Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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mitnehmen; dieser Befehl ist aber wahrscheinlich 
von vielen nicht befolgt worden. 
8 km vom Lager wurde die Abteilung vor- 
mittags auf einer Lichtung beschossen. Sie er- 
widerte das Feuer sofort und wehrte im Viereck 
zunächst alle Angriffe ab. Eine Attacke, die der 
Dragoner-Zug in den Busch hinein zu reiten 
versuchte, scheiterte völlig, zumal sich die Maul- 
tiere dazu als ganz ungeeignet erwiesen. Die 
beiden Geschütze kamen kaum zum Schuß, da die 
Munition nicht paßte. Auch ein Vorstoß der 
Mannschaften des Strafbataillons konnte der von 
beiden Flanken umfaßten Abteilung keine Luft 
schaffen. Die ungenügend ausgebildeten und an 
keine Feuerdisziplin gewöhnten Truppen ver- 
schossen ihre Patronen leichtfertig. Daher trat 
schon nach etwa anderthalbstündigem Gefecht 
Munitionsmangel ein, und der Führer befahl 
den Rückzug. Dieser Befehl führte zu völliger 
Auflösung des Vierecks, in das der Gegner ein- 
drang; mit Speer und Keule machte er die Hälfte 
der Abteilung nieder. Der Rest rettete sich in 
regelloser Flucht und erreichte mittags wieder 
das Lager. 
Dort hatte Hauptmann Aguiar das Schießen 
gehört. Er hielt aber eine Gefahr für aus- 
geschlossen und glaubte an einen Sieg, als das 
Feuer langsam verstummte. Ein Versuch, zu er- 
fahren, was vorgehe, ist anscheinend überhaupt 
nicht gemacht worden. Die ankommenden Flücht- 
linge brachten die erste Nachricht über das Gefecht 
und seinen Ausgang. Zetzt brach eine völlige 
Panik aus. Das Lager wurde sofort abgebrochen 
und man ging auf das rechte Kunene-Ufer zurück. 
Mit dieser Niederlage fanden die Unter- 
nehmungen des Jahres 1904 ihr Ende. Von 
1000 Mann, die den Kunene überschritten hatten, 
waren 259 tot und 50 verwundet. 200 hatten 
sich zwar der Katastrophe durch die Flucht ent- 
zogen, waren jedoch in ihrem moralischen Halt 
so erschüttert, daß an eine Verwendung zunächst 
nicht wieder gedacht werden konnte. Der Rest 
von 500 Mann aber war bisher nicht ins Gefecht 
gekommen; weitere 500 Mann standen westlich 
des Kunene verteilt, und eine Reserve von 
700 Mann war in der Bildung begriffen. Es 
könnte daher auffallend erscheinen, daß jetzt schon 
auf jede weitere Unternehmung verzichtet wurde, 
aber es war doch wohl das Richtige. Die an 
und für sich nur lose gefügten Truppenkörper 
hatten durch die Niederlage alle Zuversicht ver- 
loren, und die neu angeworbenen Angola-Truppen 
liefen teilweise einfach auseinander. An eine 
sofortige Wiederaufnahme der Operationen war 
also nicht zu denken, und Ende Oktober hörte 
aus klimatischen Rücksichten die Möglichkeit auf, 
  
weiße Truppen zu verwenden. So war man 
zufrieden, vom Gegner in Ruhe gelassen zu werden. 
Tatsächlich gingen die Ovambos auch nicht 
zum Angriff über. Sie begnügten sich mit dem 
erreichten Erfolge. Zwei Geschütze und etwa 
400 Gewehre sollen ihnen beim Kampfe in die 
Hände gefallen sein und angeblich noch weitere 
Gewehre und zahlreiche Munition, die auf stehen- 
gebliebenen Wagen verpackt waren. Moralisch 
und materiell waren sie gestärkt für neuen Wider- 
stand. 
Die Portugiesen haben aus diesen Ereignissen 
die richtige Lehre gezogen, daß man koloniale 
Unternehmungen nicht überstürzen darf, sondern 
daß gründliche Vorbereitung nötig ist, auch wenn 
dadurch zunächst scheinbar Zeit verloren wird. 
Nach diesen Erfahrungen haben sie seitdem ge- 
handelt, und sie wären so wohl schon 1905 zu 
einem entscheidenden Erfolge gekommen, wenn 
nicht Geldmangel und innerpolitische Verhältnisse 
immer wieder hemmend in den Weg getreten 
wären. 
Den Gedanken, bis zum Frühjahr 1905 be- 
deutende Verstärkungen, 4000 bis 5000 Mann, 
aus der Heimat heranzuziehen, ließ man bald 
wieder fallen. Die Hereros waren inzwischen 
niedergeworfen, die Masse der deutschen Truppen 
war zum Hottentotten-Feldzuge abgezogen, und 
damit hatte die Ovambofrage ihre Dringlichkeit 
verloren. Man ließ sich Zeit zu neuem Vor- 
gehen und war vorübergehend wohl sogar geneigt, 
ganz darauf zu verzichten. 
Hauptmann Rocadas vom Generalstabe wurde 
zum Gouverneur des Distriktes Huilla ernannt. 
Der spätere Erfolg hat bewiesen, daß man den 
richtigen Mann gewählt hatte. Er zeigte sich den 
vielseitigen und schwierigen Aufgaben, die an ihn 
herantraten, durchaus gewachsen, und wohl ihm 
in erster Linie ist es zu danken, daß die Offensive 
schließlich überhaupt wieder aufgenommen wurde. 
Zunächst hatte die Niederlage eine Zunahme 
der allgemeinen Unsicherheit auch auf dem rechten 
Kunene-Ufer und bis gegen Lubango hin zur Folge 
gehabt. Die 16. Eingeborenen-Kompagnie wurde 
im März 1905 bei Gambos überfallen, floh in 
gänzlicher Auflösung und ließ zahlreiche Waffen 
in Händen des Feindes. Im August kam es 
am oberen Kunene bei Kakonda zu einem anderen 
Zusammenstoß mit plündernden Horden. 
Die Wiederherstellung der Sicherheit auf dem 
rechten Kunene-Ufer bildete somit die erste Auf- 
gabe. Erst nachdem auf diese Weise das Etappen- 
gebiet gesichert war, wollte Hauptmann Rocadas 
erneut gegen die Ovambos vorgehen.
	        
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