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ling genannt wird. Doch leider hat die samoanische
Geschichte gezeigt, daß die redegewandten Samoaner
gänzlich ungeeignet sind, sich selbst zu regieren, und
daß, wenn sie sich selbst und ihren alten Einrichtungen
überlassen wären, wiederum die alten Zwistigkeiten
und Kämpfe ausbrechen würden, welche die neuerdings
durch Anlage größerer Pflanzungen auf Samoa erheb-
lich gewachsenen deutschen Interessen auf das schwerste
in Mitleidenschaft ziehen müßten. Wenn diese Auf-
lehnung der konservativen Elemente unter den Sa-
moannern, welche die Neuordnung der Dinge mit
scheelen Augen ansehen und zu den alten Einrichtungen
zurückkehren wollen, einen solchen Umfang annehmen
konnte, so ist dies vor allem dem Einfluß des mehrfach
genannten Lauaki zuzuschreiben. Dieser ist ein Mann
von schlanker Gestalt, etwa in den Fünfzigern, mit
scharfen, fast europäischen Gesichtsgügen, welche hohe
Intelligenz und Energie verraten, jedoch durch und
durch Anhänger der alten samoanischen Traditionen.
Er ist der größte Redner des samoanischen V-olkes, ein
Mann, der zwar nicht durch Geburt eine hohe Stellung
einnimmt, aber durch rednerische Begabung wie durch
Klugheit und Fähigkeit für die Politik, was in Samoa
etwa gleichbedeutend mit Intrige ist, hervorragt. Er
versteht es nach Art der bedeutenden Redner des Alter-
tums, seine Landesgenossen mit sich fortzureißen, und
war bereits bei den letzten Kämpfen 1899 der aus-
schlaggebende Faktor, indem er die Mehrheit der Ein-
geborenen Sawaiis auf die Seite Matgafas brachte
und damit für diesen eine überwältigende Mehrheit schuf.
liber die Vorgänge in Samoa licgen genauere
anthentische Nachrichten noch nicht vor. In einem Teil
der Presse ist das nach Privatnachrichten angeblich
erfolgte Küssen der Bibel durch den Gouverneur als
eine unwürdige Handlung bezeichnet worden. Es mag
hierzu bemerkt werden, daß der größere Teil der
Samoaner Anhänger der englischen oder der englisch-
wesleyanischen Mission ist, und daß sich daraus die
Sitte des Bibelküssens zur Bekräftigung feierlicher
Versicherung herleitet. Vor englischen und amerika-
nischen Gerichtshöfen erfolgt die Abnahme des Eides
regelmäßig in der Form, daß der Schwörende die
Bibel küßt.
Was die jüngsten Vorgänge anlangt, so steht fest,
daß durch das blosße Erscheinen dreier dentscher Kriegs-
schiffe die Ruhe wieder hergestellt worden ist, ohne
dass es eines kriegerischen Vorgehbens gegen die
Samoaner bedurft hat. Auch geht aus den vor-
liegenden Nachrichten hervor, daß die Bewegung zwar
gegen die neue Form der Regierung gerichtet war,
nicht aber gegen die weiße Bevolkerung. Irgend ein
Angriff gegen Europäer ist nicht vorgekommen. Daß
ein solcher, sofern das gegenseitige Verhältnis zwischen
Weißen und Samoanern sich nicht von Grund aus
#ndert, jemals erfolgen wird, ist äußerst unwahrschein-
lich. Das dürfte die einstimmige Meinung auch der
alten Ansiedler sein, welche bereits vor der Errichmug
der deutschen Herrschaft in Samva im Lande ansässig
waren, und die vielfach mit samoanischen oder Halb-
blutfrauen verheiratet sind. Die Bünsche, die von
draußen auf die Eutsendung von Truppen nach Samoa
gerichtet sind, dürften nahe zu ausschließlich aus den
Kreisen der erst nach der Flaggenhissung nach Samoa
gekommenen Ansiedler stammen, die mit samoanischen
Sitten und Gebräuchen weniger vertraut sind. Während
die Mehrzahl dieser wohl lediglich von der begreiflichen
Besorgnis vor etwaigen Angriffen der Eingeborenen
getrieben wird, steht wohl auch mancher von ihnen
auf dem Herrenstandpunkt, der die Weißen als unbe-
dingte Herren und die Cingeborenen nur als be-
