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Zügen haben sie vielfach etwas Rohes und Bai-
ningartiges. Prognatismus tritt mehr hervor.
Sie find Langschädel und von mittlerer Größe,
von kräftigem, wohlproportioniertem Körper-, aber
von erheblich gröberem Knochenbau, als die vorher
erwähnten Papuas. Manche waren von oben
bis unten pechschwarz bemalt, mit bunter Deck-
farbe im Gesicht, ein Zeichen, wie ich glaube, daß
sie schwarze Leute sein wollen, daß das Schwarz
ihrer Haut ihr Stolz und Ehrgeiz ist, nicht das
Braun der Küstenstämme. Sie sind nicht be-
schnitten, die Schamhaare sind wegrasiert. Wie
in ihrer ganzen Erscheinung, so haben sie auch
in ihrer Haartracht wenig Papuaartiges an sich.
Die riesige Frisur ist verschwunden; Weiber und
junge Leute sind meistens ganz kurz geschoren;
sie tragen, wie wir sagen würden, einen „Stifte-
kopf“. Die erwachsenen Männer lassen ihr Haar
in langen Strähnen an allen Seiten des Kopfes
herunterhängen. Es sieht aus, als sei jede einzelne
auf einem dünnen Lockenstock aufgewickelt gewesen.
Alles ist mit öliger Farbe durchtränkt, sieht tief-
schwarz aus und klebt. Ausgeprägte Ziernarben
in Form von Halbkreisen um die Brustwarzen
herum und am Gesäß fallen auf. Die Leute sind
wenig bekleidet, meist ganz nackt. Auf ihren
Kulturbesitz und ihre Kunstfertigkeit einzugehen,
würde hier zu weit führen. Es mag nur erwähnt
sein, daß sie die Töpferei besitzen, daß ihnen der
Bogen unbekannt ist und daß das in dieser ganzen
Gegend übliche Wurfbrett stromaufwärts immer
seltener wird. Die lange Lanze à la Baining
scheint an seine Stelle zu treten.
Linguistisch habe ich infolge des erwähnten
Dolmetschermangels nicht das Geringste festzustellen
vermocht. Um diesem Ubelstande ein wenig ab-
zuhelfen, gleichzeitig aber auch, um das Gouverne-=
ment bei der Anwerbung, die unter diesen Um-
ständen natürlich ausnahmslos versagte, zu unter-
stützen, erbot ich mich, an dem zuletzt erreichten
Ort vierzehn Tage allein zurückzubleiben. Man
kann innerhalb dieser Zeit sprachlich schon ganz
Erhebliches leisten, und ich wußte ferner aus
eigener persönlicher Erfahrung, daß, wenn die
Eingeborenen des weißen Mannes Tun und Wandel
kennen gelernt, wenn sie beobachtet haben, wie er
kocht, wie er ißt und trinkt, wie er befiehlt, wie
er gütig, wie er streng ist — daß sie dann Ver-
trauen zu ihm gewinnen und daß in Vielen die
Begierde wach wird, auf dem Wege der Anwer-
bung das Land dieser wundervollen Menschen
kennen zu lernen. Ich wollte zu meiner eigenen
vierköpfigen Truppe nur noch fünf Soldaten haben,
um nachts einen Posten stellen zu können. Die
„Langeoog“ sollte ihre Fahrt ohne mich fortsetzen
und nach etwa zwölf Tagen auf ihrer Rückreise
den Fluß noch einmal hinaufdampfen, um mich
und die etwa Angeworbenen abzuholen. Ich erbot
mich, dann für eine weitere zweitägige Fahrt
stromaufwärts und für die entsprechende eintägige
Fahrt stromabwärts die entstehenden Mehrkosten
im Interesse der Forschung aus dem Expeditions-
fonds zu zahlen. Die Annahme dieses Vorschlags
wurde jedoch von der Leitung wegen Zeitmangels
abgelehnt.
So traten wir denn am Morgen des 24. No-
vember die Rückfahrt an, die glatter ablief, als
Kapitän Roscher zu hoffen gewagt hatte. Nach
Ausfahrt aus dem Strom ging die „Langeoog“
am Morgen des 26. bei Utam im Mündungs-
gebiet vor Anker. Mit dem von mir in Derpuap
und den beiden, von der Leitung besorgten Dol-
metschern fuhr ich hier an Land, um für einen
Tag ins Innere zu gehen, während die „Langeoog“
inzwischen an anderen Stellen arbeiten und am
Abend zurückkehren wollte. Bei Annäherung der
„Langeoog“ waren sämtliche Weiber und Kinder
des Dorfes auf die Lagune geflohen. Ich mußte
sie daher erst beruhigen und warten, bis zwei
gute Einbäume für meinen Gebrauch zurückgekehrt
waren. Um die Mittagsstunde konnte ich endlich
abfahren und sauste dann mit Ausnahme einer
etwa einstündigen Pause im Dorf Mobu bis zum
späten Abend andauernd in schnellster Gangart
über die Lagune dahin. Die Fahrt ging meist
in südlicher, aber auch in südöstlicher Richtung.
Zwei Einbäume hatte ich bei mir, ein dritter
ging unter dem Dolmetscher aus Derpuap in be-
sonderem Auftrag ab, um später wieder zu mir
zu stoßen. Genau wie bei der früheren Fahrt
war ich mit meinen dieser Fahrzeuge unkundigen
Leuten gezwungen, flach auf dem Boden des
Einbaums zu sitzen. Das war diesmal um so
unerfreulicher, als es während der Reise meist
heftig regnete, so daß ich andauernd in einer
Wasserschicht saß. Das Wasser der Lagune habe
ich wiederholt geprüft. Es ist zunächst stark salz-
haltig, wird dann brackig und schmeckt schließlich,
in der Gegend des Zuflusses vom Augustastrom,
fast wie Süßwasser. Bald nach Beginn der Fahrt
begleitete uns längere Zeit ein großer Haifisch in
peinlicher Nähe; die reine Mangrovenvegetation
der Küstengegend wird nach dem Innern und
dem Strome zu immer mehr durch eine Flußufer-
vegetation abgelöst. Bei der Rückfahrt im Dunkeln
wurde nach der Küste zu ein immer stärkeres
Meerleuchten beobachtet.
Nach längerer Fahrt näherten sich meine
beiden Einbäume dem Buschdorf Mabu; kurz
vorher war noch eine künstliche Flußsperre zu
überwinden, über die unsere Fahrzeuge gezogen
werden mußten. In strömendem Regen erreichte
ich das halb unter Wasser gesetzte Pfahldorf.
Sofort ging es oben in das Haus-Tamboranu