Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Auf den geschilderten rechtlichen Zuständen 
und Verwaltungseinrichtungen basiert nun die 
eigentliche Eingeborenenpolitik. Seit 
Jahrhunderten ist in Portugiesisch-Ostafrika der 
Boden durch die Eingeborenen landwirtschaftlich 
ausgebeutet worden. Aber auch die portugiesische 
Regierung hat ebenfalls nur auf frühere Verhält- 
nisse ihre Eingeborenenverwaltung aufbauen kön- 
nen. Im Mittelalter waren durch Araber und 
Perser im heutigen Portugiesisch-Ostafrika zahl- 
reiche Sultanate gegründet worden, die man je- 
doch den einheimischen Häuptlingen überließ. 
Dieselben zahlten an die fremden Eroberer eine 
Kopfsteuer für ihre Untertanen, blieben aber 
Herren über das Land und ihre früheren Unter- 
gebenen. Nach der portugiesischen Eroberung im 
ausgehenden Mittelalter traten an Stelle der ein- 
geborenen Fürsten portugiesische Würdenträger, 
während die ersteren in die Stelle von Richtern 
und Verwaltungsbeamten herabgedrückt wurden. 
Den portugiesischen Würdenträgern wurde das 
Land als ein Kronlehen, als ein prazo da 
corda"), freilich mit der Verpflichtung seiner 
Kultivierung übertragen. Die Institution dieser 
Prazos hat sich bis in das 19. Jahrhundert erhal- 
ten, wenn auch die Besitzer vielfach wechselten. 
Eine Kultivierung des Krongutes durch die Lehn- 
träger ist aber nie ernsthaft praktisch betrieben 
worden. Nur die Kopfsteuer der sogenannten 
Mussoco wurde von den Eingeborenen eingetrie- 
ben. In den achtziger Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts hat dann, nachdem man schon mehrere 
Jahrzehnte vorher die Versuche dazu eingeleitet 
hatte, eine Ablösung der Inhaber der Prazos 
stattgefunden. An Stelle derselben trat eine kurz- 
fristige Verpachtung des Kronlehens. Der je- 
weilige Steuerpächter hatte dabei das Recht, die 
Eingeborenen gegen Entgelt zur Arbeit heranzu- 
ziehen. Eine wirkliche planmäßige Kolonisation 
aber hat trotz der intensiven Arbeit der Einge- 
borenen auch in neuerer Zeit ebensowenig wie 
unter den früheren Verhältnissen stattgefunden. 
Nachdem infolge zahlreicher Unzulänglichkeiten 
die Regierung es selbst versucht hatte, einzelne 
Prazos in Verwaltung zu nehmen und gerade 
dank einer weniger auf Raubbau gerichteten Kul- 
tivierung des Landes einen höheren Steuerertrag 
von den Eingeborenen erzielt hatte, — dem nur 
wenige Jahre im Lande weilenden Pächter kam 
es natürlich nur darauf an, aus den Eingebore- 
neu eine möglichst hohe Steuer herauszuziehen, 
während ihm das Interesse des Landbaues, dessen 
Früchte er ja doch in den wenigen Jahren seiner 
Konzessionsdauer nicht ernten konnte, gleichgültig 
blieb, — wurde dann endlich im Jahre 1890 auf 
*) Mgl. 1#r. Bongard: Zeitschrift für Kolonial= 
politik, Kolonialrecht u. Kolonialwirtschaft, 1906, S. 95. 
  
Grund vorausgegangener Kommissionsunter- 
suchungen ein Dekret erlassen, das wieder auf die 
früheren Zustände zurückgriff, aber dabei den 
Pächtern der Prazos ganz bestimmte Bedingungen 
auferlegte. Die Pachtzeit wird nunmehr auf 
25 Jahre festgelegt und ferner bestimmt, daß dem 
Pächter nach portugiesischem Landesrecht der kul- 
tivierte Teil seines Prazos zufällt, wodurch er 
veranlaßt wird, wirklich ernsthaft das Land zu 
kolonisieren. Außerdem wird ein genauer Satz 
der Steuerzahlungen festgelegt. Die 800 Reis 
betragende Kopfsteuer, die dem früheren Mussoco 
entspricht, muß zur Hälfte in Arbeitsleistung an- 
genommen werden, wobei die Wochenarbeit des 
Erwachsenen mit 400 Reis und die des Kindes 
mit 200 Reis berechnet wird. 
Die mit Beginn der neunziger Jahre begrün- 
deten Gesellschaften darunter die Mozambique= 
Gesellschaft haben im Zusammenhang mit an- 
derem ausländischen Kapital ihr Augenmerk auf 
die Prazos gerichtet, und auf diese Weise wurden 
einerseits zahlreiche Krongüter in die Konzessionen 
eingeschlossen und dann auch mit den jeweiligen 
Prazospächtern Vereinbarungen getroffen, um 
die Erschließung des Landes und die Nutzung der 
Eingeborenenarbeit, beziehungsweise der Arbeits- 
pflicht der Eingeborenen in die Wege zu leiten. 
Die auf der Institution der Prazos sich auf- 
bauende Kopfsteuer des Mussoco, hat 
im Gebiete der Mozambique-Gesellschaft ganz 
erhebliche Beträge geliefert, sie stiegen von 12,/ 
Mill. Reis, im Jahre 1893, auf 56,64 Mill. Reis 
im Jahre 1904 und hatten 1907 sogar die Höhe 
von 94,89 Mill. Reis erreicht. 
Neben der Kopfsteuer, welche alle Eingebo- 
renen vom 14. bis zum 60. Jahre zu entrichten 
haben, besteht eine Hüttensteuer, die im 
Gegensatz zur Kopfsteuer, historisch als die Steuer 
der freien Eingeborenen galt. Auch sie spielt im 
Gebiete der Companhia de Mozambigque heute 
eine große Rolle. Nach dem Dekret vom 7. Mai 
1890, das 1904 durch ein neues ersetzt wurde, 
wird eine Hüttensteuer erhoben. Das neue Dekret 
setzt ihre Höhe auf 2250 Reis in Gold fest, die 
etwa 10 7 entsprechen, dazu tritt eine Zusatz: 
steuer von 250 Reis Silber, die für den Einge- 
borenen-Häuptling bestimmt sind. Von der Hüt- 
tensteuer sind befreit die beiden Hütten, welche 
der Eingeborenenhäuptling oder seine Frauen 
bewohnen, die Hütten der Invaliden, der Kinder 
und solcher Eingeborenen, welche der Compagnie 
nicht bezahlte Dienste leisten und endlich die Hüt- 
ten derjenigen Eingeborenen, welche die Kopi- 
steuer, den Mussoco, entrichten. Die Hüttenstener 
im Gebiete der Mozambique-Gesellschaft, die 1893 
erst 1,61 Mill. Reis eingebracht hatte, brachte 
1904 schon 66,53 Mill. Reis und 1907 89,13 Mill.
	        
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