Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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sie oft ohne Aufsicht waren und beim Traben nach- 
kommen mußten, sind sie nicht fortgelaufen, son- 
dern, selbst nach 24 Stunden, bei der Expedition 
wieder eingetroffen. Sie sind jetzt beim Zuge 
angestellt, darunter ein Großmann, der mir als 
Viehdieb bekannt war. Durch ihn will ich später 
versuchen, die noch in den Bergen sitzenden Busch- 
leute heranzuziehen, da er genau weiß, daß sie 
bei Diebstählen nicht entrinnen können. Ich habe 
auch den in den Bergen sitzenden Buschleuten, von 
denen mir einige persönlich bekannt sind, sagen 
lassen, daß sie dort ruhig sitzen dürften, so lange 
sie kein Vieh stehlen. Ich hoffe, daß sie allmählich 
Vertrauen bekommen und später dauernd als 
Farmarbeiter Verwendung finden können. 
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Deutsch-MNeuguinea. 
S. O. S. „Cormoran“ Im Ralserin Kugusta-Fluß.“) 
Die Fahrt S. M. S. „Cormoran“ den 
Kaiserin Augusta-Fluß aufwärts bedeutet den 
ersten Versuch, den wichtigen Zugangsweg in das 
unerschlossene, aber zukunftsreiche Innere Neu- 
guineas mit einem größeren seegehenden Schiffe 
zu befahren. Der Gouverneur von Deutsch-Neu- 
guinea, Dr. Hahl, nahm an der Fahrt teil. 
Es konnte nur von Nutzen sein, den Einge- 
borenen ein Kriegsschiff zu zeigen und weitere 
Beziehungen anzubahnen; aber auch die Tatsache, 
daß ein größeres seegehendes Schiff ohne Schwie- 
rigkeiten weite Strecken des Flusses befahren hat, 
mußte als ein für Neuguinea wertvolles Ergebnis 
betrachtet werden. 
Wegen der heranstehenden Regenzeit mußte 
der Monat November als günstigster Zeitpunkt 
für die Flußfahrt erachtet werden, und so verließ 
S. M. S. „Cormoran“ am 13. November Her- 
bertshöhe, nachdem sich der Gouverneur eingeschifft 
hatte. In Friedrich Wilhelms-Hafen wurde am 
15. der fällige Postdampfer erwartet. Am 17. 
November gingen wir von dort in See, um über 
Hansahafen, wo sich vor kurzer Zeit die Eingebo- 
renen unruhig verhalten hatten, die Flußmündung 
anzusteuern. 
Die scemännischen Vorbereitungen für 
die Flußfahrt bestanden im Klarlegen von Trossen 
vorn und achtern und von vier Ankern, achtern 
dem Strom= und Heckanker. Die Dampfpinaß war 
für die Einsteuerung klar zum sofortigen Gebrauch. 
Für das Schiff war eine Geschwindigkeit von 
*) Auozug aus einem Bericht in der „Marine- 
Rundschau“ 1910, Märzheft. (Vgl. auch „D. Kol. Bl.“ 
1909, S. 331 ff., 739 ff.) 
  
11 kn, die mit drei von vier Kesseln gut zu 
halten ist, für die Fahrt stromaufwärts festgesetzt. 
In sanitärer Hinsicht war ein ausreichender 
Schutz gegen Moskitos dringend geboten. Es 
wurden daher überall für Hängematten, Luks, 
Decksfenster, Türen die Moskitonetze der Lan- 
dungsausrüstung in Gebrauch genommen. Deiese 
6 m langen und Zm breiten Netze wurden für 
die Schlafplätze an Deck in drei Teile zerlegt, 
so daß sie der einzelnen Hängematte einen sicheren 
Schutz gaben. Für die Kammern und Messen 
waren außerdem Seitenfenstereinsätze aus Messing- 
gaze angefertigt worden. 
Die Chininprophylaxe wurde sorgfältig durch- 
geführt. Durch diese Maßnahme wurde es er- 
reicht, daß die Besatzung wenig unter Mücken- 
stichen zu leiden hatte, obwohl uns vor allem 
im Bereiche der Mündung und der Sagosümpfe 
große Schwärme von Moskitos — Anohpheles 
und Kulex — überfielen. Malariafälle sind vor 
und nach Ablauf der Gefahrperiode bis auf einen 
leichten Fall nach der Flußfahrt nicht aufgetreten. 
Mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines längeren 
Festkommens im Flusse wurde reichlich Proviant 
beschafft und lebendes Vieh in größerer Zahl an 
Bord genommen. Wie sich später herausstellte, 
war es nicht möglich, von den Eingeborenen auf 
friedlichem Wege Schweine zu erhalten, obgleich 
reiche Bestände vorhanden waren. 
Kohlen waren in Friedrich-Wilhelmshafen 
rechtzeitig bestellt worden, da sonst dort oder in 
größerer Nähe der Flußmündung keine Kohlen= 
lager vorhanden sind. 1 
Am 18. vormittags standen wir bei mäßiger 
nördlicher Dünung in einer Entfernung von etwa 
3 bis 4 sm vor der Flußmündung, die indes zu- 
nächst nicht auszumachen war, sondern sich nur 
durch die gelbe Wasserfärbung, viel Treibholz, 
große schwimmende Grasinseln bestimmt vermuten 
ließ. Die ausgesprochene Flachebene des Küsten- 
landes, die völlig gleichmäßig und dicht mit 
Mangroven, Kasuarinen und Sagopalmen be- 
standen ist, gab erst bei größerer Annäherung 
einen leichten, kulissenartigen Einschnitt zu erkennen. 
Die Dampfpinaß wurde ausgesetzt und voraus- 
geschickt. Die Einsteuerung verlief unter häufigen 
Kursänderungen ohne Zwischenfall. Tiefen unter 
Zm wurden nicht gelotet; an den seichteren Stellen 
geriet das Schiff heftig ins Rollen. Die genaue 
Lage und Form der Barre festzustellen war wegen 
Zeitmangels nicht möglich. Nach Passieren der 
Barre zeigte sich die östliche Seite der Mündung 
als eine fast kanalartig scharfe Ecke, an der die 
Breite des schräg zur Küste mündenden Stromes 
etwa 1 sm beträgt; das westliche Ufer geht all- 
mählich in die Küstenlinie über. Das Flußbett, 
in dem das Wasser infolge schon eingetretener
	        
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