemerken, daß auf der großen 
Münchener Ausstellung im vorigen Jahre bei 
ungefähr 1 000 000 Besuchern nur 8600 bhl Bier 
ausgeschänkt worden sind. Im Jahre 1907 sind 
in das Schutzgebiet alkoholhaltige Getränke im
	        
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