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mitnehmen; dieser Befehl ist aber wahrscheinlich
von vielen nicht befolgt worden.
8 km vom Lager wurde die Abteilung vor-
mittags auf einer Lichtung beschossen. Sie er-
widerte das Feuer sofort und wehrte im Viereck
zunächst alle Angriffe ab. Eine Attacke, die der
Dragoner-Zug in den Busch hinein zu reiten
versuchte, scheiterte völlig, zumal sich die Maul-
tiere dazu als ganz ungeeignet erwiesen. Die
beiden Geschütze kamen kaum zum Schuß, da die
Munition nicht paßte. Auch ein Vorstoß der
Mannschaften des Strafbataillons konnte der von
beiden Flanken umfaßten Abteilung keine Luft
schaffen. Die ungenügend ausgebildeten und an
keine Feuerdisziplin gewöhnten Truppen ver-
schossen ihre Patronen leichtfertig. Daher trat
schon nach etwa anderthalbstündigem Gefecht
Munitionsmangel ein, und der Führer befahl
den Rückzug. Dieser Befehl führte zu völliger
Auflösung des Vierecks, in das der Gegner ein-
drang; mit Speer und Keule machte er die Hälfte
der Abteilung nieder. Der Rest rettete sich in
regelloser Flucht und erreichte mittags wieder
das Lager.
Dort hatte Hauptmann Aguiar das Schießen
gehört. Er hielt aber eine Gefahr für aus-
geschlossen und glaubte an einen Sieg, als das
Feuer langsam verstummte. Ein Versuch, zu er-
fahren, was vorgehe, ist anscheinend überhaupt
nicht gemacht worden. Die ankommenden Flücht-
linge brachten die erste Nachricht über das Gefecht
und seinen Ausgang. Zetzt brach eine völlige
Panik aus. Das Lager wurde sofort abgebrochen
und man ging auf das rechte Kunene-Ufer zurück.
Mit dieser Niederlage fanden die Unter-
nehmungen des Jahres 1904 ihr Ende. Von
1000 Mann, die den Kunene überschritten hatten,
waren 259 tot und 50 verwundet. 200 hatten
sich zwar der Katastrophe durch die Flucht ent-
zogen, waren jedoch in ihrem moralischen Halt
so erschüttert, daß an eine Verwendung zunächst
nicht wieder gedacht werden konnte. Der Rest
von 500 Mann aber war bisher nicht ins Gefecht
gekommen; weitere 500 Mann standen westlich
des Kunene verteilt, und eine Reserve von
700 Mann war in der Bildung begriffen. Es
könnte daher auffallend erscheinen, daß jetzt schon
auf jede weitere Unternehmung verzichtet wurde,
aber es war doch wohl das Richtige. Die an
und für sich nur lose gefügten Truppenkörper
hatten durch die Niederlage alle Zuversicht ver-
loren, und die neu angeworbenen Angola-Truppen
liefen teilweise einfach auseinander. An eine
sofortige Wiederaufnahme der Operationen war
also nicht zu denken, und Ende Oktober hörte
aus klimatischen Rücksichten die Möglichkeit auf,
weiße Truppen zu verwenden. So war man
zufrieden, vom Gegner in Ruhe gelassen zu werden.
Tatsächlich gingen die Ovambos auch nicht
zum Angriff über. Sie begnügten sich mit dem
erreichten Erfolge. Zwei Geschütze und etwa
400 Gewehre sollen ihnen beim Kampfe in die
Hände gefallen sein und angeblich noch weitere
Gewehre und zahlreiche Munition, die auf stehen-
gebliebenen Wagen verpackt waren. Moralisch
und materiell waren sie gestärkt für neuen Wider-
stand.
Die Portugiesen haben aus diesen Ereignissen
die richtige Lehre gezogen, daß man koloniale
Unternehmungen nicht überstürzen darf, sondern
daß gründliche Vorbereitung nötig ist, auch wenn
dadurch zunächst scheinbar Zeit verloren wird.
Nach diesen Erfahrungen haben sie seitdem ge-
handelt, und sie wären so wohl schon 1905 zu
einem entscheidenden Erfolge gekommen, wenn
nicht Geldmangel und innerpolitische Verhältnisse
immer wieder hemmend in den Weg getreten
wären.
Den Gedanken, bis zum Frühjahr 1905 be-
deutende Verstärkungen, 4000 bis 5000 Mann,
aus der Heimat heranzuziehen, ließ man bald
wieder fallen. Die Hereros waren inzwischen
niedergeworfen, die Masse der deutschen Truppen
war zum Hottentotten-Feldzuge abgezogen, und
damit hatte die Ovambofrage ihre Dringlichkeit
verloren. Man ließ sich Zeit zu neuem Vor-
gehen und war vorübergehend wohl sogar geneigt,
ganz darauf zu verzichten.
Hauptmann Rocadas vom Generalstabe wurde
zum Gouverneur des Distriktes Huilla ernannt.
Der spätere Erfolg hat bewiesen, daß man den
richtigen Mann gewählt hatte. Er zeigte sich den
vielseitigen und schwierigen Aufgaben, die an ihn
herantraten, durchaus gewachsen, und wohl ihm
in erster Linie ist es zu danken, daß die Offensive
schließlich überhaupt wieder aufgenommen wurde.
Zunächst hatte die Niederlage eine Zunahme
der allgemeinen Unsicherheit auch auf dem rechten
Kunene-Ufer und bis gegen Lubango hin zur Folge
gehabt. Die 16. Eingeborenen-Kompagnie wurde
im März 1905 bei Gambos überfallen, floh in
gänzlicher Auflösung und ließ zahlreiche Waffen
in Händen des Feindes. Im August kam es
am oberen Kunene bei Kakonda zu einem anderen
Zusammenstoß mit plündernden Horden.
Die Wiederherstellung der Sicherheit auf dem
rechten Kunene-Ufer bildete somit die erste Auf-
gabe. Erst nachdem auf diese Weise das Etappen-
gebiet gesichert war, wollte Hauptmann Rocadas
erneut gegen die Ovambos vorgehen.