thumbs: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Der Bonapartismus. 171 
Aber so tief waren die Gedanken der Welteroberung bereits in das. 
Leben des neuen Frankreichs eingedrungen: die französische Nation empfand 
den Verlust ihrer italienischen Machtstellung als eine unerträgliche Schmach, 
begrüßte den heimkehrenden ägyptischen Helden mit aufrichtigem Jubel als 
ihren Erretter. Der Staatsstreich vom 18. Brumaire brachte kraft einer 
inneren Nothwendigkeit die Staatsgewalt in die Hände des Heerführers, 
der schon seit drei Jahren durch den Schrecken seiner Waffen die radicale 
Kriegspartei am Ruder erhalten hatte, und schenkte dem neuen Frankreich 
jene Verfassung, die mit unwesentlichen Aenderungen fortbesteht bis zum 
heutigen Tage. Die beiden einzigen neuen politischen Ideen, welche in 
der Nation feste Wurzeln geschlagen hatten, die Gedanken der Staatseinheit 
und der socialen Gleichheit, wurden bis in ihre letzten Folgen durchgeführt, 
die veränderte Vertheilung des Eigenthums anerkannt und durch eine strenge 
Rechtspflege gesichert. Ueber der ungegliederten Masse dieses Volkes der 
Gleichen erhob sich der homme-peuple, der demokratische Selbstherrscher, 
in dessen schrankenloser Macht die eine und untheilbare Nation mit Genug- 
thuung ihre eigene Größe genoß. Ihm gehorchte die festgefügte Hierarchie 
des schlagfertigen neuen Beamtenthums, das jedem Ehrgeiz, wenn er sich 
nur dem Herrscher unterwarf, Befriedigung versprach und den Regierten 
alle Sorge und Arbeit für das gemeine Wohl abnahm. Ihm diente blind- 
lings das Heer der Conscribirten aus den niederen Ständen; eine den 
Zwecken der Eroberungspolitik glücklich angepaßte Heeresorganisation stellte 
dem ersten Consul zugleich die Massen eines Volksaufgebotes und die 
technische Tüchtigkeit einer langgedienten Söldnertruppe zur Verfügung. 
Die besitzenden Klassen aber sahen, befreit von der Last der Wehrpflicht, 
in bequemer Sicherheit den Triumphen der dreifarbigen Fahnen zu und 
lernten die aufregenden Nachrichten von Krieg und Sieg als einen un- 
entbehrlichen Zeitvertreib schätzen. 
Es war zugleich der höchste Triumph und die Selbstvernichtung der 
Volkssouveränität. Es war der stolzeste, der gescheidteste, der bestgeordnete 
Despotismus der neuen Geschichte, der nothwendige Abschluß des Entwick- 
lungsganges, welchen der französische Staat seit der Thronbesteigung der 
Bourbonen eingeschlagen hatte. Auch der altüberlieferte katholische Charakter 
der französischen Bildung wurde jetzt durch das Concordat wiederhergestellt. 
Alle die fruchtbaren neuen Gedanken, welche die Gesetzgebung der National- 
versammlung und des Convents verwirklicht oder vorbereitet hatte, fanden 
in dem Präfectensysteme, den Rechtsbüchern, dem Finanz= und Heerwesen 
der neuen Selbstherrschaft sachkundige Verwerthung, soweit sie den beiden 
Zwecken der Demokratisirung der Gesellschaft und der Centralisation des 
Staates entsprachen. Hingegen von den Freiheitswünschen der Revolution, 
von der Theilnahme der Nation an der Staatsleitung blieb nichts übrig 
als ein leeres Schaugepräge werthloser parlamentarischer Formen. Die 
Verfassung des napoleonischen Frankreichs war, wie die des altbourbo-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.