Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 163 20 
Als wir am Abend des 5. November bei 
Jakalskuppe durch die Berge zum Oranje ab- 
stiegen, und ich die Stelle wieder erkannte, die 
ich nach Pitts Angabe für Loreley gehalten, und 
wo ich ein weiteres Fortkommen am Fluß für 
unmöglich erachtet hatte, da schämte ich mich 
etwas, daß ich so bald die Hoffnung aufgegeben 
hatte. Wir brauchten höchstens zwei Stunden lang, 
die — für die Kamele allerdings sehr schwierige 
— Pad zu überwinden, dann wären wir mühe- 
los weitergekommen. 
Das englische Ufer an der Jakalskuppe ist 
flach und sandig. Während der Oranje hinter 
Jakalswater in großem Bogen nach Süden um- 
biegt, führt der Fußweg durch die Berge in 
ziemlich gerader Richtung nach Dabarasdrift. Hier 
stehen verlassene Pontoks und ein Grab, dessen 
Inschrift nicht mehr zu lesen war. Von Daba- 
rasdrift führt nach Nordwesten eine Pad, die un- 
gefähr 15 km südlich Obib auf die Pad Obib— 
Angwigarub trifft. 
Bei Dabarasdrift befindet sich die schmalste 
Stelle des Oranje. Hinter Dabarasdrift sind auf 
einmal wieder Sanddünen, die in nördlicher 
Richtung wehen. Ich nehme an, daß hier ein 
Dünengürtel entsteht, der sich über die Pad Obib— 
Angwigarub 18 km südlich Obib bis gegen die 
Elisabethbucht hinzieht. 
Von hier bis Arriesdrift schlängelt sich der 
Oranje in zwei großen Windungen durch die 
Berge, welche die Pad in gerader Richtung ab- 
schneidet. Auf dieser Pad begegnete mir der Bur 
Charles Brand, der von Port Nolloth kam und 
seine von der Lüderitzgesellschaft gepachtete Farm 
Dabarasdrift beziehen wollte. Er hatte ungefähr 
300 Bockies, 50 Ochsen und einige Pferde. 
In Arriesdrift traf ich auf einmal den bereits 
erwähnten Tempel wieder an, der mit Spaten 
und Picke große Löcher in die Erde grub. Auf 
meine erstaunte Frage erzählte er mir folgendes: 
Ende Oktober 1886 soll der Kaufmann Lüderitz, 
der mit einem Boot Oranje-abwärts gefahren 
und im Meer umgekommen ist, hier einen Grenz- 
stein mit der Bemerkung: „Bis hierher reicht 
mein Land“, vergraben haben. Die Lüderitzgesell- 
schaft, Lüderitz's Erbe, weiß von dem Vorhanden- 
sein des Steins nichts und ist des Glaubens, daß 
sich das von Lüderitz erworbene Land 20 deutsche 
Meilen von der Küste landeinwärts (bis Fisch- 
fluß) erstreckt, während es sich nach dem damals 
landläufigen Maße nur um 20 englische Meilen 
(bis Arriesdrift) handeln kann. 
Tempels Bemühungen, diesen Grenzstein zu 
finden, waren bis jetzt ergebnislos; doch verfolgte 
er mit unermüdlichem Eifer die Spuren, die nach 
zwanzig Jahren doch schon recht undeutlich ge- 
worden waren. 
  
Zwischen Arriesdrift und Angwigarub läuft 
der Oranje nach meiner Aufnahme mit dem Peil- 
kompaß völlig anders, als auf der Kriegskarte 
angegeben ist. Auf dieser beschreibt er einen 
Bogen nach Süden, während er in Wirklichkeit 
von Arriesdrift bis Gais in nordwestlicher Rich- 
tung läuft und bei Gais nach Südwesten umbiegt. 
Die Richtigkeit meiner Aufnahme habe ich in 
Lüderitzbucht auf einer englischen Karte bestätigt 
gesunden. 
Bei Gais tritt an den Oranje ein schmaler, 
zerklüfteter Höhenzug heran, der den Fluß zur 
Biegung nach Südwesten zwingt. Dahinter fällt 
das Gelände zum Flusse steil ab; auf halber 
Höhe führt ein schmaler Fußweg. 
Mit dem erwähnten Tempel bin ich auch in 
Groß-Derm bei dem Bur Hendrik Louve gewesen, 
um dessen schönen Garten zu besichtigen. Er hat 
vom Oranje einen 30 m langen Kanal abge- 
leitet, von dem aus eine Baggerpumpe das 
Wasser in den Garten befördert, in dem Obst- 
bäume, Weinstöcke, Hafer, Gemüse usw. herrlich 
gedeihen. . 
— 
Fast in jedem Buche, das unsere Kolonie 
beschreibt, findet man die Behauptung: Südwest- 
afrika ist ein Weideland und eignet sich nicht 
zum Ackerbau. Wenn man an Plätze geht, wo 
das Wasser knapp für Mensch und Tier ausreicht, 
dann ist es dort natürlich unmöglich, Ackerbau zu 
betreiben. Warum nutzen aber unsere Farmer 
den Oranje nicht mehr aus? Wasier ist reichlich 
dort; große Plätze, wo die Berge einer freien 
Ebene Raum geben, find genügend vorhanden, 
z. B. Jerusalem, Davis, Geitip, Violsdrift, Goab- 
drift, Klipnes, Außenkehr, Sendlingsdrift, Daba- 
rasdrift, Arriesdrift und die Oranjemündung von 
Angwigarub ab. Ich führe hier nur die Stellen an, 
die gute Verbindungswege nach den nächsten, 
großen Orten haben. Daß sich der Boden zum 
Ackerbau eignet, zeigen die Plätze, die zur Zeit 
bebaut werden: Geitip, Klipnes, Angwigarub 
und Gr. Derm (auf englischem Ufer). Besonders 
der Bur Mostard in Geitip hat einen muster- 
gültigen Garten angelegt, der ihm jetzt schon 
das hineingesteckte Kapital zurückerstattet hat. 
Dieser Gartenbau kann sich meiner Meinung 
nach nur rentieren, wenn er in so großem Maß- 
stabe angelegt wird, daß die nächsten, größeren 
Plätze mit den Erträgen völlig versehen werden 
könnten. Der Oranje hat noch eine zweite für 
den Acker= und Gartenbau sehr günstige Eigen- 
schaft. Sommer und Winter bleibt, außer an 
der Mündung, die Temperatur fast immer gleich, 
so daß man auf zwei Ernten im Jahre hoffen kann. 
Tempel erzählte mir, daß er im August 1907 
auf seinen Kamelen von der Oranjemündung
	        
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