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seiner „lumbu“, keine Frau mit ihrem „lumbu“
die Ehe eingehen, und wären sie nach unseren
Anschauungen auch nur entfernte Vettern und
Basen. Es ist dasselbe, nur mit anderen Worten
ausgedrückt, wenn es bei den Hehe heißt, man
darf nur aus einem anderen Clan („mulonge“)
oder bei einem anderen Totem („mnutsilo“) hei-
raten, denn es kommt vor, daß zwei Clane den-
selbten Namen bei verschiedenem Totem oder das-
selbe Totem bei verschiedenem Namen führen;
es ist dasselbe, wenn bei den Swaheli nur die
Vetternschaft („utani“) unter den Verwandten zur
Ehe schreiten kann; es ist dasselbe, wenn bei den
Saramo die Vorschrift so formuliert wird: „wir
erlauben zu heiraten einen Abkömmling der
„sekulu““, denn nur Abkömmlinge von Vaters-
mutter oder Muttersvater sind „mitani“ „ver-
vettert“.
Auch im Falle der unwissentlichen Übertretung
dieses Eheverbots — eine wissentliche wurde mir
stets als undenkbar bezeichnet — habe ich keine
weltliche Strafandrohung ermitteln können; es
hieß dann, die „Blutschänder“ würden in schwere
Krankheit fallen, etwa so gezeugte Kinder würden
früh sterben. Bei den Swaheli, die generations-
lang vom Mohammedanismus beeinflußt sind,
soll dieses Eheverbot nicht mehr streng gehalten
werden; von den Hehe ist mir jedoch bekannt, daß
getaufte Christen nicht davon abzubringen waren.
Das Gebiet des Erb= und Schuldrechts
hängt gleichfalls eng mit dem totemistischen Clan-
wesen zusammen. Bei den Saramo hat früher,
d. h. in vormohammedanischer Zeit, der Neffe
„mwihwa“ von seinem Mutterbruder „mtumba“
zu gleichen Teilen mit dessen Kindern geerbt, und
zu Lebzeiten dieses Onkels war er, nicht der leib-
liche Sohn, bei Verschuldung verpflichtet, als
Pfandarbeiter einzutreten. Ich bin in diese ver-
wickelten und wahrscheinlich auch bei den drei
Formen der Totemfolge verschiedenen Rechtsver-
hältnisse nicht tiefer eingedrungen. Aber ich ver-
mute, daß sie uns Europäern verständlicher würden,
wenn wir das uns geläufige Individualrecht nicht
überall voraussetzten, sondern dem Clan-Genossen-
schaftsrecht nachspürten, das Sachen= und Erbrecht,
wahrscheinlich auch Blutrache und Blutsbrüderschaft,
manchmal auch Thronfolge und Kriegsgefolgschaft
wird erklären können; denn dem Eingeborenen
find seine Grundauffassungen vom Clanwesen so
selbstverständlich, daß er in seiner Naivität nicht
begreift, wie es anders sein könnte, und erst recht
nicht begreift, wie der ihm so vielfach geistig über-
legene Europäer die „einfachsten Dinge“ wie
„’ndugu“ und „lumbu“ verwechselt und ihn gar
veranlassen will, sich über „heilige Verpflichtungen“
gegenüber Totem und Clan hinwegzusetzen.
Die Beschäftigung mit solchen völkerpsycholo-
gischen Erscheinungen, wie es Totem und Clan-
verwandtschaft (ebenso Zauberwesen, Ahnenkult,
Fetischismus usw.) sind, ist keine unfruchtbare
Spielerei. Derartige Studien sind mindestens
Erleichterungen, wenn nicht Erfordernisse für
Missionsarbeit, für Rechtsprechung unter Einge-
borenen, für ärztliche Tätigkeit, für jede Art von
Kolonialpraxis, die sich nicht nur auf materielle
Macht, sondern auf ideelle Imponderabilien, auf
Vertrauen und geistiges Beherrschen stützen will.
In diesem Sinne sollen diese Ausführungen,
die keine erschöpfende Darstellung des großen
Themas bieten können, Anregungen zu weiteren
Forschungen und zu ihrer praktischen Nutzbar-
machung sein.
Der Tod des Sultans Risabo.
Der bejahrte Sultan Kisabo von Urundi
hatte dem Verwalter der Residentur Urundi mit-
geteilt, daß er dem Residenten einen Besuch ab-
statten wolle. Krankheitshalber konnte er aber
zunächst nicht kommen. Dann ließ er sagen, er
könne jetzt überhaupt nicht kommen, die Sonne
sei zu heiß usw. Hauptmann Fonck ließ ihm
sagen, es wäre ihm lieb, wenn er käme, er würde
sich sehr freuen, ihn zu sehen, es hätte aber keine
Eile und er solle nur warten, bis er wieder
gesund sei. Gleichzeitig schickte er ihm einige
Nummern einer illustrierten Zeitschrift und einen mit
vielen großen Abbildungen aller möglichen Gegen-
stände versehenen — Katalog einer Stahlwaren-
handlung. Diese Sendung hatte den unerwarteten
Erfolg, daß sich Kisabo alsbald auf die Reise
machte und dem Hauptmann Fonck durch voraus-
gesandte Boten sagen ließ: Er käme schnell, er
hätte große Angst, denn in dem „Buche“ (dem
Katalog) seien viele Messer abgebildet; es schiene
ihm daher, als ob Hauptmann Fonck ihn be-
kriegen wolle, er käme also umgehend, trotzdem
er krank sei. Einen Tagemarsch von Usumbura
wollte er dann wieder umkehren, da er erstens
wirklich krank war und dann auch wohl sehr
besorgt um sein Leben gewesen sein muß. Fonck
beruhigte ihn aber und er kam.
Am 20. August traf Kisabo mit vielen seiner
stattlichen Söhne und einer Menge festlich ge-
schmückter Leute in Usumbura ein. Er lag auf
einer Tragbahre und war derart schwach und
erregt, daß der Resident besorgte, er würde in
seinem Zimmer sterben.
Der ganze Besuch verlief nun unter vielen
Ruhepausen und dauerndem freundlichen Zureden
völlig zufriedenstellend. Kisabo war außerstande,
sich zu erheben und blieb in einer Decke ein-