dingungelos Unterworfene zu sehen wünscht. Daß
vielleicht auch einer oder der andere der als Gastwirte
oder Storekeeper in Apia tätigen älteren Ansiedler aus
begreiflichen Gründen eine erhebliche Vermehrung der
weißen kaufkräftigen Bevölkerung nicht ungern sehen
würde, soll nicht bestritten werden. Die Folge der
Stationierung einer weißen Truppe für das Land
dürfte aber, abgesehen von einer unvermeidlichen Ver-
mohrung der Halbblutbevolkerung, hauptsächlich in der
Schaffung einer Quelle beständiger Beunruhigung für
Weiße und Eingeborene bestehen. Daß sich Gelegen-
heit zum Kampf für diese Truppe bieten würde, ist,
wie die Verhältnisse liegen, nicht anzunehmen. Sollte
es indessen unter dem Einfluß des etwa einsetzenden
Druckes der auf eine bewaffnete Macht gestützten
Regierung zu einer Einigung der feindlichen Parteien
unter den Samoanern und zu einem allgemeinen
Aufstand derselben kommen, so würde eine Macht
von der Stärke eines Jägerbataillons — hiervon
war im Reichstag die Rede — keineswegs auoereichen,
um den Aufstand niederzuschlagen. Die Samoaner
können 6—7000 Prieger aufstellen, die jeden Weg und
Steg kennen und von denen ein größerer Teil noch aus
früheren Tagen mit den Kämpfen im Busch wohl vertraut
ist. Die Samoainseln sind bergig und. soweit die An-
siedelungen und Pflanzungen nicht reichen, mit dichtem
Urwald bedeckt. Die Curopäer würden sich bei Kämpfen
im Innern den Eingeborenen gegenüber im erheblichen
Nachteil befinden. Was ein Kampf weißer Truppen
gegen intelligente Eingeborene im tropischen Urwald
bedentet, dafür liefert die Geschichte fremder Kolonial-=
mächte, wie auch die Geschichte Samoas selbst Beispiele.
Die Stationierung weißer Truppen auf Samoa
kann hiernach nur als unzweckmäßig betrachtet werden.
ganz abgesehen davon, daß das Erscheinen eines
Bataillons deutscher Soldaten in der Südsee eine
bedeutende Aufregung in der südlichen Oemisphäre,
besonders aber bei den Australiern hervorrufen und
als Beginn der deutschen Invasion in jenen entlegenen
Kontinent gedeutet werden würde. Doch betrachten
wir zum Überfluß einmal die Kosten, die das ver-
ursachen würde, und vergleichen sie mit dem Obiekt.
um das es sich handelt. Wie hoch die Kosten sein
würden, lehrt das Beispiel von Südwestafrika, wo die
Schutztruppe ohne Versorgungsgebührnisse öl20. pr
Mann und Jahr kostet. Rechnet man die längeren
Transportwege über See gegen die Kosten der Ver-
pflegung in Südwest und statt der berittenen eine
Fußtruppe, so wird man niedrig gerechnet auf etwa
1000 pro Mann kommen, also für ein Bataillon
(5000 Mann) pro Jahr 2 000 000 Belastung des
heimischen Steuerzahlers zu rechnen haben. Die
Stationierung einer größeren Truppenzahl würde ent-
sprechend weitere Millionen kosten.
Welche wirtschaftlichen Werte stehen nun diesen
Kosten gegenüber? Das Schutzgebiet ist 2572 Juadrat=
kilometer groß. (Herzogtum Sachsen-Meiningen 2168
OQuadratkilometer, Provinz Brandenburg 39 842 LJua-
dratkilometer.) Die gesamte weiße Bevölkerung beirug
am 1. Jannar 1908 436 Köpfe, davon waren 395
erwachsene Personen: Deutsche gab es nur 262, davon
42 Beamte und Missionare. 418 Frauen, 27 Kinder,
bleiben deutsche erwerbstätige Personen 145. Von
den im Schutzggebiet verheirateten insgesamt 133 MWeißen
waren nicht weniger als 90 mit farbigen Frauen ver-
heiratet. Dementsprechend stark ist auch die Mischlinge-
bevölkerung (1939 KRoöpfe., Zunahme in einem Jahre
53 Köpfe. Der größte Teil der mit farbigen Frauen
verheirateten Männer, 90 von 317, also mehr als ein
Viertel, sympathisiert mit den Eingeborenen, ebenso
selbstverftändlich alle Mischlinge. Eingeborene eristieren
in Samoa (Zenfus 1906) 10 120 Männer, 9563 Weiber.