W 285 20
mojo in Ostafrika z. B. wird von einer Karawane
in drei Monaten zurückgelegt; der Eisenbahnzug
würde sie in weniger als drei Tagen durcheilen.
Den Viktoriasee erreicht man von der Küste mit der
Ugandabahn in zwei Tagen; die Karawane braucht
zwei Monate dazu. Eine Karawane kann täglich
nur 30, die Eisenbahn bis 600 km zurücklegen.
Durch Menschenkraft können nur hochwertige
Güter über verhältnismäßig kurze Entfernungen
transportiert werden, wenn die hohen Transport-
kosten einen Gewinn übriglassen sollen. Die
Eisenbahn aber macht die Massengüter beweglich.
Ein Eisenbahnwagen allein vermag 300 Träger,
50 Kamele oder 10 Ochsenwagen zu ersetzen. In
Deutsch-Ostafrika z. B. kann mit Hilfe von Trägern
Mais nicht weiter als 50 bis 60 km., Sesam
180 km, Reis höchstens 250 km weit herbei-
gebracht werden. Die Eisenbahn holt diese Güter
500 bis 1000 km, ja noch weiter her.
Schätze an Naturprodukten, die jetzt im Innern
verkommen, kann sie lohnend zur Küste bringen.
Das hat natürlich eine Rückwirkung auf die
wirtschaftliche Entfaltung der Gebiete, die von
der Eisenbahn durchkreuzt werden. So hat sich
zum Beispiel der Kakaobau in der englischen
Goldküste gerade unter dem unmittelbaren Ein-
flusse der Eisenbahn entwickelt. Die Ausfuhr-
zahlen für Kakao seit dem Jahre 1891 sind
bereits mitgeteilt. Bringt man sie in Beziehung
zum Eisenbahnbau, so ergibt sich folgendes Bild:
Wert der Ausfuhr
in 1000 .
1893 1,9
1894 11,0
1895 . .. 9,4
1896 15,6
1897 64,0
1898 192,4 Beginn des Bahnbaues
1899 321,2
1900 545,6 Streckenweiser Betrieb
1901 856, 8
1902 . 1808,8
1903 . 1725,0 ] Bahn vollständig im Betricb
1904 4 000,6 Große Dürre
1905 3 736,2
1906 6 725,4
1907 . 10 301,8.
Ganz das Gleiche zeigt sich für die Kolonie
Südnigerien, wo der regelmäßige Bahnbetrieb
in den Jahren 1903/04 aufgenommen wurde.
Die Baumwollausfuhr, die sich in den Jahren
1901 und 1902 nur auf rund je 3000 .7“ be-
wertete, stieg im Jahre 1903 auf 142000, 1904
auf 296000, 1905 auf 317000, 1906 auf
831000 . Bei der Ugandabahn in Britisch-
Ostafrika ist ganz dasselbe zu beobachten. Die
Bahn ist seit 1903 in regelrechtem Betriebe.
Der Einfluß, den sie auf die Ausfuhr von
Kautschuk sowie von Fellen, Häuten, Hörnern
und dergleichen ausübte, läßt sich aus den nach-
stehenden Zahlen ohne weiteres ablesen.
Ausfuhr in 1000./
Kautschuk Felle u. dergl.
1901 201 135
1902 134 101
1903 280 337
190 4 328 918
1905 . 672 1674
1906 1 147 2218.
Die Ugandabahn bietet gleichzeitig ein sehr
deutliches Beispiel dafür, daß die Eisenbahn den
Güterverkehr nicht nur der unmittelbar von ihr
durchkreuzten Gebiete belebt, sondern die wirt-
schaftliche Tätigkeit auch in entfernter liegenden
Gebieten anregt bzw. deren Verkehr aufsaugt.
Die deutsche Zollstelle am Viktoriasee, dem
Endpunkte der Ugandabahn, hatte im Jahre
1895, also bevor der Bahnverkehr bestand, einen
Verkehr in Ausfuhr und Einfuhr von weniger
als ½ Million Mark. 1905 stellten sich diese
Ziffern unter dem Einflusse der Bahn auf
3¾ Millionen. Solche Beispiele lassen sich be-
liebig vermehren. Überall da, wo Eisenbahn-
linien das Inland durchkreuzen, wird das wirt-
schaftliche Leben befruchtet, die Gütererzeugung
belebt und erweitert.
Das, was über die Einwirkung der Eisen-
bahnen auf die Ausfuhr gesagt ist, hat auch für
die Einfuhr zu gelten, und zwar besonders für
solche Artikel, die geeignet und notwendig sind,
um das Innere moderner Bewirtschaftung und
Kultur zu erschließen. Nur der Schienenweg
bietet die Möglichkeit, Maschinen und Maschinen-
teile, Material für Brücken, gewerbliche Anlagen,
und dergleichen mehr in das Hinterland zu
bringen, sowie durch Beschaffung besserer Woh-
nungs= und Lebensverhältnisse die hygienischen
Verhältnisse zu verbessern. Und damit schafft
erst die Eisenbahn die Möglichkeit für aus-
gedehntere Ansiedelung von Europäern, die nur
sie mit den benötigten europäischen Erzeugnissen
ausreichend versorgen kann.
Eine weitere, sehr bedeutsame Rolle fällt den
Eisenbahnen in den Kolonien insofern zu, als sie
vor der Hand das beste Mittel zur Lösung der
Arbeiterfrage bilden. Die Schwierigkeit, für
Plantagen und dergleichen Arbeiter zu erhalten,
ist eins der schlimmsten Hemmnisse für ihre Ent-
wicklung. Ebenso wird das Entstehen von Volks-
kulturen, auf denen in unseren tropischen Kolonien
Togo, Kamerun und Ostafrika die wirtschaftliche
Entfaltung wesentlich mit beruht, dadurch hint-
1) Vom 1. April des Vorjahrs bis zum 31. Märg
des Berichtsjahres.